Rodney Graham sorgt für Verjüngungskur:
"Kunst mit Stecker" der feinsten Art
Wer
erinnert sich noch an die große JR-Ausstellung des Burda-Museums in
Baden-Baden, als man überall in der Stadt Leute mit riesigen
zusammengerollten Plakaten durch die Stadt laufen sah? Damals rieb
man sich die Augen und staunte, dass das etwas behäbige Burda-Museum auch
„jung“ konnte – dank Patricia Kamp, die der Motor zu dieser
Show gewesen war.
Und
auch jetzt, ein paar Jahre später, hat sie wieder die Hand im Spiel
bei der ungewöhnlichen Lightboxes-Show des kanadischen Künstlers
Rodney Graham. Sie war es, die den Mann und seine ungewöhnlichen
Werke entdeckt hatte, gab der neue Direktor des Museums, Henning
Schaper, gestern bei der Pressekonferenz zum Auftakt der Ausstellung
unumwunden zu. Und so mausert sich das Burda-Museum im 13.
Jahr seines Bestehens: Es habe die Pubertät hinter sich gelassen und
zeige, dass es zu Lebendigkeit und Wandel fähig sei, sagte Schaper. Die klassische
Moderne werde immer Bestandteil bleiben, versicherte er, aber
man wolle eben auch vital und lebendig sein und die Zuschauer immer
wieder überraschen.
Von links: Henning Schaper, Patricia Kamp, Rodney Graham |
Das
gelingt dem Haus nun zweifelsfrei. Als „Kunst mit Stecker“ seien
die neuen Kunstformen manchmal belächelt worden, verriet Patricia Kamp
augenzwinkernd. Aber nun ist er da, der große Rodney Graham, der
„Mann mit den tausend Gesichtern“ und „melancholische
Zeitreisende“, der 1949 in Vancouver geboren wurde.
Er selbst sieht
sich eher als Produzent seiner Kunstwerke, nicht als Fotograf. Die Technik überlässt er anderen, gibt er zu, und dass
die Fachleute viel mit Photoshop arbeiten,
versteht sich offenbar von selbst. Der Künstler lächelt dazu, ihm
geht es um die Performance an sich, die Idee, die er oft Jahre mit
sich herumträgt, und die er dann binnen zwei, drei Monaten umsetzt –
immer nur mit einer Hauptperson: Rodney Graham himself.
Die
Kunstwerke Grahams sind vielschichtig, abwechselungsreich, überraschend und oftmals sehr witzig!
Hingehen lohnt sich, ganz nahe an die Werke herantreten und einfach
nur angucken!
Das prominenteste Stück ist zweifellos im großen Saal
im Erdgeschoss der schlafende Antiquar in seinem Laden. Mit welcher
Akribie Graham all die Requisiten und Utensilien zusammengetragen
hat, die zwangsläufig in einem Antiquariat zu finden sein müssen!
Es
macht Spaß, sich die „lightboxes“ - überdimensionale
ausgeleuchtete Fotografien von unglaublicher Brillanz –
anzuschauen.
Gehen
Sie ins oberste Stockwerk und betrachten den Koch, der keinen "Bock"
mehr hat und unter einer Birke eine Zigarette raucht. Sehen Sie, dass
in seinem Ärmel ein Löffel steckt? Und dass er ein Pflaster am
Finger hat?
Und
versäumen Sie nicht, ins Film-Kabinett einzutauchen und den tanzenden
Kronleuchter zu bestaunen! Was für eine Idee! Unvorstellbar!
Wem
das alles nicht reicht, wer nun am liebsten selber aktiv werden würde, dem sei – und nun kommen wir zum Beginn meiner
Ausführungen zurück – der Gang ins Untergeschoss angeraten. Hier
kann man in allen möglichen Requisiten wühlen, sich verkleiden und
Teil eines Bildes werden. Man kann sich dabei selbst mit dem Handy
fotografieren (lassen), oder die Hilfe eines Museum-Mitarbeiters
erbitten. Dann bekommt man seine eigene Foto-Installation nämlich
sogar ausgedruckt und kann sie mit nach Hause nehmen. Nicht so groß
wie einst die JR-Poster, nur normales Fotoformat – aber immerhin!
Jedenfalls
habe ich vorhin während der Pressekonferenz das Team des ZDF dabei
erwischt, wie es sich mit großem Spaß der Aufforderung zum Spielen,
Tanzen, Improvisieren hingab. Das Ergebnis sollte heute Abend zu
sehen sein, denn selbstverständlich werden alle großen Medien über
dieses Spektakel berichten.
Wer
die Austellung nun vor den Besuchermassen sehen will, dem sei noch
etwas geraten: An diesem Wochenende findet ausgerechnet in der Lichtentaler
Allee das Oldtimermeeting statt, und eigentlich sind die Wege zum
Museum abgesperrt, bzw. man muss Eintritt
zahlen. Nein, muss man NICHT! Man versicherte mir, es gäbe ein Agreement, dass Sie ohne Eintritt
durchgelassen werden, wenn Sie sagen, dass Sie ins Museum wollen (und
wenn Sie dies auch wirklich auf direktem Wege tun)!
Also,
auf geht’s! Kunst macht Spaß! Auch im Burda-Museum!
Die
Ausstellung ist ab morgen bis zum 26. November dienstags bis sonntags
und an allen Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Hier
geht es zur Webseite des Museums => KLICK
Und
hier zum umfangreichen Rahmenprogramm mit Musik, Sonderführungen,
Lyrik und der langen Nacht der Kunstmeile am 29. Juli => KLICK
Und hier geht es zur Seite und zu den Filmen des SWR, Sendung "Kunscht", die aus ihrer Begeisterung für diese Ausstellung keinen Hehl macht => KLICK
P.S. Einen Katalog zur Ausstellung gibt es natürlich auch!