Donnerstag, 14. Dezember 2023

Theater Baden-Baden in Not

 

Für Personal, Ausstattung, Technik:

Das Theater braucht Unterstützung


Was ist denn nur in Baden-Baden los! Wo bleibt die Wertschätzung für die Kultur, speziell für unser wunderbares Theater mit eigenem Ensemble, auf das wir unendlich stolz sein sollten? Statt glücklich zu sein über eine hochmotivierte Truppe, die trotz Mittelknappheit und Personalnot regelmäßig Stücke in einer Qualität auf die Bühne bringt, um die uns manch „großes Haus“ beneiden könnte, wird das Haus am Goetheplatz von der Verwaltung und der Mehrheit der Damen und Herren im Gemeinderat stiefmütterlich, ja fast verächtlich links liegen gelassen, ja, man lässt es regelrecht ausbluten. Ausstattung, Personal, Technik – wo man hinsieht, ist landunter!


Der Fundus


Beginnen wir mit der Ausstattung. Oder, nein, gestatten wir uns einen Blick Jahrzehnte zurück: Zur Zeit kann man im Stadtmuseum in der Ausstellung über die 50er und 60er Jahre nachverfolgen, dass für das Theater Baden-Baden schon einmal fast das letzte Stündlein geschlagen hätte. Muss das Haus wirklich mit einem eigenen städtischen Ensemble betrieben werden?, fragte man sich damals. Aber ja doch!, lautete die Antwort. Neben der Landesregierung griff auch der damalige SWF ein und stützte die Bühne, auf der auch die Funk-Mitarbeiter gerne ihre Auftritte hatten. 

 



Und heute? Verscherbelt der SWR das Tafelsilber: Ende nächsten Jahres will man ohne Rücksicht auf Verluste beim Theater die riesige Requisitensammlung, den sogenannten Fundus, auflösen und das Gebäude in der Saarstraße, in dem die Schätze untergebracht sind, verkaufen. Die Rede ist von zehntausenden Möbeln, Objekten und Kleinrequisiten, von großen Plastiken, Särgen, Briefkästen, Jesus-Figuren bis hin zu Kostümen und Dekoartikeln.

Was das für das Theater bedeutet, konnte man im Sommer in der örtlichen Tageszeitung nachlesen: => https://bnn.de/mittelbaden/baden-baden/swrswr-fundus-werden-deutlich-verkleinert-antwort-auf-rasanten-wandel-der-medienbranche-standort-saarstrasse-in-baden

Es gibt einen Kooperationsvertrag, nach dem das Haus am Goetheplatz die Requisiten nutzen darf. Was jetzt? Künftig für die Ausstattung der Aufführungen passende Möbel und andere außergewöhnliche Utensilien zu finden, wird dem Theater-Team „erhebliche Recherchearbeit und Logistik“ abverlangen.

Hier gibt es eine Fotostrecke zum Fundus in Baden-Baden => https://www.dwdl.de/features/fotostrecke/749_swrfundus_wird_aufgelst/image_2.html

Man besitzt zwar auch ein kleines eigenes Lager, aber „da schimmelt uns alles weg“, schlug Intendantin Nicola May damals Alarm. Holland in Not also – aber kein Lichtblick in Sicht. Und die Öffentlichkeit? – Schweigt.

Immerhin gibt es eine online-Petition der Filmproduktionsfirmen in Baden-Baden, die den Fundus doch noch retten wollen. Bis heute wurden 3822 Unterschriften gesammelt, nötig sind 5000. Ausgang ist vermutlich offen. => https://www.change.org/p/weiterbetrieb-des-swr-fundus-in-baden-w%C3%BCrttemberg


Das Personal


Damit nicht genug. Nur wenige Monate nach jener Hiobsbotschaft kommt die nächste: Die jüngsten Haushaltsberatungen im Gemeinderat zeigen in erschreckendem Maße, dass den meisten Damen und Herren Stadträten der Sinn für Kultur abgeht. Intendantin Nicola May schildert ihnen, dass das Theater beim Personal „extrem auf Kante genäht“ ist, und einige Vorstellungen deshalb bereits ausfallen mussten. Und die Anwort des Gemeinderats? Es werden zwar mehr als 70 neue Stellen für die Verwaltung genehmigt, das Theater mit der Forderung nach zwei Halbtags- und einer Ganztagskraft hingegen geht komplett leer aus. Nur SPD, Grüne und FDP stimmten dafür. Und wenn man die Presseberichte genauer studiert, war diese Entwicklung der Intendantin des Theaters, Nicola May, offenbar seitens der Verwaltung noch nicht mal im Vorfeld in irgendeiner Weise angedeutet worden. Aber das nur am Rande.

Für das Theater ist schon allein die Ablehnung dieser Stellen eine schallende Ohrfeige. Man benötigt dringend einen weiteren Tonmeister, der auch für Videoproduktionen zuständig ist. Diese Technik ist Standard, Videoproduktionen gehören heutzutage einfach zum Theater dazu, aber das Haus in Baden-Baden muss solche Produktionen nun, nachdem diese Stelle  abgelehnt wurde, weiterhin jedes Mal extern beauftragen. Dass das Zeit und Geld kostet, kann man sich an allen fünf Fingern ausrechnen.

Genauso schlimm empfinde ich die Ablehnung der beiden Halbtagsstellen: Hier wurde zum einen die Entlastung des Disponenten gestrichen, was allein schon eine kleine Katastrophe ist. Wer mit dem Berufsfeld nicht vertraut ist, kann recherchieren: Disponenten planen den Proben- und Aufführungsbetrieb sowie die Gastspiele und Sonderveranstaltungen des Theaters, sie planen also während der Spielzeit den Personaleinsatz, die Belegung der Probenräume und Bühnen und die Auslastung der Werkstätten, im künstlerischen Bereich laufen bei ihnen außerdem Informationen über freie Tage, Ferien, Krankheiten und Unfälle der Mitarbeitenden zusammen. Erst vor wenigen Tagen war höchster Einsatz gefragt, als der Hauptdarsteller im Kassenmagneten „La cage aux Folles“ sehr kurzfristig ersetzt werden musste. Noch dazu mitten im Bahnstreik. Und trotzdem fand die Aufführung statt! Ein Meisterwerk des ? - richtig: Disponenten.

Die zweite Halbtagsstelle hätte das Theater gebraucht, um enger mit den Schulen zu kooperieren. Bislang haben Lehrkräfte diese Aufgabe übernommen, aber heutzutage können sie das nicht mehr leisten, wie nun wirklich jedem hinlänglich bekannt sein dürfte. Was es heißt, am Kontakt mit den Schulen zu sparen, wird unsere Gesellschaft in ein paar Jahren merken, wenn immer mehr Kulturbanausen in der Öffentlichkeit das Sagen haben werden, beziehungsweise die Menschen sich von der Kultur, nicht nur vom Theater, abwenden. Theater erfüllt einen wichtigen Bildungsauftrag, es kann Lebensrezepte geben, Denkanstöße, es kann neue Perspektiven eröffnen und kann den Jugendlichen zeigen, "die Welt ist veränderbar". Das hat der Deutschlandfunk schon 2012 in einem Podcast „Wozu das ganze Theater?“ hervorgehoben, und dem schließe ich mich gerne an. => https://www.deutschlandfunkkultur.de/wozu-das-ganze-theater-100.html

Man denke nur an die Vorstellungen „Fit fürs Abi“, die Hunderte von Schülern vielleicht zum ersten Mal das Haus am Goetheplatz haben betreten lassen. Hier wird nicht nur Wissen fürs Deutsch-Abi vermittelt, sondern ein erster Stein für Theaterliebe gelegt. Hier werden junge Menschen für Theater und Literatur begeistert, klassische Stoffe sinnlich erlebbar gemacht und neue Gedankenwelten eröffnet. An dieser Stelle darf nicht gespart werden.

 

Die Technik


Und jetzt kommt auch noch heraus, dass die 20 Jahre alte Bühnentechnik in den letzten Zügen liegt und schon längst hätte repariert werden müssen. Bremsen, Motoranlagen, Steuerungstechnik: alles veraltet und marode. Ein Teil hätte schon letztes Jahr dringend saniert werden sollen, was aus terminlichen Gründen nicht klappte. Letzte Woche nun hat der TüV die Reißleine gezogen: Wenn die Technik nicht spätestens in der Sommerpause ausgetauscht wird, wird es nächstes Jahr irgendwann keine Vorstellungen mehr geben.

Wenigstens diese Drohung ist im Hauptausschuss angekommen: die Gelder für die Erneuerung der Technik wurden bewilligt. Die Kosten von mehr als einer halben Million Euro sind nun allerdings mehr als doppelt so hoch als ursprünglich eingeplant. Erschreckt hat mich persönlich der Satz in der Zeitung, das Theater werde dafür seine Rücklagen opfern.

Wie lange noch wird die Belegschaft des Theaters ihre Aschenputtel-Rolle klaglos hinnehmen und weiter Abend für Abend ihr Bestes geben? Wie lange reichen persönliche Hingabe, Motivation und Begeisterung und kollegialer Zusammenhalt, ehe diesem großartigen Team in der lieblosen, kalten Atmosphäre unserer Stadt die Luft ausgeht? Und was sagen eigentlich die Unterstützer in der Patronatsgesellschaft dazu? Auch hier nur Schweigen, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Vielleicht täusche ich mich, aber manchmal habe ich den Verdacht, dass die Patronaten ihr Gewicht eher auf die Philharmonie legen als aufs Theater. 


Das Ende?


Dies alles finde ich sehr beunruhigend. Müssten wir Geld sammeln und jedem Entscheidungsträger des Gemeinderats eine Eintrittkarte für eine Vorstellung spenden – mit der Verpflichtung, auch hinzugehen? Wäre ich ironisch, würde ich sie glatt in die Aufführung „Ein Käfig voller Narren“ schicken.

Im Ernst, wie geht es denn nun weiter? Am Beschluss, die geforderten Stellen zu streichen, wird sich leider in der Gemeinderatssitzung am kommenden Montag, 18. Dezember 2023, bei der Verabschiedung des Haushalts nichts ändern, denn es ist formal nicht möglich, noch einmal in die Beratungen einzutreten. Bestenfalls können wir also tief Luft holen und auf das neue Gemeinderatsgremium hoffen, das im Juni 2024 gewählt wird. Denkbar wäre, die Stellen fürs Theater, oder wenigstens einen Teil davon, in einem Nachtragshaushalt einzubringen.Vielleicht sind die Machtverhältnisse dann anders, vielleicht sitzen im neuen Gremium mehr kulturell interessierte Vertreter - es wäre wünschenwert. Das Theater darf nicht weiter ausgehungert werden!

Ich frage mich, was wir tun können. Abwarten und Tee trinken ist nicht wirklich eine Option. Wäre es an der Zeit, eine Hilfskampagne für das Theater zu starten? Unterschriftenliste? Unterstützungsverein? Andere Ideen? 

Theaterkarten zu verschenken, wäre auch eine Möglichkeit!  

=> https://www.theater-baden-baden.de/