Sonntag, 3. Dezember 2023

Sonderausstellung im Stadtmuseum: Auf-, Ab-, Umbruch

 

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Goldenen Fifties und Sixties



Stolz auf unsere Stadt? Aber natürlich, jeder echte Baden-Badener ist das!

Und nun gibt es märchenhafte 1001 Gründe mehr, noch ein bisschen stolzer zu sein – denn gefühlt mindestes so viele Gründe hat das Stadtmuseum für die neue Ausstellung zusammengetragen, die an die glorreichen Zeiten der 50er und 60er Jahre erinnert, als unser Städtchen Mittelpunkt der glamourösen, sportlichen und politischen Welt zu sein schien und auch sein verschachteltes Puppenhaus-Outfit abstreifte und kühne Bauvorhaben verwirklichte. Es gibt viel zu sehen, zu staunen und zu erinnern. 

 


Wo fangen wir an, wo hören wir auf?

Ich hatte das Glück, an einer kleinen, aber feinen Führung teilzunehmen, die dritte und letzte für dieses Jahr, aber ich hoffe, weitere werden folgen. Eine Stunde war dafür angesetzt, und ich muss sagen, das reicht nicht! Niemals! Wir sind an diesem Novemberabend nur wenige, drei Frauen und ein Mann – klar, dass die Mehrheit sich den Beginn der Tour im Glamour-Teil der Ausstellung wünschte. 

Der ist im Erdgeschoss, im großen Glaspalast, aufgebaut. Der SWF, so erfahren wir, war besonders hilfreich, den Ruf unserer Stadt zu mehren und zu polieren. Mondäne Events wurden veranstaltet, und prominente Gäste folgten dem Lockruf der Reichen und der Schönen.

 


Was es nicht alles gab: „Der Goldene (drunter geht es ja nicht!) Stern von Baden-Baden – eine Automobil-Show, die die Zeitschrift „Stern“ 1964 an der Oos veranstaltete, macht den Anfang. Hingucker dafür ist das knallrote Goggomobil, gleich am Eingang der Halle prominent platziert. Man kann sich drehen und wenden und Schritte vor und zurück machen – überall stolpert man über bekannte Gesichter und Namen:

 

links oben: Gitte auf dem Schoß von Marlene Dietrich

Die deutschen Schlagerfestspiele fanden 1961 bis 1966 in Baden-Baden statt, mit Caterina Valente, Marlene Dietrich, Gitte und Wencke Myrhe und, und, und.. Johannes Heesters nicht zu vergessen, von dessen Auftritt im Kurhaus ein Youtube-Video zeugt => https://www.youtube.com/watch?v=LywZHnX9zZ4

Und weiter geht es zum nächsten Top-Ereignis: Blues und Jazz-Festival. Miss-Germany-Wahl. Amateur-Modeschau „Nadel-Prinzess“. Schlag auf Schlag ging das.

 


Auch die Polit-Prominenz zog es in unser Städtchen: Der Schah mit Soraya, die die Bevölkerung viel mehr interessierte als die politischen Verhältnisse in deren Land. 

 


Das historischeTreffen zwischen Adenauer und De-Gaulles als Vorbereitung für den Élysée-Vertrag. Hier ein Bericht der BNN zum historischen Treffen => https://bnn.de/mittelbaden/baden-baden/in-baden-baden-bauten-charles-de-gaulle-und-konrad-adenauer-am-fundament-europas-weiter

 


Und dann das Theater: Viele Berühmtheiten der damaligen Zeit standen bei uns auf der Bühne! Erkennen Sie sie? Lieselotte Pulver! Harald Juhnke. Theo Lingen. Um nur einige zu nennen, die damals in Baden-Baden glänzten.

Übrigens stand es Ende der 40 Jahre nicht gut für das Theater: Es gab Überlegungen das eigene Ensemble aufzugeben. Zum Glück erkannte aber der damalige SWF, wie wichtig es war, dass seine Mitarbeiter auch bei den hiesigen Theateraufführungen mitwirkten, und so bot man der Stadt finanzielle Unterstützung an. (Persönliche Anmerkung: Davon kann die heutige Intendantin Nicola May ja nur träumen, hat der Gemeinderat doch kürzlich bei den Haushaltsberatungen beschlossen, ihr keine der dringend benötigten, zusätzlichen Stelle (eine Hauptamtliche, zwei Halbtagsstellen) zu genehmigen, nicht einmal eine halbe. Und niemand eilt ihr zu Hilfe, im Gegenteil, der heutige SWR will nun auch noch den Fundus verscherbeln, aus dem das Theater sich bislang gern bedient hat. => https://bnn.de/mittelbaden/baden-baden/swrswr-fundus-werden-deutlich-verkleinert-antwort-auf-rasanten-wandel-der-medienbranche-standort-saarstrasse-in-baden)

Zurück in die 60er Jahre. Hier Romy Schneider am Theater Baden-Baden (in einer französischen Rolle) => https://www.ardmediathek.de/video/swr-retro-abendschau/romy-schneider-zum-ersten-mal-auf-einer-deutschen-buehne/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzExNjg2MzQ



Weiter geht der Rundgang, vorbei an Fotos aus dem weltschönsten Casino, das nach dem Krieg nicht wiederzuerkennen war, als die französische Besatzungsmacht im Florentinersaal ihr Quartier aufschlug, und zur Verwaltung gehören nun mal auch endlose Aktenschränke. Zum Glück konnte das später zurückgebaut werden, und der Spielbetrieb startete wieder.

 


 


Weiter geht es ins Dachgeschoss des Museums, wo den Veränderungen im Stadtbild breiter Raum gegeben wird. 

 

 


Ach, seufz.. Nicht alle Entscheidungen der damaligen Zeit waren gut! Hier das gute alte Augustaplatz! Abgerissen, um mehr Weite zu bekommen. Was für ein Jammer!

Und wer erinnert sich noch, wie das Vogel-Hardweg-Gelände oberhalb des Batschari früher aussah? Dort stand einmal unsere Stadthalle!

 




Erinnert sich noch jemand an das Café Corso? Hier stehen Originalmöbel, auf denen man sich gerne niederlassen kann. Kaffee wird zwar nicht serviert, aber vielleicht werden mit anderen Besuchern alte Geschichten ausgetauscht.

 


Und nun lasse ich einfach die Bilder sprechen. Memories, Erinnerungen! „Ach ja, schön war's!“, wird nun so manche/r Leser/in seufzen. 

 


 

 



 


 


Übrigens: Wer noch Fotos von damals in der Schublade hat – das Museum würde sich über Leihgaben freuen. Es gibt extra eine Pinnwand dafür!



Zum Schluss gebe ich zu bedenken, dass ich hier auf meinem Blog nur einen winzig kleinen Überblick geben konnte über all die Schätze, die das Museum zusammengetragen hat.

Ein Besuch lohnt sich! Ach was, einer wird zu wenig sein. Weitere Besuche bieten sich an. Ich empfehle, mit mehreren hinzugehen und sich über die eigenen Erlebnisse aus jener Zeit auszutauschen. Die Ausstellung wird bis 4. August 2024 gezeigt.

 


Ein Flyer ist in Vorbereitung, Führungen werden zurzeit nicht angeboten, aber die Informationen sind selbsterklärend genug. Nur muss man wissen, dass und wo man nach etwas versteckten QR-Codes (kleines Fernsehgerät) suchen muss, um ergänzend Originalbeiträge des SWF zu bestimmten Themen abspielen zu können. Kopfhörer fürs Handy mitzunehmen, wäre nicht schlecht.

Eine schöne, eigene Webseite gibt es leider nicht, auch für eine Audio-Tour ist die Masse an Informationen nicht geeignet. Aber man kann sich das Baden-Badener von „anno dazumal“ wunderbar selbst erobern. Ein richtig großer Spaß, auch für Leute, die die 50er und 60er in Baden-Baden nicht selber miterlebt haben. Ich werde wiederkommen!

Öffnungszeiten: Täglich außer montags 11 bis 18 Uhr.

Eintritt 5 Euro (für Kinder, Jugendliche und Familien gibt es Ermäßigungen)

=> https://www.baden-baden.de/stadtportrait/kultur/stadtmuseum/



Donnerstag, 30. November 2023

Kultur-Tipps Wochenende 1. bis 3. Dezember 2023

 

Ausgewählte Kultur-Tipps für das

Wochenende 1. bis 3. Dezember 2023




1.) Philharmonie

a) Steinway Special/Große Klassik

Freitag, 1. Dezember, 20 Uhr

Karten ab 28 Euro.

Weinbrennersaal, Kurhaus

b) Evolution – mit Gedanken zur Musik

Sonntag, 3. Dezember, 16 Uhr

Eintritt frei

Weinbrennersaal, Kurhaus

=> https://philharmonie.baden-baden.de/kalender/


2.) Festspielhaus

a) Der Tod und das Mädchen – Hologramm- Ballett

Weltpremiere

Freitag, 1. Dezember, 20 Uhr

Karten ab 22 Euro.

Für mehr Infos bitte unbedingt auf den Link klicken

=> https://www.festspielhaus.de/veranstaltungen/der-tod-und-das-maedchen/

b) 160 Jahre Mittelbadischer Sängerkreis

Samstag, 2.Dezember, 19 Uhr

Karten ab 35 Euro.

=> https://www.festspielhaus.de/veranstaltungen/160-jahre-mittelbadischer-saengerkreis/

c) Max Raabe & Palast Orchester

Sonntag, 3. Dezember, 19 Uhr – ausverkauft!

Alle Veranstaltungen im Festspielhaus.


3.) Theater

a) Der Verschollene

Freitag, 1. Dezember, 19.30 Uhr und

Sonntag, 3. Dezember, 19.30 Uhr

Eintritt 18 Euro

TIK

=> https://www.theater-baden-baden.de/spielplan/stueck/der-verschollene

b) Sonne/Luft

Samstag, 2. Dezember, 20 Uhr – entfällt!

c) Weihnachtsmärchen! Anton – das Mäusemusical

Sonntag, 3. Dezember, 17 Uhr,

Tickets 18 Euro.

Theater

=> https://www.theater-baden-baden.de/junges-theater/programm/stueck/anton-das-maeusemusical


4.) Autorenlesung

Dirk Schümer – Die schwarze Lilie

Freitag, 1. Dezember, 19.30 Uhr

Eintritt frei, um Anmeldung in der Buchhandlung Straß wird gebeten

Mäx+Moritz, Sophienstraße

Dazu die FAZ => https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/dirk-schuemers-roman-die-schwarze-lilie-ueber-florenz-19201772.html

 

 

5.) Musikverein Haueneberstein

Jubiläumskonzert

Samstag, 2. Dezember, 19.30 Uhr

Eintritt 14 Euro an der Abendkasse

Eberbachhalle, Haueneberstein

=> https://www.mv-haueneberstein.de/sites/startseite.html


6.) Kurhaus

a) Melvins Stern, Kindertheater

Sonntag, 3. Dezember, 15 Uhr – ausverkauft

b) The Stevie Wonder Story

Sonntag, 3. Dezember, 20 Uhr

Tickets ab 43 Euro.

Bénazetsaal, Kurhaus

=> https://www.badenbadenevents.de/veranstaltung/354-the-stevie-wonder-story/


7.) Ausstellungen

  • Gesellschaft der Freunde Junger Kunst

Künstler in Baden-Baden 2023 – Günther Lehnert

Vernissage Samstag, 2. Dezember, 17 Uhr

Sonntag 11 bis 17 Uhr – bis 4. Februar 2024

Eintritt frei.

Altes Dampfbad

=> http://www.gfjk.de/seite/431451/aktuell.html

  • Staatliche Kunsthalle

Sarkis – 7 Tage, 7 Nächte, bis 4. Februar 2024

Öffnungszeiten 10 bis 18 Uhr

Eintritt 7 Euro

Freitags freier Eintritt und Freitagslunch. Sonntags Führungen.

=> https://kunsthalle-baden-baden.de/program/sarkis-7-tage-7-naechte/

Meine Meinung => https://forum-baden-baden.blogspot.com/2023/10/kunsthalle-sarkis-ausstellung.html

  • Burda-Museum

Nicolas Party – When tomorrow comes

bis 18. Februar 2024

Öffnungszeiten 10 bis 18 Uhr

Eintritt 14 Euro

=> https://www.museum-frieder-burda.de/ausstellung

mein Blogbeitrag => https://forum-baden-baden.blogspot.com/2023/11/burda-museum-nicolas-party.html

  • Galerie Supper

Monika Thiele – Mond/Wald/Blatt

Einzelausstellung bis 2. März 2024

Öffnungszeiten Freitag 12 bis 18 Uhr, Samstag 12 bis 16 Uhr

Eintritt frei.

Kreuzstraße 3

=> https://www.galerie-supper.de/

Mein Blogbeitrag => https://forum-baden-baden.blogspot.com/2023/11/monika-thiele.html

  • Stadtmuseum

a) Auf-/Ab-/ Umbruch: Die 1950er und...

b) Grafik-Sonderausstellung Otto A. Braun

Öffnungszeiten 11 bis 18 Uhr

Eintritt 5 Euro

=> https://www.baden-baden.de/stadtportrait/kultur/stadtmuseum/sonderaustellungen/

  • Museum LA8

Criminal women – bis 29. Februar 2024

Öffnungszeiten 11 bis 18 Uhr

Eintritt 9 Euro

Adventsworkshop Samstag, 2. Dezember, 14 bis 17 Uhr

Kosten: 35 Euro

=> https://la8.de/museum/ausstellungen/

  • Muße-Museum Stadtbibliothek

Freitags 10 bis 18 Uhr

Samstags, 10 bis 14 Uhr

Eintritt frei.

Literaturmuseum Audio-Tour 3 Euro

Führung Freitag, 1. Dezember, 16 Uhr

Ticket 10 Euro.

=> https://www.baden-baden.de/stadtbibliothek/musse-literaturmuseum/

meine Eindrücke => https://forum-baden-baden.blogspot.com/2023/09/haltestelle-literaturmuseum.html

  • Kunstmuseum Gehrke-Remund

Frida: meine Geheimnisse

Öffnungszeiten 11 bis 17 Uhr

Eintritt 13 Euro

Güterbahnhofstr. 9, Oos

=> https://www.kunstmuseum-gehrke-remund.org/

  • Reiner Stolz

offenes Atelier – bis 31. Januar 2024

Terminvereinbarung:

reinerstolz@t-online.de

Tel. 0176 97606229

Stolzenbergstr. 13, Bau II

  • Anja Michaela Kretz

Offenes Atelier

Freitag, 1. Dezember ab 15 Uhr, bis Sonntag, 3. Dezember, jeweils ab 11 Uhr

Schafbergstr. 8

=> https://anjamichaela.com/

  • Künstlergruppe Alte Fabrik

große Werkschau Kunst

Samstag und Sonntag, 2. und 3. Dezember, 11 bis 19 Uhr

Güterbahnhofstr. 9 (Gelände Museum Frida-Kahlo-Museum)

=> https://www.baden-baden.de/stadtportrait/aktuelles/veranstaltungskalender/#/eventDate/8bccd704-7920-49ae-8e66-60b500a56949


8.) Meine Film-Tipps

a) Anselm

Freitag, 1. Dezember, 18 Uhr

Moviac

=> https://moviac.de/

Bericht des NDR dazu => https://www.ndr.de/kultur/film/videos/Anselm-Trailer-zum-Dokumentarfilm-von-Wim-Wenders,anselmtrailer100.html

b) Vermeer

Samstag, 2. Dezember, 17 Uhr

Moviac

NDR dazu => https://www.ndr.de/kultur/film/tipps/Vermeer-Reise-ins-Licht-Film-spektakulaere-Ausstellung,vermeer162.html

c) Vorschau! Kommunales Kino:

Mein Fabelhaftes Verbrechen

Mittwoch, 6. Dezember, 15, 17.30 und 20 Uhr

Tickets 5 Euro.

Cineplex

=> https://www.cineplex.de/film/mein-fabelhaftes-verbrechen/392465/baden-baden/


9.) Lese-Tipps

a) Stadtbibliothek

Buch des Monats Dezember:

… noch nicht bekanntgegeben.

b) Lesekreis Neuweier

Leitung Ruth Leukam

Jon Fosse: „Morgen und Abend“

Diskussion Montag, 11. Dezember, 19.30 Uhr, mit Adventsstimmung

Kostenbeitrag 5 Euro, Gäste willkommen

Gemeindehaus St. Michael Neuweier

c) Literaturkreis der Baden-Badener Bibliotheksgesellschaft

Leitung Helga Kampmann

Tarjel Vesaas: „Die Vögel“

Nächstes Meeting Dienstag, 12. Dezember, 15.30 Uhr

Eintritt frei

Stadtbibliothek


12.) Alle Veranstaltungen

im Veranstaltungskalender der Stadt Baden-Baden

=> https://www.baden-baden.de/stadtportrait/aktuelles/veranstaltungskalender/#/event

 

Nachmeldung:

13.) Opernakademie Baden-Baden

Weihnachtliche Soiree

Sonntag, 3. Dezember, 16 Uhr

Eintrittpreis nicht ersichtlich... 

Spiegelsaal im LA8

=> https://www.opernakademie-baden-baden.de/

 












Freitag, 24. November 2023

Monika Thiele

 

Vom Glück, Künstlerin zu sein,

und der Kunst, glücklich zu sein



Monika Thiele ist bekannt. Ist das nicht die, die mit dem Faden malt? Richtig. Baden-Badener Künstlerin des Jahres 2014 war sie auch. Aber wer meint, sie und ihre Kunst zu kennen, täuscht sich. Monika Thiele lässt sich in kein Raster pressen, sie entwickelt sich kontinuierlich weiter. Diesen Samstag, 26. November 2023, wird um 18 Uhr in der Galerie Supper in der Kreuzstraße ihre neue Ausstellung eröffnet. „Mond / Wald / Blatt“ - so derTitel, und Kenner können schon erraten, was es damit auf sich hat: Weiterentwicklung ist das Stichwort. War in der Ausstellung vor einem Jahr unter dem Titel „Weltentanz“ der Mond bereits Thema, rückt er nun zur Hauptfigur auf. Und wer Mond und Wald mit Mystischem und Geheimnisvollem verbindet, ist schon mal auf der richtigen Spur, wie mir die Künstlerin bei meinem Vorab-Besuch in ihrem Atelier verrät.

 


Aber lassen wir dem Galeristen Dirk Supper das erste Wort. Er betont in seiner Einladung, dass seine Haus- und Hofkünstlerin auch diesmal dreidimensional arbeiten und „den Faden in der Hand“ haben wird, und er verspricht uns ein Feuerwerk aus Faden, Papier, Stoff, Formen und Farben. Ja, er schwärmt regelrecht, „beim Anblick von Thieles Arbeiten werden wir mit einem warmen Gefühl beschenkt, als würden wir nach einem langen Tag über die Schwelle der eigenen Haustür treten und nach Hause kommen“.

Nun bin ich gespannt.

Letzte Woche Freitag Nachmittag. Es regnet in Strömen. In der Kreuzstraße wird Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt, die Baustellen ringsum werden wochenendfein gemacht. Die Galerie in der kleinen Passage ist leer, richtig leer. Weiße Wände. In einer Ecke stehen verpackte Werke der vorherigen Ausstellung. Aufgeregt bellend springt ein weißes Wollknäuel herbei, als sich die Tür öffnet. Winnie, der kleine Liebling mit den schwarzen Knopfaugen, erwartet ein Leckerli. Fehlanzeige. Leider. Macht nichts. Auf Frauchens Schoß ist die Welt trotzdem in Ordnung.




Monika Thieles neues Atelier befindet sich praktischerweise in der Galerie, im ersten Stock. Und tatsächlich hat der ruhige Raum mehr von einem meditativen Zuhause als von einem Arbeitsplatz. Entspannt führt die Künstlerin herum. Hier die Konstruktion, die sie für ihre Fadenbilder braucht, dort ein Platz für kleine Schnipsel, aus denen noch etwas Großes werden soll. An den Wänden Exponate, die ab Samstag zur Schau gestellt werden. Großformate, auf denen sie mit figurativen Motiven von Oskar Schlemmer spielt, jenes Künstlers, nach dem demnächst ein Platz in der Stadt benannt wird. Auf den großen Bildern vereinen sich die Techniken, die Monika Thiele im Laufe ihres Lebens ausprobiert und vervollkommnet hat: Farben, Faden, Papier...

In die Wiege gelegt wurde ihr die künstlerische Laufbahn nicht, im Gegenteil. 1966 in der ehemaligen DDR geboren, war das Leben entbehrungsreich. „Wir sahen im Westfernsehen, was es alles gab, eine andere, bunte Welt. Aber wir hatten nichts.“

Jedenfalls kaum etwas Materielles. Dafür andere Werte. Mit drei Geschwistern galt die Familie als kinderreich. Die Eltern hatten „ganz normale Berufe“, nichts Künstlerisches lag in der Luft. Aber Monika Thiele war ein besonderes Kind. „Ich war, im Gegensatz zu den Geschwistern und Freunden, lieber drinnen und habe viel gemalt“, erinnert sie sich. Es gab Jugendtreffs, aber das war nichts für sie. „Ich war lieber zuhause und habe meiner Mutter beim Kochen oder im Garten geholfen.“ Dort stand auch die Staffelei, an der sie malte was sie sah, selbstverloren und glücklich: Landschaften vor allem, Blumen, Gras, Gartenwege, Felder, Natur, Kirschplantagen. Auch Basteln stand hoch im Kurs. Folgerichtig träumte sie nach dem Schulabschluss davon, die künstlerische Laufbahn einzuschlagen – und stieß natürlich auf Besorgnis seitens der Mutter, die eine ganz besondere Rolle in ihrem Leben spielt. Lange Unterhaltungen folgten, wie soll das Leben aussehen mit der Kunst, der brotlosen? Die Mutter hatte Bedenken: „Du wirst dich im Leben einschränken müssen, auf Beziehung und Kinder verzichten. Willst du das?“ Monika Thiele wollte! Bedingungslos. Bis heute steht sie zu ihrer Entscheidung, kompromisslos und glücklich.

 


 

Studium in Dresden und, nach der Wende, in Karlsruhe und Stuttgart, bis irgendwann Schluss war. „Ich fühlte, ich war fertig, ich muss jetzt meinen eigenen Weg gehen.“

Zunächst hatte es ihr die Bildhauerei angetan, nicht Holz, nein, großformatige Linolschnitte, dann Styropor, aus dem sie Figuren schnitzte, die sie mit dünnem Draht umwickelte, anmalte und draußen bei jeder Witterung Patina annehmen ließ. Bleistifte, Buntstifte folgten, die ganze Palette. Farben mischte sie selbst und füllte sie in die Patronen ihrer Füllhalter, Filzstifte kamen hinzu. Gerade Linien, Kreuzschraffur....

 


Und dann kam der Tag, der alles veränderte. „Ich stand in meinem Atelier und fragte mich: Was, wenn du jetzt Nadel und Faden nimmst und stickst?“ Was folgte war „ein wunderbares Erlebnis“, denn sie erkannte: „Du bist angekommen, Monika“.

15 Jahre lang widmete sie sich seit diesem Tag ausschließlich ihrer ganz eigenen Fadentechnik, die sie Schritt für Schritt zu unfassbarer Perfektion trieb. Eine schwierige Kunst, denn mit dem Faden zu „malen“ ist etwas ganz anderes als mit Farbe, bei der man ja über kleine Unsicherheiten immer wieder neue Farbe legen kann. „Das geht mit dem Faden nicht.“

 


Insofern ist das Arbeiten mit dem ihr eigenen Material höchst konzentriert, fast schon meditativ. Die Ergebnisse begeisterten ein großes Publikum, sogar Auftragsarbeiten wurden bestellt. Doch wie das so ist, wenn ein Künstler seine Grenzen ausreizt: Irgendwann ist das Ende des Fadens erreicht, und „jetzt ruhen wir uns voneinander aus“.

Bedeutet: Neues Material hat Einzug gehalten ins Atelier: Papier statt Faden, Messer statt Nadel. Aus „die mit dem Faden malt“ wurde „die mit dem Messer zeichnet“.

 


Wann immer sie nun also mit dem Messer hantiert, fallen auch Reste zu Boden, Blättern gleich. Und schon werden diese aufgehoben bedruckt, bemalt, besprüht und wie ein Puzzle oder ein Mosaik zusammengefügt. Und siehe da – jetzt kommt auch der Faden wieder ins Spiel, bringt sich ein, Schicht für Schicht, einem Gewebe gleich, bildet das Rückgrat der neuen Komposition, nicht mehr als einzelner Faden sichtbar, sondern flächig verbunden, einem Teppich gleich.

 

 

Wie geht es ihr bei dieser Arbeit? Nachdenklich streichelt Monika Thiele ihren Winnie, der brav auf dem Schoß sitzt. „Das Worten „arbeiten“ passt nicht“, meint sie schließlich. „ich wirke.“ Sie hält inne, spürt dem Wort nach und nickt. „Ja, das ist das richtige Wort.“

Sie liebt alles an ihrem Leben, die Stille, die Ruhe, die meditative Tätigkeit, wenn sie Stunde und Stunde, Tag für Tag, Woche um Woche an einem Bild sitzt, bis es sich "fertig" anfühlt. (Und ich verrate mal, dass sich bei einem der ausgestellten Bilder dieses Gefühl bis zum Vortrag der Vernissage noch nicht eingestellt hatte und die Künstlerin bis zur letzten Minuten an ihm weiterwirkte.) Bis zu einem halben Jahr steht sie an einem Fadenbild, nichts soll und kann sie dabei stören oder ablenken. 

 


Der Tag ist heutzutage streng strukturiert, seitdem sie ihre erkrankte Mutter nach Baden-Baden geholt hat, um sich um sie zu kümmern. Viel „freie“ Zeit bleibt nicht, aber braucht sie die Ablenkung überhaupt? Früher, vor Corona, besuchte sie Ausstellungen und Museen, Theater, Festspielhaus, unternahm kleine Städtereisen, hatte zusammen mit befreundeten Künstlern mehrfach China bereist, liebte gute Gespräche über Kunst und Literatur. Um dann aber wieder erleichtert zurückzukehren in ihre Klausur, in der sie geduldig Fäden auffädelt, Papiere schneidet, Techniken ausreizt, bis sie sie so virtuos beherrscht, das die Betrachten verwirrt versuchen herauszufinden, welche Technik sie denn angewandt habe.

War es die richtige Entscheidung, für die Kunst auf Beziehung und Kinder zu verzichten und sich ganz und gar, mit Haut und Haar, der Kunst zu verschreiben?

„Ich war noch nie in meinem Leben so zufrieden wie heute. Das künstlerische Schaffen erfüllt mich, es gehört zu mir. Ich könnte nicht ohne sein“, sagt sie. Gerade heute, mit Blick auf die sich nicht zum Besten verändernder Welt da draußen, fühlt sie sich dankbar, mit sich im Reinen, im Glück. „Und das ist keine Phrase, das ist wirklich so.“


Die Ausstellung Monika Thiele „Mond – Wald – Blatt“ wird morgen, Samstag, 25. November 2023, um 18 Uhr eröffnet. Um 19 Uhr gibt es eine Einführung. Eintritt frei. Die Künstlerin ist anwesend.

Adresse: Galerie Supper, Kreuzstraße 3.

=> https://www.galerie-supper.de/

Mehr über die Künstlerin, die übrigens auch schon auf der Biennale in Venedig ausgestellt hat, hier => https://www.galerie-supper.de/monika-thiele-biographie.html