Ein Baumstamm im Kubus
und essbare Skulpturen
Es
gibt ja das Sprichwort „Wer weiß, wozu das Schlechte gut ist“.
Das trifft dieser Tage ganz besonders auf den altehrwürdigen
Mammutbaum in der Lichtentaler Allee gegenüber des Burda-Museums zu, der beim großen Sturm
im Dezember seine Standfestigkeit verlor und im stolzen Alter von 140 Jahren gekappt werden
musste.
Traurig und irgendwie auch trotzig ragte seitdem sein quer halbierter Stamm in die Höhe, und manch ein Spaziergänger
fragte sich, seit wann denn das sonst so emsige Gartenamt halbe
Sachen macht. Gestern ließ der Direktor der staatlichen Kunsthalle,
Johan Holten, die Katze aus dem Sack: Der abgesägte Stamm wurde noch
gebraucht. Für ein Kunstprojekt der anderen Art. Der Künstler
Fabian Knecht aus Berlin hat ihn sich für ein zeitlich begrenztes
Werk auserkoren.
Seit vorgestern wird rund um den mächtige Baumstumpf nun
gezimmert und gesägt, und in ein paar Tagen wird von dem Stamm nur
noch der obere Teil zu sehen sein. Der Rest wird in einer begehbaren
„temporären Ausstellungshalle“ verschwinden, einer White Box,
die dieses markante Stück Natur quasi umrahmen, ja umarmen wird.
Die
Ausmaßes des Kubus' werden gewaltig sein: zwölf mal vier mal vier
Meter. Außen Natur, innen weiß, und zwar so weiß in grelles Neonlicht
getaucht, dass selbst die tief verschorfte Rinde keinen Schatten mehr
werfen soll.
Das
Kunstwerk wird für die neue Landesausstellung der staatlichen Kunsthalle
aufgebaut, die unter dem Motto „Ausstellen des Ausstellens“ vom
3. März bis zum 17. Juni zu sehen sein wird.
Und wie die Baden-Badener es schon von
früheren Landesschauen gewohnt sind, wird sich die Sonderausstellung nicht
auf das Haus der Kunsthalle allein erstrecken, sondern sich in der
Umgebung ausbreiten: Im Freien, wo in 100 Bäumen Zeichnungen wehen
werden, im Burda- LA8- und Stadtmuseum, in denen man „künstlerische
Streubomben" platzieren wird, neben der Kunsthalle, wo es künstliches
Vogelgezwitscher zu hören gibt – und eben im weißen Kubus in der
Allee, der jeden Tag zwischen 10 und 18 begehbar sein wird.
„Es
geht uns darum, die Leute mit Kunst zu konfrontieren, nicht um
Eintrittskarten zu verkaufen“, erläuterte Johan Holten gestern, als
er der örtlichen Presse die Aktion vorstellte. Aber natürlich hofft man darauf, dass der eine oder andere Spaziergänger, auf diese Weise neugierig gemacht, dann doch den Weg in die gar nicht so heiligen Hallen finden wird. In diesem Sinne
liest sich der Veranstaltungskalender für die Landesausstellung sehr
spannend; es sind unterschiedlichste Aktionen geplant. Das beginnt
mit einer Performance in (!) der Oos und einem ungewöhnlichen Konzert in
der Muschel am Kurhaus, geht über Speed-Dating mit
der Kunst und Yoga im Museum bis hin zum Power-Lunch mit Kunst (20
Minuten Führung plus Mittagessen), Schnitzeljagd für Kinder und Abendführung mit der Taschenlampe.
Und
im Stadtgebiet wird es umgedrehte Bücher vor der Buchhandlung Straß,
Fotografien im alten Dampfbad, gravierte Vorhängeschlösser an einer Oosbrücke und essbare Skulpturen aus Marzipan zu bestaunen geben. Mit anderen
Worten: Ab 3. März heißt es: Augen auf in Baden-Baden!
Der kunstvolle Mammutbaum in der Box hat übrigens am Ende der dreimonatigen Schau noch lange nicht als "temporäres Kunstwerk" ausgedient. Ist die White-Box am Ende wieder abgebaut, wandert das Holz weiter in kundige Künstlerhand: Karl-Manfred Rennertz wird aus dem Stamm dann etwas Bleibendes schaffen.