Montag, 8. Mai 2017

Monika Becker


Von der Beharrlichkeit, gegen den Strom zu schwimmen...

Abstrakte Kunst? Monika Becker kräuselt die Stirn. „Das hat doch eher etwas mit Deko zu tun“, findet die Liebhaberin alter Meister und zwinkert belustigt. Nein, wirklich! Die Welt der breiten Spachtel und dicken Pinsel oder der weißen Leinwände mit einem Loch oder Schnitt in der Mitte ist nicht die ihrige. Sie ist eine Malerin der alten Schule, geht lieber ins Detail, müht sich mit Einfallwinkel und Farbe des Lichts und der Abstufung von weiß bis grau der Tonwerte ab - auch wenn sie weiß, dass sie mit ihrem Kunstgeschmack gegen den Strom schwimmt. Sie weiß, was sie will, sie weiß, was sie kann, und sie gibt dieses Wissen auch bereitwillig weiter – in Bild und Wort. Wer sie besucht, kann nicht nur ihre Bilder bestaunen, die überall im Haus hängen, man bekommt auch eine kostenlose kurzweilige Lehrstunde in Sachen Technik, Handwerk und Wirkung von Farbe Licht und Stimmungen.

Strukturiert ist Monika Becker, eine Frau, die genau weiß, was sie will, bei der jeder Pinselstrich sitzt, der Untergrund stimmt und die Farben akribisch abgestimmt werden.

Auch ihr Atelier in Sandweier sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Die Buntstifte in Reih und Glied, der Arbeitstisch leer, die Bilder ordentlich aufgereiht, der Boden auch nach vielen Jahren künstlerischer Tätigkeit fast wie neu. Und das will etwas heißen, wenn jemand „in Öl“ malt.




Und sie hat Erfolg damit. Soeben ist sie bei einem Wettbewerb im weltweiten online-Museum „ARC Salon“ =>


für zeitgenössische realistische Malerei in die Endausscheidung gekommen. Eine beachtlich Auszeichnung, egal, wie die Kür im November ausfällt.

Wie kam sie zur Malerei? War sie ihr in die Wiege gelegt?

Monika Becker schmunzelt. „Eher nicht“, meint die 57jährige Ur-Baden-Badenerin. Vater und Mutter, beide berufstätig, waren viel zu sehr damit beschäftigt, sich eine Existenz aufzubauen, um Zeit für eventuelle musische Veranlagungen zu haben.

Und auch Monika Becker ahnte lange nichts von dem Talent, das in ihr schlummerte. Brav absolvierte sie die Schule, machte Abitur, wusste danach erst mal nicht, wie es weitergehen sollte, versuchte es zwei Semester lang mit einem Studium zur Realschullehrerin, kehrte dann in ihre Heimatstadt zurück und ließ sich zur Fremdsprachensekretärin ausbilden. Ein Jahr arbeitete sie beim damaligen Südwestfunk, bevor sie heiratete und sich auf ihre Familie konzentrierte.

Vor 16 Jahren, als die beiden Söhne selbständig wurden, kehrte sie ins Berufsleben zurück, halbtags nur, mit ausreichend Zeit für andere Dinge – wie zum Beispiel Keller aufräumen. Und dabei stieß sie – wie das manchmal so geht – auf Staffelei, Leinwand und Ölfarben ihres Ältesten, dessen künstlerische Begabung irgendwann einmal während der Schulzeit tatkräftig unterstützt werden sollte, bis seine Interessen sich wandelten und das Malzubehör im Untergeschoss des Einfamilienhauses landete – um dann zwei Jahre später von der Mutter wiederentdeckt zu werden.

Monika Becker fackelte nicht lange. Sie hatte gerade Zeit, also trug sie die Schätze nach oben und machte sie unbedarft ans Werk. Ein Landschaftsbild sollte entstehen – aber schon bald merkte die ambitionierte Künstlerin in spe, dass es so einfach nicht ging. Und da sie, wie gesagt, eine strukturierte Person ist, setzte sie sich an den Computer und begann, sich intensiv in die Materie einzuarbeiten. 


 

Und schon kam eines zum anderen. In einer schlaflosen Nacht stieß sie im Fernsehprogramm auf die Sendung über den kanadischen Maler Bob Ross, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, vor dem ungeduldigen Fernsehpublikum binnen einer halben Stunde ein Ölbild zu malen. Nacht für Nacht.

Monika Becker war fasziniert, fand seine Bilder im Internet, versuchte, sie nachzumalen und erkannte – nein, das war wirklich nichts für sie! Zu schnell, zu grob und irgendwann zu monoton.
Aber die Leidenschaft war geweckt, und nun gab es kein Halten mehr. Sie wurde Mitglied in einem Internetforum der Bob-Ross-Malerfreunde, recherchierte viel, malte viel, stellte ihren online-Freunden ihre Bilder vor, und einige von ihnen luden sie prompt in ein weiterführendes Forum, quasi für Fortgeschrittene ein.

Spätestens da wurde ihr klar, dass sie nicht einfach nur autodidaktische Freizeitmalerin sein wollte, sondern die Technik der Kunst von der Pike auf lernen wollte.




Warum kein Kunst-Studium? Monika Becker wischt die Frage schnell vom Tisch: Sie hat sich nun mal auf die traditionelle Malweise der alten Meister spezialisiert, und diese Technik ist heutzutage an den Universitäten nicht gefragt. „Es wird dort viel gelehrt, was mich nicht interessiert“, sagt Monika Becker lakonisch, und: „Damit will ich meine Zeit nicht vertun.“ Zum Glück ist sie nicht darauf angewiesen, mit ihrer Malerei Geld zu verdienen, wenn es doch auch Kunden gibt, die Werke bei ihr in Auftrag geben. Dies hier zum Beispiel:

Schritt für Schritt, Schicht für Schicht, arbeitet Monika Becker an dem Werk, immer wieder muss sie warten, bis die Farbe trocken ist, ein Aufwand, der sich pekuniär leider nicht lohnt. Auftraggeber schrecken oft vor ihren Preisen zurück, berichtet sie und legt kritisch den Kopf schief. „Dabei verlange ich nur ein Zehntel von dem, was mein tatsächlich Aufwand ist“, wundert sie sich.




Und so ist das Geschäftliche nur eine Randnotiz für sie, wichtiger ist ihr, sich grundlegend in die Materie einzuarbeiten, zu ergründen, was ein gutes Bild zum Kunstwerk werden lässt. Schon früh hat sie sich dazu in die Hände eines Schweizer Künstlers begeben, Patrick Devonas, dessen Workshops sie regelmäßig besucht. „Seitdem geht es bei mir ab!“, konstatiert sie. So gut, dass ihr Lehrer und inzwischen guter Freund meint, ihr bald nichts mehr beibringen zu können.

Aber ihr Wissensdurst ist unerschöpflich, und sie ist froh, das Internet zu haben, das ihr neben ihrem Lehrer längst zum wichtigsten Hilfs- und Studiermittel geworden ist.

Das heißt – nicht ganz! Zum 50. Geburtstag, sagt sie, habe sie sich einen Traum erfüllt: Einen zweiwöchigen Workshop an der „Angel Academy of Art“ in Florenz! =>


Schwerstarbeit bei 37 Grad Celsius sei das gewesen, erinnert sie sich – allerdings mit absolut glücklichem Gesichtsausdruck.

Seitdem gibt sie auch selber Workshops für Anfänger, probiert hie und da andere Techniken wie Aquarell oder Acryl und auch Softpastelle, kommt aber immer wieder zum Öl zurück, dessen langsame Trocknungszeit wunderbar fließende Übergänge ermöglicht, dessen Übermalbarkeit nach der Trocknung einfach viele Fehler vergibt. Sie kommt direkt ins Schwärmen, wenn sie von „transparenten und opaquen Farbkonsistenzen“ spricht, die ihr die Möglichkeit bietet, wunderbare Effekte zu erzielen. Für eine Perfektionistin wie sie ist das natürlich überaus verlockend und wichtig. 


 

Was sie malt? Das geht quer Beet: Stilleben, Landschaften, Portraits... Ein Geschäft wird daraus wohl nie, dazu kann und will sie sich, wie viele Künstler, einfach selbst zu schlecht vermarkten. Außerdem ist ihr Stil im Augenblick nicht gefragt, das sieht sie auch ganz nüchtern.

Umso mehr freut es sie, dass sie – auf Anraten ihres Lehrers – sich endlich entschlossen hat, zwei Werke beim ARC-Salon in den USA einzureichen. Dass sie in die Gruppe der Finalisten kommen würde, hätte sie nicht gedacht.

Gleichwohl besteht ihr Leben nicht nur aus Malerei, Motivsuche und dem Beherrschen von Licht und Schatten. Seit gut einem Jahr ist sie auch in der Flüchtlingshilfe Baden-Baden aktiv. „Ich wollte etwas Sinnvolles tun“, umschreibt sie, wie sie dazu gekommen ist. Über den Flüchtlingshilfe-Blog suchte sie sich etwas Passendes heraus und betreut seitdem regelmäßig das Café international und das Frauencafé. Außerdem wurde sie gleich beim ersten Abend von einem Flüchtling aus Kamerun mit ausgestrecktem Zeigefinger ausgewählt, ihm – und inzwischen zwei weiteren Freunden – regelmäßig beim Deutschlernen zu helfen. Und wie das in der Flüchtlingshilfe so ist – ein weiteres Projekt wartet bereits auf sie.

Und die letzte Frage:
Hat man bei einem derart erfüllten Leben noch Träume?

Unschlüssig hebt Monika Becker die Schultern. Hinter die zwei großen Träume in puncto ihrer Kunst kann sie inzwischen ein „erledigt“-Häkchen machen: Bewerbung beim ARC und die langwierige Realisierung eines ganz besonderen Landschaftsbildes.

Aber doch – einen Traum hat sie noch: Ihr schwebt ein ganz bestimmtes Bild vor, das sie malen will, eine ambitionierte Sache, mehr eigentlich eine Vision. Sie hat sie mir verraten, ich kann das Bild bereits vor Augen sehen, aber ich habe versprechen müssen, das Geheimnis nicht auszuplaudern. Insofern bleibt uns nur abzuwarten. Wir werden noch einiges von dieser Künstlerin zu hören und zu sehen bekommen.