Von
der Beharrlichkeit, gegen den Strom zu schwimmen...
Abstrakte
Kunst? Monika Becker kräuselt die Stirn. „Das hat doch eher etwas
mit Deko zu tun“, findet die Liebhaberin alter Meister und zwinkert
belustigt. Nein, wirklich! Die Welt der breiten Spachtel und dicken
Pinsel oder der weißen Leinwände mit einem Loch oder Schnitt in der
Mitte ist nicht die ihrige. Sie ist eine Malerin der alten Schule,
geht lieber ins Detail, müht sich mit Einfallwinkel und Farbe des
Lichts und der Abstufung von weiß bis grau der Tonwerte ab - auch
wenn sie weiß, dass sie mit ihrem Kunstgeschmack gegen den Strom
schwimmt. Sie weiß, was sie will, sie weiß, was sie kann, und sie
gibt dieses Wissen auch bereitwillig weiter – in Bild und Wort. Wer
sie besucht, kann nicht nur ihre Bilder bestaunen, die überall im
Haus hängen, man bekommt auch eine kostenlose kurzweilige Lehrstunde
in Sachen Technik, Handwerk und Wirkung von Farbe Licht und
Stimmungen.
Strukturiert
ist Monika Becker, eine Frau, die genau weiß, was sie will, bei der
jeder Pinselstrich sitzt, der Untergrund stimmt und die Farben
akribisch abgestimmt werden.
Auch
ihr Atelier in Sandweier sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Die
Buntstifte in Reih und Glied, der Arbeitstisch leer, die Bilder
ordentlich aufgereiht, der Boden auch nach vielen Jahren
künstlerischer Tätigkeit fast wie neu. Und das will etwas heißen,
wenn jemand „in Öl“ malt.
Und
sie hat Erfolg damit. Soeben ist sie bei einem Wettbewerb im
weltweiten online-Museum „ARC Salon“ =>
für
zeitgenössische realistische Malerei in die Endausscheidung
gekommen. Eine beachtlich Auszeichnung, egal, wie die Kür im
November ausfällt.
Wie
kam sie zur Malerei? War sie ihr in die Wiege gelegt?
Monika
Becker schmunzelt. „Eher nicht“, meint die 57jährige
Ur-Baden-Badenerin. Vater und Mutter, beide berufstätig, waren viel
zu sehr damit beschäftigt, sich eine Existenz aufzubauen, um Zeit
für eventuelle musische Veranlagungen zu haben.
Und
auch Monika Becker ahnte lange nichts von dem Talent, das in ihr
schlummerte. Brav absolvierte sie die Schule, machte Abitur, wusste
danach erst mal nicht, wie es weitergehen sollte, versuchte es zwei
Semester lang mit einem Studium zur Realschullehrerin, kehrte dann in
ihre Heimatstadt zurück und ließ sich zur Fremdsprachensekretärin
ausbilden. Ein Jahr arbeitete sie beim damaligen Südwestfunk, bevor
sie heiratete und sich auf ihre Familie konzentrierte.
Vor
16 Jahren, als die beiden Söhne selbständig wurden, kehrte sie ins
Berufsleben zurück, halbtags nur, mit ausreichend Zeit für andere
Dinge – wie zum Beispiel Keller aufräumen. Und dabei stieß sie –
wie das manchmal so geht – auf Staffelei, Leinwand und Ölfarben
ihres Ältesten, dessen künstlerische Begabung irgendwann einmal
während der Schulzeit tatkräftig unterstützt werden sollte, bis
seine Interessen sich wandelten und das Malzubehör im Untergeschoss
des Einfamilienhauses landete – um dann zwei Jahre später von der
Mutter wiederentdeckt zu werden.
Monika
Becker fackelte nicht lange. Sie hatte gerade Zeit, also trug sie die
Schätze nach oben und machte sie unbedarft ans Werk. Ein
Landschaftsbild sollte entstehen – aber schon bald merkte die
ambitionierte Künstlerin in spe, dass es so einfach nicht ging. Und
da sie, wie gesagt, eine strukturierte Person ist, setzte sie sich an
den Computer und begann, sich intensiv in die Materie einzuarbeiten.
Und
schon kam eines zum anderen. In einer schlaflosen Nacht stieß sie im
Fernsehprogramm auf die Sendung über den kanadischen Maler Bob Ross,
der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, vor dem ungeduldigen
Fernsehpublikum binnen einer halben Stunde ein Ölbild zu malen.
Nacht für Nacht.
Monika
Becker war fasziniert, fand seine Bilder im Internet, versuchte, sie
nachzumalen und erkannte – nein, das war wirklich nichts für sie!
Zu schnell, zu grob und irgendwann zu monoton.
Aber
die Leidenschaft war geweckt, und nun gab es kein Halten mehr. Sie
wurde Mitglied in einem Internetforum der Bob-Ross-Malerfreunde,
recherchierte viel, malte viel, stellte ihren online-Freunden ihre
Bilder vor, und einige von ihnen luden sie prompt in ein
weiterführendes Forum, quasi für Fortgeschrittene ein.
Spätestens
da wurde ihr klar, dass sie nicht einfach nur autodidaktische
Freizeitmalerin sein wollte, sondern die Technik der Kunst von der
Pike auf lernen wollte.
Warum
kein Kunst-Studium? Monika Becker wischt die Frage schnell vom Tisch:
Sie hat sich nun mal auf die traditionelle Malweise der alten Meister
spezialisiert, und diese Technik ist heutzutage an den Universitäten
nicht gefragt. „Es wird dort viel gelehrt, was mich nicht
interessiert“, sagt Monika Becker lakonisch, und: „Damit will ich
meine Zeit nicht vertun.“ Zum Glück ist sie nicht darauf
angewiesen, mit ihrer Malerei Geld zu verdienen, wenn es doch auch
Kunden gibt, die Werke bei ihr in Auftrag geben. Dies hier zum
Beispiel:
Schritt
für Schritt, Schicht für Schicht, arbeitet Monika Becker an dem
Werk, immer wieder muss sie warten, bis die Farbe trocken ist, ein
Aufwand, der sich pekuniär leider nicht lohnt. Auftraggeber
schrecken oft vor ihren Preisen zurück, berichtet sie und legt
kritisch den Kopf schief. „Dabei verlange ich nur ein Zehntel von
dem, was mein tatsächlich Aufwand ist“, wundert sie sich.
Und
so ist das Geschäftliche nur eine Randnotiz für sie, wichtiger ist
ihr, sich grundlegend in die Materie einzuarbeiten, zu ergründen,
was ein gutes Bild zum Kunstwerk werden lässt. Schon früh hat sie
sich dazu in die Hände eines Schweizer Künstlers begeben, Patrick
Devonas, dessen Workshops sie regelmäßig besucht. „Seitdem geht
es bei mir ab!“, konstatiert sie. So gut, dass ihr Lehrer und
inzwischen guter Freund meint, ihr bald nichts mehr beibringen zu
können.
Aber
ihr Wissensdurst ist unerschöpflich, und sie ist froh, das Internet
zu haben, das ihr neben ihrem Lehrer längst zum wichtigsten Hilfs-
und Studiermittel geworden ist.
Das
heißt – nicht ganz! Zum 50. Geburtstag, sagt sie, habe sie sich
einen Traum erfüllt: Einen zweiwöchigen Workshop an der „Angel
Academy of Art“ in Florenz! =>
Schwerstarbeit
bei 37 Grad Celsius sei das gewesen, erinnert sie sich – allerdings
mit absolut glücklichem Gesichtsausdruck.
Seitdem
gibt sie auch selber Workshops für Anfänger, probiert hie und da
andere Techniken wie Aquarell oder Acryl und auch Softpastelle, kommt
aber immer wieder zum Öl zurück, dessen langsame Trocknungszeit
wunderbar fließende Übergänge ermöglicht, dessen Übermalbarkeit
nach der Trocknung einfach viele Fehler vergibt. Sie kommt direkt ins
Schwärmen, wenn sie von „transparenten und opaquen
Farbkonsistenzen“ spricht, die ihr die Möglichkeit bietet,
wunderbare Effekte zu erzielen. Für eine Perfektionistin wie sie ist
das natürlich überaus verlockend und wichtig.
Was
sie malt? Das geht quer Beet: Stilleben, Landschaften, Portraits...
Ein Geschäft wird daraus wohl nie, dazu kann und will sie sich, wie
viele Künstler, einfach selbst zu schlecht vermarkten. Außerdem ist
ihr Stil im Augenblick nicht gefragt, das sieht sie auch ganz
nüchtern.
Umso
mehr freut es sie, dass sie – auf Anraten ihres Lehrers – sich
endlich entschlossen hat, zwei Werke beim ARC-Salon in den USA
einzureichen. Dass sie in die Gruppe der Finalisten kommen würde,
hätte sie nicht gedacht.
Gleichwohl
besteht ihr Leben nicht nur aus Malerei, Motivsuche und dem
Beherrschen von Licht und Schatten. Seit gut einem Jahr ist sie auch
in der Flüchtlingshilfe Baden-Baden aktiv. „Ich wollte etwas
Sinnvolles tun“, umschreibt sie, wie sie dazu gekommen ist. Über
den Flüchtlingshilfe-Blog suchte sie sich etwas Passendes heraus und
betreut seitdem regelmäßig das Café international und das
Frauencafé. Außerdem wurde sie gleich beim ersten Abend von einem
Flüchtling aus Kamerun mit ausgestrecktem Zeigefinger ausgewählt,
ihm – und inzwischen zwei weiteren Freunden – regelmäßig beim
Deutschlernen zu helfen. Und wie das in der Flüchtlingshilfe so ist
– ein weiteres Projekt wartet bereits auf sie.
Und
die letzte Frage:
Hat
man bei einem derart erfüllten Leben noch Träume?
Unschlüssig
hebt Monika Becker die Schultern. Hinter die zwei großen Träume in
puncto ihrer Kunst kann sie inzwischen ein „erledigt“-Häkchen
machen: Bewerbung beim ARC und die langwierige Realisierung eines
ganz besonderen Landschaftsbildes.
Aber
doch – einen Traum hat sie noch: Ihr schwebt ein ganz bestimmtes
Bild vor, das sie malen will, eine ambitionierte Sache, mehr
eigentlich eine Vision. Sie hat sie mir verraten, ich kann das Bild
bereits vor Augen sehen, aber ich habe versprechen müssen, das
Geheimnis nicht auszuplaudern. Insofern bleibt uns nur abzuwarten.
Wir werden noch einiges von dieser Künstlerin zu hören und zu sehen
bekommen.