Das schwule Känguru sorgt für Wirbel
- und begeisterte Zuschauerreaktionen
Bundesweit
hat das Theater Baden-Baden in den letzten Wochen mit seinem
Kinderstück „Ein Känguru wie du“ für Wirbel und hitzige
Diskussionen gesorgt. Warum? Immer weniger Schulklassen buchten das Stück im
TIK, so dass man es schließlich nach sieben statt der
geplanten 15 Vorstellungen absetzen musste. Warum war das Stück ein Flop? Das Theater stand zunächst vor einem Rätsel. Es gab keinen offenen Protest, keine Dmemonstrationen, die Ablehung erfolgte lautlos, schleichend. Erst als man gezielt nachfragte,
warum die Kinder ausblieben, hörte man, dass es offenbar in der
Elternschaft Vorbehalte gegen das Stück gab, vermutlich weil die
Hauptperson ein schwules Känguru war.
Abgesetzt, weil es um das Thema Schwule und Lesben ging? In einer Zeit, in der gerade erst die Ehe für alle beschlossen worden war? Verwundert rieb man sich die Augen, nicht nur in Baden-Baden, und schnell war die Empörung da.
Es wurde hin und her diskutiert. Weil aber
nicht alle, die sich da aufregten, das Stück vor seiner Absetzung
gesehen hatten (es war ja schließlich hauptsächlich vormittags für
Schulklassen gelaufen), entschloss sich das Theater zu einer
szenischen Lesung mit anschließender Diskussion.
Angesicht
ders Wirbels war die Resonanz allerdings verhalten. Gerade mal halb
voll war das Parkett im Theater. Und wie sich später herausstellte, waren eher die Befürworter und offenen Neugierigen in der Mehrzahl. Diejenigen, die den Wirbel mit ihrer stillen Ablehnung ausgelöst hatten, schienen nicht vertreten zu sein. Wer aber gekommen waren,
genoss das Stück mit sichtlichem Vergnügen und belohnte
die großartigen Schauspieler mit begeistertem Applaus.
Warum
das Stück solch ein Flop geworden war, blieb allerdings auch in der
anschließenden lebhaften Diskussion weiterhin nebulös. Angst der
Eltern, dass ihre Söhne durch das Stück schwul werden könnten?
Sorge, dass (in einem preisgekrönten Kinderstück ab acht Jahren?)
tierische Sexspiele auf der Bühne zu sehen sein könnten? Das Lachen
blieb einem angesichts derlei Mutmaßungen im Halse stecken. Auch die
Überlegung, die Lehrer könnten abgeblockt haben, weil sie sich
nicht einer Diskussion um Schwule und Lesben aussetzen wollten,
erwies sich als haltlos, denn das Theater hatte ja das Stück stets
theaterpädagogisch mit Workshops und Nachgespräche in den Schulen
begleitet.
In
ihrer Einführung betonte Intendantin Nicola May, dass
Stückeschreiber Ulrich Hub (Jahrgang 1963) keineswegs ein sexuelles
Aufklärungsstück geschrieben habe, sondern dass es ihm in seinen
Werken immer um Themen gehe, die die Gesellschaft und Kinder bewegen.
Im vorliegenden Fall waren dies Freundschaft, Toleranz, Liebe und
Kampf gegen Vorurteile. „Er ist ein ernsthafter Mensch, er will mit seinem
Stück etwas erreichen.“ In einem Wettbewerb gewann das Werk den
Kinderjurypreis, in Köln läuft es seit drei Jahren mit großem
Erfolg.
Auch
in Baden-Baden habe man mit großer Freude an dem Stück gearbeitet,
man habe das Känguru auch einigen Eltern und Lehrern gezeigt, die es
positiv aufnahmen - „aber es lief nicht so richtig“. Nachfragen
ergaben dann zum einen, dass sich nicht jeder Lehrer mit Thema
Schwulsein stellen wollte und Eltern ihre Kinder noch nicht mal in
die Schule ließen, wenn das Stück dort nur besprochen wurde. Auch
an der Theaterkasse wurden Vorbehalte geäußert, wenn die Anrufer
erfuhren, um was es in dem Stück ging.
Anders
als im großen Haus, in dem jeden Abend ein anderes Stück gezeigt
werden kann und man somit auch relativ flexibel auf
Zuschauervorlieben reagieren kann, ist man im TIK sehr begrenzt. Wenn
das Bühnenbild dort einmal steht, dann kann es für die
veranschlagte Zeit der Aufführungen nicht einfach geändert werden.
Und das bedeutet: Wenn ein Stück nicht besucht wird, dann ist die
ganze Spielstätte lahmgelegt. Das habe man sich nicht mehr leisten
können und wollen und das Stück daher für die nächste Saison
abgesetzt – und damit eine bundesweite Diskussion losgetreten. „Wir
standen in der Süddeutschen direkt unter einem Artikel über Donald
Trump“, amüsierte sich Nicola May, die im übrigen nicht den
Eindruck hatte, es handele sich bei der Ablehnung des Themas um eine
rein Baden-Badener Haltung.
Aber
sie wolle sich auch nicht entmutigen lassen, sagte sie.
Die
Reaktion des Publikums auf die mitreißende szenische Lesung
(Darsteller: Nadine Kettler als Dompteur, Sebastian Brummer als kluger Panther Lucky, Sonja Dengler als quirliges Känguru Django und
Patrick Schadenberg als pummeliger Tiger Pascha) zeigte jedenfalls deutlich, dass das letzte Wort
zu diesem Stück noch nicht gesprochen sein sollte. Gibt es noch
einmal eine Lesung? Oder eine Familienaufführung? Oder eine
Sondervorstellung für die Lehrerschaft? Vorschläge gab es genug,
und die Intendantin zeigte sich nicht abgeneigt, darüber
nachzudenken. Allerdings: „Wir brauchen auch ein Signal der Schulen, dass
sie dann auch wirklich kommen.“
Zum Inhalt (übernommen aus dem Programm des Theaters => KLICK )
EIN
KÄNGURU WIE DU
von
Ulrich Hub
Nicht verheiratet, nicht verlobt, aber auch nicht Single? Da stimmt was nicht. Pascha und Lucky fällt’s wie Schuppen von den Augen: Ihr Dompteur ist schwul. Deswegen die glitzernden Kostüme und das üppige Parfüm! Was Schwulsein bedeutet, ist den beiden jungen Raubkatzen zwar nicht so ganz klar, klar aber ist, dass das überhaupt nicht geht. Deshalb verlassen sie
den Dompteur kurz vor einer großen Zirkusshow, ihre mühsam einstudierte Nummer fanden sie immer schon ein bisschen läppisch. Als sie dem boxenden Känguru Django begegnen, wissen sie sofort: Das ist ein Siegertyp. Bis sich herausstellt, dass Django schwul ist.
Jeder soll leben und lieben, wie er will. Alle würden das sagen, aber meinen es auch alle ernst? Spielerisch zeigt Ulrich Hub in EIN KÄNGURU WIE DU, wie die beiden Raubkatzen Pascha und Lucky sich in ihren eigenen Vorurteilen immer wieder verheddern: Bis sie am Ende doch mit ihrer Nummer in der Manege stehen – zusammen mit dem Dompteur und Django! –, erleben sie so manche Überraschung.
Nicht verheiratet, nicht verlobt, aber auch nicht Single? Da stimmt was nicht. Pascha und Lucky fällt’s wie Schuppen von den Augen: Ihr Dompteur ist schwul. Deswegen die glitzernden Kostüme und das üppige Parfüm! Was Schwulsein bedeutet, ist den beiden jungen Raubkatzen zwar nicht so ganz klar, klar aber ist, dass das überhaupt nicht geht. Deshalb verlassen sie
den Dompteur kurz vor einer großen Zirkusshow, ihre mühsam einstudierte Nummer fanden sie immer schon ein bisschen läppisch. Als sie dem boxenden Känguru Django begegnen, wissen sie sofort: Das ist ein Siegertyp. Bis sich herausstellt, dass Django schwul ist.
Jeder soll leben und lieben, wie er will. Alle würden das sagen, aber meinen es auch alle ernst? Spielerisch zeigt Ulrich Hub in EIN KÄNGURU WIE DU, wie die beiden Raubkatzen Pascha und Lucky sich in ihren eigenen Vorurteilen immer wieder verheddern: Bis sie am Ende doch mit ihrer Nummer in der Manege stehen – zusammen mit dem Dompteur und Django! –, erleben sie so manche Überraschung.