Menschen in Baden-Baden, heute:
Marie-Noelle Baron
Bis
Anfang September verlief das Leben der 18jährigen Marie-Noelle Baron
geordnet und relativ unspektakulär, fast ein bisschen zielstrebig,
ohne jedoch verkrampft zu sein: Mit fünf ins Ballett. Schulische
Erziehung auf dem „Päda“. Jazz-Dance bis auf hinauf zur
Wettbewerbsebene. Und auch den Traum, Schauspielerin zu werden
(Bühne! Drama! Tragödie!) packte sie tatkräftig an, indem sie
Mitglied wurde im Jugendclub des Baden-Badener Theaters. Das Abitur,
für das sie ihre vielen Aktivitäten vorsichtshalber – wenn auch
unnötigerweise – ein wenig stoppte, war dann doch leichter als
gedacht, und danach wollte sie sich ein Jahr Pause gönnen – hatte
Pläne wie viele andere in ihrem Leben auch: Per interrail ein
bisschen Europa erkunden, und dann mal sehen.
Es
kam anders. Die Bilder, die uns alle seit dem Sommer in den Bann
ziehen, packten auch sie. Bilder von Flüchtlingsströmen, die an
Grenzen nicht Halt machen, Bilder von verzweifelten Menschen, die
alles aufgeben, um ihr Leben zu retten, Bilder von Menschen, die
verzweifelt in Booten sitze, Bilder von Menschen, die im Meer
ertrinken oder es völlig erschöpft mit letzter Kraft an Land
schaffen – in Italien, in Griechenland, überall am Mittelmeer, und
die dort vor dem Nichts stehen.
Diese
Bilder ließen sie nicht mehr los. Sie nahmen sie mit, ihre Gedanken
kreisten immer stärker um die Schicksale dieser Menschen. Irgendwann
konnte Marie-Noelle Baron einfach nicht mehr passiv am Fernseher
zusehen. „Ich wollte etwas tun. Und ich hatte ja die Zeit dafür.
Die Bilder und so manche Kommentare in den sozialen Medien machten
mich rasend.“
Was
folgte, kann man wohl nur tun, wenn man so jung ist: Marie-Noelle sah
auf dem Atlas nach, welcher der kürzeste Weg vom türkischen
Festland nach Europa ist, stieß auf die Insel Kos und buchte
kurzerhand einen Flug dorthin. Sie wollte helfen, aber nicht mit
leeren Händen kommen.
So
setzte sie ihre Aktion ins Internet und rief zu Spenden auf.
1.
September. Sie schreibt auf Facebook:
„Liebe Freunde & Facebook-Community!
All diese Bilder der letzten Wochen haben mich sehr bewegt. Ich habe mich gefragt, welche Möglichkeiten es gibt, um zu helfen.Habe mich kurzfristig entschlossen kommenden Samstag nach Kos zu fliegen.
70 kg darf ich mitnehmen, dass ich mit unterschiedlichen Hygieneartikel wie z. B. (Kinder-)Zahnbürsten, Zahnpasta, Shampoo und Duschgel (bitte gerne in kleiner Reisegröße, um mehrere Familien zu unterstützen), Creme, Seife, Tampons, Binden, Windeln, Babymilchfläschchen, sowie für Kinder Buntstifte, kleine Autos, Bälle füllen möchte.
Über jede einzelne Unterstützung freue ich mich.Helft mir die 70 kg innerhalb der nächsten 48 h zu erreichen. Meldet euch bei mir per SMS oder PN, komme gerne vorbei, um eure Hilfe entgegenzunehmen. Vorort werde ich mich um Wasserflaschen und Babynahrung kümmern.
BE A VOICE.
Herzlichst,
Marie-Noelle“
Was folgte, ist ein modernes Märchen.
3. September: Eine
Welle der Hilfsbereitschaft rollt an. Schon bald sieht das Wohnzimmer
der Familie wie bei einem Umzug aus:
Marie-Noelle schreibt:
„Flüchtlingshilfe Kos
Zwischenstand nach 36 h! Das meiste was ihr seht, sind private Sachspenden von lieben Freunden und völlig Fremden. Ortsansässige Einzelhändler unterstützen uns tatkräftig.
Ziemlich happy und aufgeregt, morgen geht's los.
Ein riesengroßes Dankeschön an alle jetzt schon.“
Am
4. September ist sie schon unterwegs:
UNTERWEGS ! Das sind jetzt erst mal knapp 100 kg Spenden, ne 20 Kilo Tasche wird gerade die Treppe hochgeschleppt und weitere 150 Kilo dringend benötigter Hilfsgüter fliegen am Sonntag nach KOS
20
Kilogramm Freigepäck gibt es pro Person. Aber glücklicherweise arbeitet ihre Mutter am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden
und kennt sich mit Freigepäck aus. Mutter und Bruder fliegen
wenig später nach, ebenfalls bis an die Belastungsgrenze mit
Freigepäck bepackt, und immer trudeln noch mehr Spenden zuhause
ein, die Freunde in Kisten packten und von Stuttgart aus nach Kos
schickten. An die zwei Tonnen kommen auf Anhieb zusammen,
Fluggesellschaften sponsern den Transport. „Wahnsinn war das“,
erinnert sich Marie-Noelle.
Sie
startet gleichzeitig für das Kindernetz des SWR einen Video-Blog => KLICK
Ihre Eindrücke => KLICK
Wie
war das genau am ersten Tag? War sie mutterseelenallein auf Kos?
Nein
– nicht ganz. Eine Tante hatt sich von Berlin aus ebenfalls auf
den Weg gemacht, hilft ihr beim Gepäck und chartert einen Mietwagen,
um zum Hotelzimmer zu gelangen. Dann ein erster Informationsrundgang.
Was
fiel ihr als auf?
„Der
Kontrast zwischen Touristenstrand hier und Flüchtlingswelt dort.“
Sie
sieht die Flüchtlinge ankommen, in Zelten hausen, ohne Wasser oder
Toiletten.
Ein
erster Weg führt sie zum Lagerhaus einer Hilfsorganisation, und
dort trifft sie auf nur eine einzige Helferin. Ungläubig fragt sie
erst einmal: „Sind wir hier richtig?“ Die Frau fackelt nicht
lange. Sie weist die Abiturientin aus Deutschland ein: Sie könne
sich aussuchen, was sie tun wolle: Kleider sortieren, Essen
vorbereiten, Sandwiches schmieren, warme Mahlzeiten bereiten, Essen
ausgeben...
… und
sie erteilt Marie-Noelle Ratschläge, wie Hilfsgüter am
sinnvollsten zu verteilen sind.
Davon
nämlich soll schon bald noch viel mehr nachkommen:
6.
September.
Marie-Noelle
schreibt sie auf Facebook:
„Es ist einfach megagrandios !! Condor hatte uns 100 KG Freigepäck zugestanden, die Waage hat dann 196,8 KG !!!! angezeigt und DANK Corinna Raisch und den anderen lieben MitarbeiterInnen von CONDOR und THOMAS COOK ist alles mitgenommen worden. Transport-Held ist Nicolas Ziegler, der das Gepäck begleitet, uns in drei Stunden übergibt und sofort wieder zurückfliegt, da er morgen wieder arbeitet. -- Wir haben heute u.a. 2100 Sandwiches geschmiert und verteilen sie jetzt....“
Auf Kos. Man
wird in Schichten eingeteilt, auch nachts gibt es zwei Schichten, die
den Helfern besonders an die Nieren gehen: Man beobachtet einen
Strandabschnitt, wartet auf neu ankommende Flüchtlinge, tauscht Informationen
aus, wo Boote oder Schiffbrüchige landen, versorgt sie dann mit
speziellen Biskuits und Wasserflaschen, zeigt ihnen, wo sie sich
melden und registrieren sollen, damit es bald weitergehen kann, denn Kos ist nur ein Etappenziel, ihr Tor zu Europa.
Was fühlt man, wenn man das alles sieht?
Sie
muss einen Augenblick in ihren Erinnerungen kramen, zu viele
Eindrücke gibt es zu verarbeiten. Die menschenunwürdigen
Verhältnisse im Hotel Elias Camp kommen ihr in den Sinn, in dem 500
Menschen täglich auf engstem Raum zusammengepfercht wurden, ohne
Privatleben, ungeachtet ihrer Nation oder Kultur.
„Wie
gut geht es uns doch“, schoss es ihr durch den Sinn, als sie im
Camp so simple Dinge wie Zahnbürsten verteilte und sah, wie die
Menschen darüber freuten.
7.
September:
Es
lässt ihr keine Ruhe, die postet weiter auf Facebook, dass mehr
Hilfsgüter benötigt werden:
„ES GEHT WEITER - Nochmal 48h ! ACHTUNG ! WIR BRAUCHEN HERRENSCHUHE und natürlich Hygeniaartikel ect.
CONDOR und THOMAS COOK haben sich bereit erklärt am DONNERSTAG 10.09. insgesamt 500 KG Hilfsgüter mitzunehmen, ich muss jetzt erst mal von hier organisieren, es wird in Baden-Baden eine Annahmestelle geben - oder Treffpunkt Flughafen Stuttgart ? ich bin total geflasht und brauche EURE HILFE und UNTERSTÜTZUNG, gerne einen ORGANISATOR in BAD - sammeln, packen, zum Flieger bringen, (ernstgemeinte Angebote als PN )... Die meisten Männer die hier ankommen haben nur Latschen oder FlipFlops, ungeeignet für die Weiterreise auf dem Festland. Doch schaut selbst, was eine Zahnbürste auslöst.“
8.
September
Sie
berichtet auf ihrem Liveblog, dass sie Amal und deren fünf Kinder
kennengelernt hat. Die Frau hatte seit fünf Tage keinen Schlafplatz
für sich und ihre Kinder, alles Geld hat sie bei der Überfahrt im
Schlauchboot verloren, sie möchte weiter nach Deutschland zu ihrem
Mann. Man merkt Marie-Noelle an, dass ihr das Schicksal der Frau an
die Nieren geht. => KLICK
9. September:
Solidarity
Kos, die Hilfsorganisation, bei der Marie-Noelle arbeitet, besorgt
der Frau ein Zimmer.
10. September:
Die
Weiterfahrt der Frau ist gesichert, sie hat ein Flugticket nach Athen
bekommen.
Auch
Marie-Noelle fliegt zurück nach Deutschland, allerdings nicht für
lange.
Die zweite Fahrt
20. September
Es geht es zurück nach Kos, wiederum mit Hilfsgütern
aller Art. Zelte vor allem, weil das Hotel Elias Camp nun geschlossen
wurde und die Flüchtlinge im Freien am Strand übernachten müssen.
Dazu
Ärzte ohne Grenzen dazu => KLICK
Marie-Noelle auf ihrem Video-Blog => KLICK
24. September:
Marie-Noelle
berichtet: Amal ist sicher in Österreich, schafft es gerade noch
nach Deutschland, bevor die Grenze geschlossen wird.
Sie
kommunizieren per Handy und smilies. Suchen den Vater.
4.
Oktober:
Sie
schreibt auf Facebook:
„Die Wochen hier auf Kos und die Zusammenarbeit mit den Helden von Solidarity Kos sind sehr prägend für mich. Bin bewegt und gerührt immer wieder Momente zu erleben, die mir viel Kraft geben und bestätigen die richtige Entscheidung getroffen zu haben wieder hier Vorort zu sein und zu unterstützen. Verzweiflung, Leid, Armut und Ertrunkene sind hier an der Tagesordnung ... Doch auch solche Bilder helfen uns nach vorne zu schauen & zu kämpfen weiterzumachen, weil ich der Meinung bin, dass jeder Mensch, ein Recht, auf ein Leben in Sicherheit hat.
"...WEIL NUR DER REINE ZUFALL DER GEBURT DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN EINEM BEQUEMEN LEBEN IN DEUTSCHLAND UND EINEM LEBEN AUF DER FLUCHT AUSMACHT."
6. November:
Marie-Noelle berichtet auf ihrem Video-Blog über das Warehouse => KLICK
9. November.
Marie-Noelle ist zurück in Baden-Baden und schreibt auf Facebook:
„Im September habe ich beschlossen nicht länger herumsitzen und der humanitären Krise Europas tatenlos zuzuschauen.16. November
In den fast 2 Monaten, die ich auf der griechischen Insel Kos war, habe ich begriffen und realisiert, wie gut ich es habe. Die Erfahrung dort hat mein Leben verändert. Wie kann ich mich über unbedeutende Dinge in meinem Leben beschweren?, wenn so viel grauenhaftes Leid sich in unserer Welt abspielt? Ich wache auf in einem gemütlichen Bett, habe fließend Wasser rund um die Uhr und habe ausreichend warme Kleidung, um mich vor Kälte zu schützen.
Jede Nacht kommen auf Kos zwischen 40 und 300 Flüchtlinge an.
Sie sind durchnässt, haben kalte Hände & Füße und tragen gefakte Schwimmwesten.
In der Dunkelheit begeben sich Männer, Frauen, Kinder - Familien auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland, in der Hoffnung sicher anzukommen und ein sicheres Leben führen zu können. Entkräftet, verzweifelt und dennoch dankbar kommen sie an Strandabschnitten von Kos an.
In der letzten Woche sind über 2000 Flüchtlinge hier gewesen, trotz des immer kälter und schlechter werdenden Wetters riskieren sie ihr Leben und nehmen die gefährliche Überfahrt auf sich, die bis zu 10 Stunden dauern kann (darunter Babys, Alte und kranke Menschen). Die seeuntauglichen Boote geben oft schon nach der Hälfte ihrer Strecke den Geist auf, sodass selbst stundenlang gepaddelt werden muss, Rucksäcke mit ihren wichtigsten Sachen in See geworfen werden müssen, damit sie nicht sinken. Einzelne kommen sogar nur in Socken und Unterwäsche an! Einfach nur schrecklich, wenn man weiß, dass man selbst supereinfach für 15 Euro gefahrenlos mit der Fähre innerhalb von 45 Minuten von Kos nach Bodrum braucht. Es ist für mich mit einem deutschen Pass überhaupt kein Problem sicher und günstig anzukommen. Doch die Überfahrt der Refugees ist nicht annähernd so ähnlich.
Mit 30-40 anderen Menschen in einem Boot riskieren sie ihr Leben. 1000-3000 Euro müssen sie für die Überfahrt in einem verdammten Boot, wie wir es höchstens für den Baggersee benutzen, zahlen. Doch nicht jeder schafft es eine der griechischen Inseln zu erreichen.
Als das Bild des jungen Aylan um die Welt ging, haben viele die Augen geöffnet und getrauert um Aylan und um das, was sich momentan auf unserer Welt abspielt. Doch wer trauert um die hundert Kinder, die es täglich nicht schaffen? Um die Mütter, deren Männer im Krieg umgekommen sind?
Was sich gerade in unserer Welt abspielt und passiert, ist einfach nur schrecklich. Menschen sterben.
Wir können die Situation zwar nicht ändern aber wir können einen winzig kleinen Beitrag zur Besserung beitragen. Wir haben die Wahl. Wir können die Augen öffnen. Wir können uns entscheiden die Flüchtlingskrise zu ignorieren, wir können uns entscheiden, dass es uns nicht betrifft, und uns raushalten.
Oder wir können ein Statement machen.
Uns dafür entscheiden, dass wir alle Menschen sind und jeder Mensch es verdient, als Mensch behandelt zu werden.
Wie würden wir behandelt und aufgenommen werden wollen, wären die bei uns die Umstände so wie in Syrien, Afrika, Afghanistan ...? Wir alle sind Menschen.
Lasst uns, uns gegenseitig respektieren und aufhören zu glauben, manche seien mehr wert oder wichtiger, nur aufgrund unterschiedlicher Geburtsländer.
Falls ihr neugierig seid und wissen möchtet was ich erlebt und gesehen haben, was für Menschen und welchen Geschichten ich begegnet bin, schreibt mir einfach.
Keine 24 h zurück, fühle ich mich ehrlich gesagt anders. Ich vermisse jetzt schon alles. Sei es das Vorbereiten der Sandwiches, die Essensverteilungen, die Nachtschichten - für die Menschen einfach DA zu sein, ihnen zuzuhören, eine feste liebevolle Umarmung zu geben. Und natürlich all die großartigen Menschen, denen ich begegnet bin, wofür ich wahnsinnig dankbar bin, sie zu kennen und als meine besonderen Freunde nennen zu können. Ich hab euch so wahnsinnig in mein Herz geschlossen. Ihr leistet eine grandiose Arbeit, jeden Tag aufs Neue. Neben eurem Alltag (Arbeit, Kinder etc.) setzt ihr euch so sehr dafür ein, den Menschen, die auf Kos ankommen, das Leben ein kleines bisschen besser zu machen. Meine tiefsten Gefühle sehnen sich zurück. I miss YOU! Ich bin wirklich überwältigt, was für einzigartige Menschen ich kennenlernen durfte.
Ich danke meinen Freunden und meiner Familie, dass ihr so hinter mir steht. Das bedeutet mir unheimlich viel. Eure Unterstützung, liebevollen Nachrichten und besonderen Zeilen bewegen mich und haben mir Kraft geschenkt. 1000 Dank dafür. Ich plane so bald wie möglich wieder zurückzukehren, denn so schnell wird die Situation nicht spurlos an uns vorbeigehen. Und mir ist es wichtig weiterzumachen. Ich würde mich über weitere Spenden riesig freuen und wäre euch von Herzen dankbar.
Der Winter naht und die Ressourcen im Warehouse von Kos Solidarity, eine lokale Organisation, die von wirklich großartigen Einheimischen gegründet wurde und der ich mich angeschlossen habe und weiterhin unterstützen möchte, benötigt dringend Decken, Schlafsäcke, Zelte, Winterjacken und Schuhe in gutem Zustand, (Babynahrung 2+...). Bis ich wieder nach Kos fliege, könnt ihr mich auch bezüglich der Spenden sehr gerne kontaktieren. Spendet bitte weiterhin, jeder einzelne € hilft einem Menschen in Not.
Lots of Love to all of you!“
Sie nimmt am Open Transfer Camp in Berlin teil. => KLICK
Im Anschluss daran besucht sie Amal mit ihren fünf Kindern in Norddeutschland, wo Amal nun mit ihrem Mann in dessen Wohnung lebt. Die Kinder gehen hier in die Schule, der jüngste kann schon auf deutsch bis zehn zählen, auch Amal nimmt inzwischen Deutschunterricht. => KLICK
26. November
Heute, zehn Tage später, treffe ich Marie-Noelle zu einem Interview im Café in der Kunsthalle. Immer noch ist sie glücklich, dass es Amal und ihren fünf Kindern so gut geht. Insgesamt hat sie 22 Schützlinge, deren Schicksal sie permanent verfolgt, sie leben nicht nur in Deutschland, auch nach Finnland oder Schweden hat es einige verstreut.
Die meisten von ihnen sind Syrer, auch ein sprachbegabter Afghane ist darunter. „Auf Kos habe ich sie als Menschen kennengelernt, und sie sind meine Freunde geworden.“
Nicht nur mit den Flüchtlingen steht sie in Kontakt, auch mit den einheimischen Helfern von Kos Solidarity, die sie ständig auf dem Laufenden halten.
„Wenn ich von ihnen höre, dass dort wieder schwerer Seegang ist, dann kann ich nicht einschlafen“, gesteht sie. „Das lässt mich nicht mehr los.“
Am liebsten würde sie sich sofort hinbeamen, einfach, um wieder vor Ort zu sein und zu helfen.
Diese Hilfe kann so vielfältig und einfach sein. Besonders gut erinnert sich Marie-Noelle an eine Frau, die sie kurz nach deren Ankunft am Strand traf. Die Verzweiflung sei ihr ins Gesicht geschrieben gewesen, sagt Marie-Noelle, sie habe die Frau einfach nur in die Arme genommen, und beiden seien die Tränen gekommen. „Wenn ich bedenke, wo die Frau herkam und was für eine weite Reise sie noch vor sich hatte...“ Das Lächeln verschwindet für einen Augenblick aus Marie-Noelles Gesicht. Man merkt ihr an, dass sie die Szene noch einmal durchlebt.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass der 11. Dezember in ihrem Kalender dick angestrichen war.
Vorgestern nämlich ging es wieder zurück nach Kos. One-way-ticket diesmal, über Weihnachten und Silvester mindestens, denn dann sind besonders wenige Helfer vor Ort, schätzt sie.
Diesmal wird ihre Reise drei Tage dauern, denn um Geld zu sparen, fliegt sie über die Türkei und nimmt für die letzten Kilometer die Fähre. Das bedeutete eigentlich: sie kann persönlich kaum Hilfsgüter mitnehmen.
Als wir uns trafen, war daher der Plan, mit leichtem Gepäck zu fahen und stattdessen um Geldspenden zu bitten, damit sie vor Ort alles Notwendige gezielt einkaufen kann. Die Supermärkte auf Kos haben sich auf Situation bereits eingestellt, verlangen aber keinen Aufpreis, sondern helfen ebenfalls, wo es geht. Die Einheimischen spenden Gemüse und Brot, auch die Bäckereien verteilen ihre Waren, hat Marie-Noelle festgestellt.
Es kam anders, denn offenbar kann sie einfach nicht mit leeren Händen los! Einen Tag vor der Abreise wurde also noch einmal Facebook bemüht, und in aller Eile wurde nach Schlafsäcke, Herrenschuhen, Rucksäcken gefahndet. Nun aber ist sie unterwegs. Wir werden bestimmt bald wieder von ihr hören.
Doch zurück zu unserem Gespräch:
Was hat die Aktion nun mit ihr persönlich gemacht? Hat sich ihr Berufswunsch geändert?
Marie-Noelle lacht. Tief im Innern ist die Schauspielerei immer noch ihr größter Wunsch. Sie stockt und hebt die Arme. „Aber ich kann nicht in die Zukunft sehen. Ich bin heute auf jeden Fall offener und bereiter – auch für soziale oder karitative Berufe.“
Wer spenden möchte:
Konto Marie-Noelle Baron
Iban: DE85 6629 0000 0056 2368 05
Bitte als Zweck angeben: Kos-Solidarity
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