Stadtbibliothek mit Licht und Schatten
Erfolg trotz voller Eimer und leerer Regale
Kürzlich habe ich Alarm geschlagen, weil die personelle und finanzielle Ausstattung unseres Theater mehr als zu wünschen übrig lässt. Bericht hierzu =>https://forum-baden-baden.blogspot.com/2023/12/theater-baden-baden-in-not.html
Jetzt kommt eine weitere kulturelle Baustelle hinzu, und die schmerzt mindestens ebenso: Die Stadtbibliothek pfeift an manchen entscheidenden Stellen aus dem letzten Loch und das, obwohl sie erst im letzten Jahr als „Bibliothek des Jahres Baden-Württemberg“ ausgezeichnet und im Gemeinderat dafür gefeiert wurde.
An heutigen Montag, 19. Februar 2024, werden die Mitglieder des Hauptausschusses gleichwohl zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nicht nur zu wenig Personal und zu wenig Kinderbücher gibt, sondern es auch im Gartenhaus massiv reinregnet, so dass man dort bereits Eimer aufstellen musste! „Das Holzwerk ist stark angegriffen, die schützende Farbe abgeblättert, das Dach undicht...“ heißt es in dem Bericht von Bibliotheksleiterin Sigrid Münch, der online einsehbar ist. Eine Katastrophe mit Ansage: Die dringend nötige Sanierung des Gartenhauses kommt ja nicht von ungefähr, sie wurde im städtischen Haushalt 2024/25 nicht aufgenommen und somit bereits zum dritten Mal verschoben! Ganz abgesehen davon, dass auch im Neubau eine Neuversiegelung des Parkettbodens dringend notwendig ist. Link zum ausführlichen Bericht hier => https://baden-baden.gremien.info/meeting.php?id=2024-HA-128
Grund zur Klage gibt es auch in anderen Bereichen der Bibliothek:
Muße-Literatur-Museum: Was für einen Schatz haben wir hier! Bericht dazu =>https://forum-baden-baden.blogspot.com/2023/09/haltestelle-literaturmuseum.html
Immer wieder ruft die Dauerausstellung begeisterte Reaktionen hervor, auch Führungen werden regelmäßig gebucht. Aber: „Leider ist das Museum nur zu den Öffnungszeiten der Stadtbibliothek zugänglich nicht aber an Wochenenden!“ Gut, für Gruppenführungen hat man das Haus in der Vergangenheit ausnahmsweise extra geöffnet, aber der Aufwand ist für externe Honorarkräfte, die mit dem Haus nicht vertraut sind, nicht mal einfach so machbar, und das Stammpersonal hat einfach keine Kapazitäten für regelmäßige Wochenend-Einsätze. Also hat man bei der Stadt geringfügige Beschäftigungen für eine Öffnung am Samstagnachmittag und Sonntag von zwei mal zehn Wochenstunden beantragt. Ergebnis: Nicht genehmigt!
Aber wie das hier in Baden-Baden so ist – es gibt Ehrenamtliche, und die haben im Sommer letzten Jahres versucht, dieses Defizit aufzufangen. Von Mai bis Juli war das Museum samstagnachmittags und sonntags geöffnet. Aber es wurde bei diesem löblichen Versuch festgestellt, dass es so leider nicht geht. Der Organisationsaufwand war erheblich, und von Bibliotheksseite musste eben doch eingesprungen werden. Ein größerer Vorlauf und vor allem auch mehr Werbung wäre hilfreich gewesen, aber selbst hier – Fehlanzeige!
Und wer jetzt meint, alles halb so wild, demnächst wird das System umgebaut und es wird eine „Open Library“ eingeführt, dem sei gesagt, dass dieses neue System keine Lösung für die Museumsbesucher sein wird, weil für den Zugang ein gültiger Jahresausweis erforderlich ist.
Es gibt zum Museum aber auch Gutes zu berichten: Der Audio-Rundgang wurde – dank Fördermittel - erweitert. Erklärungen für Stationen 1 bis 4 gibt es nun in Deutsch und Englisch, Station 5 bis 8 (über Literatur des 20. Jahrhunderts) sogar zusätzlich noch auf Französisch. Per QR-Code aufs Handy ladbar und auch zuhause abrufbar.
ABER: Zwei Jahre nach Eröffnung des Museums stellt sich immer mehr heraus, dass für eine kontinuierliche Aktualisierung und Weiterentwicklung, für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit eine Kurator/innen-Stelle erforderlich ist. Neben der Bibliotheksarbeit geht das nämlich nur sehr eingeschränkt. Ich wage die Prognose, dass diese Stelle ein Wunschtraum bleiben wird. Wie also wird es wohl mit dem Museum für die nächsten Jahre weitergehen?
Stadtbibliothek: Die guten Nachrichten zuerst: Ein Fazit, das stolz machen kann: „Das Haus ist nahezu ununterbrochen gefüllt mit Menschen, die arbeiten, allein oder in Gruppen, lesen, aussuchen und ausleihen, Referate vorbereiten, Führungen, Kurse, das ML (=Muße-Literaturmuseum) und Veranstaltungen besuchen.“ Auch die Dauer der Aufenthalte ist deutlich gestiegen.
Ein Riesenerfolg war auch die 2023 erstmals durchgeführte „Nacht der Bibliotheken“, die nächstes Jahr wiederholt werden soll. 400 Besucher machten bei diesem abwechslungsreichen nächtlichen Spektakel mit.
Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Denn wo viel Betrieb ist, da erhöht sich natürlich auch die Arbeitsbelastung des Personals. Ein kleiner Einblick in den Arbeitsalltag gefällig? Bitte sehr: „All die Angebote, die so intensiv genutzt werden, wollen ausgesucht, angeschafft, bezahlt und eingearbeitet werden. Im Alltag muss der Bestand gepflegt, einsortiert, ausgesondert, Ersatz beschafft werden. Dies gilt auch für die elektronischen Medien, und da gerade die digitalen Angebote nicht selbsterklärend sind, braucht es auch hier Beratung, zumindest für die ersten Schritte. Hinzu kommen Leseförderung sowie Projekte zur Weiterentwicklung....“ Und: „Der Aufwand wird umso höher, je knapper das Geld ist.“ Die Zahlen sprechen für sich: Im letzen Jahr zählte man rund 566 000 Ausleihen und knapp 16 000 Benutzer, bzw. 174 500 Besucher/innen und knapp 10 000 aktive Ausweise. Was bedeutet: „Die Grenze der Belastbarkeit des Teams ist überschritten.“ Neue Stellen gab es leider bislang für die Stadtbibliothek nicht, daran hat weder die Organisationsuntersuchung 2018 noch das neue Muße-Literaturmuseum etwas geändert.
Und es gibt in der Stadtbibliothek ja nicht nur Bücher, sondern auch Online-Angebote!
Seit Mai 2023 ist zum Beispiel die Datenbank des Brockhaus im Angebot, das bereits in den ersten acht Monaten 1176 mal genutzt wurde, hinzu kommen Datenbanken für Schülerwissen und Kinder sowie Onlinekurse zum Themen Medienkompetenz, Recherche-Training, Fake-News erkennen und – besonders gern gefragt – Schülersprechstunden zu GFS-Arbeiten und Klassenführungen. Auch das alles muss vorbereitet und durchgeführt werden.
Ganz zu schweigen von den öffentlichen PC-Plätzen, die gerne genutzt werden, zumal man in er Stadtbibliothek auch die Möglichkeit hat, Texte auszudrucken sowie zu fotokopieren – das gibt es in der Stadt sonst eher selten. Allerdings hat nicht jeder Besucher PC-Kompetenzen und braucht daher oft zeitaufwändige Unterstützung.
Man kann sich vorstellen, dass der Betrieb eines so aufwändigen Unternehmens nur mit besonders engagiertem Personal funktioniert. Wie frustrierend muss es dann für genau dieses Personal sein, wenn es gravierende Dinge nicht bieten kann!
Beispiel Kinderbibliothek. 14 Prozent Zuwachs bei den Entleihungen konnte man im vergangenen Jahr verzeichnen, und da sind die elektronischen Medien noch nicht eingerechnet. Insgesamt waren es über 95 000 Entleihungen! Die Kehrseite der Erfolgsmedaille: Die Regale sind oft leer. Es gibt zu wenige Bücher!
Medienkisten mit Lektüre für die ganze Klasse oder Gruppen zu saisonalen Themen für Kitas und Grundschulen „können wir nicht mehr liefern, weil zu wenige da sind“. Es können nur noch pro Anfrage drei bis fünf Medien ausgegeben werden, obwohl mehr gebraucht würde. Aber das sieht man dann doch pragmatisch: 50 Medienkisten vorhalten, die nur einmal im Jahr gefragt werden – zulasten von Büchern und Medien, die ganzjährig geliehen werden? „Da ist die Entscheidung eindeutig.“ Das Kinderprogramm insgesamt allerdings kann sich sehen lassen: über 5000 Teilnehmer bei 352 Veranstaltungen, vom Kindergeburtstag über Lesepädagogik bis hin zur Schülerfragestunde – solche Zahlen sprechen für sich und das Haus.
Bücherbus. Der Bus ist ein entscheidendes Element der Leseförderung und der Zusammenarbeit mit den Grundschulen, heißt es im Bericht. Hier wird jedem Kind, unabhängig vom familiären Hintergrund, die Chance gegeben, mit Büchern in Kontakt zu kommen und sich selbst etwas nach Interesse auszusuchen. Allein in Baden-Baden verzeichnet man einen Bestand von knapp 12 000 Medien, also Zeitschriften, Sachliteratur, Belletristik, Kinderliteratur und Tonträger, und das bei 31 500 Ausleihen! Mehr Kinderbücher sind allerdings notwendig, und der Förderverein Stadtbibliothek finanziert zum Glück auch immer wieder mal stark frequentierte Titel. Diese Zahlen betreffen nur den Bücherbus Baden-Baden, der nächstes Jahr 60. Geburtstag feiern kann. Eine Kooperation mit dem Landkreis Rastatt übrigens. Gerade hinsichtlich einer Neuanschaffung des betagten Busses müsste im kommenden Jahr mit dem Landkreis eine Vereinbarung getroffen werden.... Da sollten wir alle wohl mal fest die Daumen drücken!
Und ein Letztes noch möchte ich aus dem Bericht herauspicken, die Bibliothek der Dinge. Diese ist - dank Spenden – eine Weiterentwicklung aus der ehemaligen Musikbibliothek. Es gibt ein Piano, das von vielen Interessierten, angefangen von jüngeren Schülern und bis zu Erwachsenen, gern zum Üben genutzt wird, dazu gesellen sich nun neue Musikinstrumente zum Ausleihen und Ausprobieren: Percussion-Instrumente, Geige, Gitarren, Banjo, Ukulele bis hin zur Kalimba, einem afrikanischen Daumenklavier. Es versteht sich von selbst, dass es eine Kooperation mit der Musikschule gibt. Ein Traum wäre ein abgeschlossener Bereich, in dem auch gemeinsam musiziert werden könnte... Wie gesagt, ein Traum.
Traumhaft wäre, wenn wenigstens eine der dringlichsten Baustellen von den Stadträten in Angriff genommen, bzw. unterstützt würde: Eine Kuratorin fürs Museum? Wenigstens geringfügig Beschäftigte für 20 Stunden im Monat? Mehr Werbung fürs Muße-Literaturmuseum? Dachsanierung im Gartenhaus? Anschaffung von mehr Kinderbüchern? Ein breites Feld für unsere Stadträte, sich vielleicht noch vor der Kommunalwahl, spätestens aber für die Zeit danach zu positionieren!
Webseite => https://www.baden-baden.de/stadtbibliothek/