Mittwoch, 14. Februar 2018

White Box


Ein Baumstamm im Kubus 
und essbare Skulpturen

Es gibt ja das Sprichwort „Wer weiß, wozu das Schlechte gut ist“. Das trifft dieser Tage ganz besonders auf den altehrwürdigen Mammutbaum in der Lichtentaler Allee gegenüber des Burda-Museums zu, der beim großen Sturm im Dezember seine Standfestigkeit verlor und im stolzen Alter von 140 Jahren gekappt werden musste. 



Traurig und irgendwie auch trotzig ragte seitdem sein quer halbierter Stamm in die Höhe, und manch ein Spaziergänger fragte sich, seit wann denn das sonst so emsige Gartenamt halbe Sachen macht. Gestern ließ der Direktor der staatlichen Kunsthalle, Johan Holten, die Katze aus dem Sack: Der abgesägte Stamm wurde noch gebraucht. Für ein Kunstprojekt der anderen Art. Der Künstler Fabian Knecht aus Berlin hat ihn sich für ein zeitlich begrenztes Werk auserkoren. 




Seit vorgestern wird rund um den mächtige Baumstumpf nun gezimmert und gesägt, und in ein paar Tagen wird von dem Stamm nur noch der obere Teil zu sehen sein. Der Rest wird in einer begehbaren „temporären Ausstellungshalle“ verschwinden, einer White Box, die dieses markante Stück Natur quasi umrahmen, ja umarmen wird.

Die Ausmaßes des Kubus' werden gewaltig sein: zwölf mal vier mal vier Meter. Außen Natur, innen weiß, und zwar so weiß in grelles Neonlicht getaucht, dass selbst die tief verschorfte Rinde keinen Schatten mehr werfen soll.

Das Kunstwerk wird für die neue Landesausstellung der staatlichen Kunsthalle aufgebaut, die unter dem Motto „Ausstellen des Ausstellens“ vom 3. März bis zum 17. Juni zu sehen sein wird. 

Und wie die Baden-Badener es schon von früheren Landesschauen gewohnt sind, wird sich die Sonderausstellung nicht auf das Haus der Kunsthalle allein erstrecken, sondern sich in der Umgebung ausbreiten: Im Freien, wo in 100 Bäumen Zeichnungen wehen werden, im Burda- LA8- und Stadtmuseum, in denen man „künstlerische Streubomben" platzieren wird, neben der Kunsthalle, wo es künstliches Vogelgezwitscher zu hören gibt – und eben im weißen Kubus in der Allee, der jeden Tag zwischen 10 und 18 begehbar sein wird. 



„Es geht uns darum, die Leute mit Kunst zu konfrontieren, nicht um Eintrittskarten zu verkaufen“, erläuterte Johan Holten gestern, als er der örtlichen Presse die Aktion vorstellte. Aber natürlich hofft man darauf, dass der eine oder andere Spaziergänger, auf diese Weise neugierig gemacht, dann doch den Weg in die gar nicht so heiligen Hallen finden wird. In diesem Sinne liest sich der Veranstaltungskalender für die Landesausstellung sehr spannend; es sind unterschiedlichste Aktionen geplant. Das beginnt mit einer Performance in (!) der Oos und einem ungewöhnlichen Konzert in der Muschel am Kurhaus, geht über Speed-Dating mit der Kunst und Yoga im Museum bis hin zum Power-Lunch mit Kunst (20 Minuten Führung plus Mittagessen), Schnitzeljagd für Kinder und Abendführung mit der Taschenlampe. 

Und im Stadtgebiet wird es umgedrehte Bücher vor der Buchhandlung Straß, Fotografien im alten Dampfbad, gravierte Vorhängeschlösser an einer Oosbrücke und essbare Skulpturen aus Marzipan zu bestaunen geben. Mit anderen Worten: Ab 3. März heißt es: Augen auf in Baden-Baden! 

Der kunstvolle Mammutbaum in der Box hat übrigens am Ende der dreimonatigen Schau noch lange nicht als "temporäres Kunstwerk" ausgedient. Ist die White-Box am Ende wieder abgebaut, wandert das Holz weiter in kundige Künstlerhand: Karl-Manfred Rennertz wird aus dem Stamm dann etwas Bleibendes schaffen.