Europäischer
Hof:
"Alles
muss raus“
Von
der gediegenen Atmosphäre eines Sternehotels ist nicht mehr viel zu
spüren, wenn man dieser Tage den Europäischen Hof betritt.
In
der Einfahrt parken keine Nobelkarossen, sondern Kleinlaster und
Schuttcontainer.
Seit
einer Woche nämlich wird kräftig ausgeräumt, und danach haben erst
mal keine vornehmen Ober, Hausdamen oder Concierges mehr das
Sagen, sondern Architekten, Statiker und Bauarbeiter. Für sage und
schreibe 57 Millionen Euro will der neue Besitzer, eine von dem
Schweizer Rechtsanwalt Martin Buchli geführte Immobiliengesellschaft, das Gründungshaus der Steigerberger
Hotelgruppe wieder zu neuem Glanz führen: Unter Leitung des
Baden-Badener Architekten Peter Kruse und in Zusammenarbeit mit dem
preisgekrönten Star-Designer Matteo Thun soll der Europäische Hof
komplett saniert werden und 2017 als fünf-Sterne-Haus wieder
eröffnen.
Jetzt
aber liegt dicker Staub auf dem gemusterten Teppichboden, eine
Messebaufirma sortiert die Materialien, die verschrottet oder
abgegeben werden sollen, ausgediente Badewannen türmen sich den
Schuttcontainern...
zahllose Zimmertüren stehen zum Abtransport
bereit, in einem der komplett leeren Hotelzimmer stapeln sich nun
Kopfkissen...
im Flur stehen gut erhaltene Ohrensessel, reihen sich ausgediente Röhrenfernseher
aneinander, es gibt ein Stuhllager, eine Ansammlung von Bildern und
Lampen...
Heute
noch bis 18 Uhr und Montag ab 8 Uhr können sich auch Privatleute im
Hotel umsehen und sich Möbelstücke aussuchen, die sie gebrauchen
können. Allerdings werden die Gegenstände nicht verschenkt, man
sollte also nicht einfach wortlos reingehen und sich nehmen, was man
sieht, bittet Levan Lechleitner, der Resident Manager. Dieses
Verhalten am Anfang der Ausräumaktion habe ihn ein wenig schockiert,
gesteht er.
Auch
den Vorwurf, der im Internet kursiert, er würde willkürlich Preise
festsetzen und das Geld in die eigene Tasche stecken, entkräftet er.
„Wo soll ich das Geld denn sonst hintun“, ruft er. Natürlich
versuche er, für die Gegenstände Geld zu sammeln. Denn schließlich
werde alles, was hier zusammenkommt, ganz offiziell und ordentlich
Kirchen und gemeinnützigen Organisationen als Spende übergeben.
Diese
gemeinnützigen Organisationen haben sich bereits in den letzten
Tagen kräftig bedienen können und freuen sich: Als ich auftauche,
decken sich die Asylbewerberheime gerade mit Bettwäsche ein, und
Pfarrer Michael Teipel von der katholischen Kirchengemeinde finde ich
staubbedeckt in der ehemaligen Hotelküche.
Er packt zusammen mit
einige Asylbewerbern kräftig mit an, hat sich für das neu zu
bauende Gemeindehaus St. Bernhard große Teile des Hotelgeschirrs
sichern können und ebenso alles, was er an Kücheneinrichtung
benötigt. Darüber freut er sich sehr: „Das sind hochwertige
Edelstahlteile. Dass wir uns die nehmen dürfen, verschafft uns für
den geplanten Neubau finanziell viel Luft“, erklärt er und
strahlt. Mehr gibt es dazu nicht sagen, denn schon wird sein
handwerkliches Geschick wieder gefragt...