Sonntag, 14. Februar 2016

Ahmad Hashem


Menschen in Baden-Baden, heute:
 
Ahmad Hashem

Es ist faszinierend. Wenn Ahamd Hashem zur Darbuka greift, ist es, als verschmölzen Mensch und Instrument. Sie sind eine Einheit, und was für eine! Eine einzige Handbewegung, der erste Ton, und schon horcht man unwillkürlich auf und staunt. Erwachsene verstummen, selbst Kinder sitzen gebannt und andächtig da, wenn er der orientalischen Trommel ihre ganz eigenen Töne und Rhythmen entlockt. Schnell wird klar: Hier sitzt ein Meister seines Fachs, zweifellos! => KLICK



Unsere erste Begegnung ist knapp zwei Wochen her. Da tauchte Ahmad Hashem bei den "talking drums" im Stadtteilzentrum Briegelacker auf, einem Trommelabend, offen für alle Flüchtlinge, aber speziell für die, die aus Afrika kamen. Also waren es an diesem Abend hauptsächlich Djembes, afrikanische Trommeln, die die Runde machten und für Stimmung sorgten. Lebenslust pur, es war wie ein Ausflug auf den schwarzen Kontinent. => KLICK

Ahmad Hashem saß stumm dabei, mit begehrlichen Augen und angespannt, aber auch wie ein Fremdkörper. Bald wurde deutlich, warum: Für einen kurzen Moment nahm er ein Instrument in die Hand, klopfte nur ein paar Takte - und füllte den Raum mit etwas ganz anderem: Mit hellen, harten Tönen, schnellen Rhythmen. Selbst jemand, der in den unterschiedlichen Kulturen nicht sehr bewandert ist, konnte es hören: Instrumente und Rhythmen unterscheiden sich deutlich zwischen den Kontinenten; Musik ist Ausdruck von Kultur, und die ist nun mal in Afrika anders als im arabischen Raum.



Draußen vor der Tür zeigte Ahmad Hashem Videos, die er auf seinem Handy gespeichert hat. Erinnerungen an sein früheres, glückliches Leben als erfolgreicher Berufsmusiker in Damaskus. => KLICK



Lange ist es her. Die Videos sind fünf Jahre alt. Seine Sehnsucht, endlich wieder als Percussionist spielen zu dürfen, war zum Greifen nah. Denn seit Monaten hatte er keine Trommel mehr in der Hand gehalten. Für einen geborenen Schlagzeuger, der seit seiner frühen Kindheit mit Musik aufgewachsen ist, für den sein bisheriges Leben ausschließlich aus Musik bestand, eine lange, eine sehr Zeit.

Zwei Wochen später treffen wir uns wieder, im Vincentiushaus, wo seine Flucht aus dem Bürgerkriegsland ihr vorläufiges Ende gefunden hat. Ein trüber Vormittag, aber seine Augen glühen. Denn gerade sind Joachim und Gabriele Michalski vorgefahren – und laden ein Schlagzeug mit allem Zubehör aus ihrem Auto aus. In Einzelteilen, fein säuberlich verpackt, mit Foto, wie das fertige Teil nach dem Aufbau aussehen soll. Eine Spende fürs Haus. Und was für eine! 


 

Wie kommt man denn dazu, gleich ein ganzes Schlagzeugset zu verschenken? 


 

Ich habe auf dem Flüchtlingshilfe-Blog gelesen, dass Trommeln gesucht werden“, sagt Joachim Michalski bescheiden. Spontan habe er sogleich diverse Trommeln und Darbucas vorbeigebracht, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hat. In jungen Jahren ist er viel gereist, hat er alle orientalischen Staaten besucht und ist intensiv mit der dortigen Musik in Berührung gekommen. „Von jeder Reise hat er ein Instrument mitgebracht“, lacht seine Frau Gabriele gutmütig und beginnt schon mal mit dem Aufbau.

Joachim Michalski berichtet, dass er selber gern Bassgitarre spielt. So traf ihn der Blogbeitrag, in dem vor allem Trommeln gesucht wurden, direkt ins Herz. Und er erinnerte sich, dass er seinem Neffen zwar vor einiger Zeit einmal ein Schlagzeug geschenkt hatte, dieser es aber nie benutzt hatte: Die lieben Nachbarn hatten sich nämlich noch vor dem ersten Schlag beschwert und dem Neffen jegliche Lust am Trommeln ausgetrieben. Er war daher mehr als froh, dass Onkel und Tante nun eine bessere Verwendung für die Instrumente hatten und die Teile wieder abholten. 

 

Vorsichtig trugen die Spender gestern zusammen mit Bewohnern des Vincentiushauses die Einzelteile in einen abgetrennten Bereich des Hauses, wo das Instrument nun wohlbehütet stehen wird. Nicht nur Meister Ahmad Hashem wird hier künftig Trommelwirbel erklingen lassen, auch einige talentierte Kinder, die Schlagzeug-Kurse an der nahen Musikschule besuchen, freuen sich, nun endlich auch im Haus üben zu können.


Geduldig und professionell schraubt Ahmad Hashem währenddessen die Instrumente zusammen, es sind zwar Geräte für Anfänger, aber das ist vollkommen egal. Ahmad stammt aus einer Musikerfamilie, schon sein Vater war Schlagzeuger, erzählt er nebenbei. Sein Deutsch ist noch nicht gut, erst seit zwei Monaten besucht er einen Intensiv-Deutschkurs. Wir verständigen uns lieber über einen Dolmetscher.

Mit sieben Jahren, so erzählt Ahmad, habe er begonnen, Musikunterricht zu nehmen, mit zwölf Jahren vernachlässigte er die Schule, um sich ganz seiner Leidenschaft für die Perkussionsinstrumenten hinzugeben. Sein Bruder, ebenfalls Schlagzeuger, war anfangs noch besser als er, und das stachelte ihn zu Höchstleistungen an. Er wollte der Beste sein! Und so nahm er Unterricht und übte, und übte, und übte...


Damals lebte die Familie in Damaskus, schnell wurde Ahmads Talent entdeckt und er wurde bereits in jungen Jahren Mitglied des staatlichen Sinfonieorchesters von Damaskus. Konzertauftritte im In- und Ausland folgten, auch Solo-Verpflichtungen.

Dann begann der Bürgerkrieg. 22 war er damals. Ahmad erinnert sich: Er sei gerade in Dubai gewesen und sofort nach Syrien zurückgekehrt, um dann mit seiner Frau und den Eltern in den Libanon zu gehen. Drei Jahre blieb die Familie dort, zwei Kinder kamen zur Welt, die inzwischen dreijährige Tochter spielt übrigens auch bereits Klavier...

Nach drei Jahren konnte die Familie nicht länger im Libanon bleiben, denn man braucht eine Art Bürgschaft, um eine längere Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Also ging es weiter in die Türkei, wo er seine Familie zurückließ, um sich nach Deutschland durchzuschlagen, wo ein anderer Bruder, ein Flötist, bereits lebt.

Ahmad kam im September über die Ägäis nach Griechenland und dann weiter nach Deutschland. Seit Mitte November lebt er nun in Baden-Baden, im Vincentiushaus. Er besucht einen Intensiv-Deutschkurs und lebt sich in der Stadt ein, wie man an den Fotos sieht, die er auf Facebook veröffentlicht und die ich hier zeigen darf.  




Auch seine Musik hat er mitgebracht, zumindest auf den zahlreichen Videos, die man auf youtube ansehen kann. Hier eine Kostprobe von gestern, als er spontan das neu aufgebaute Schlagzeug testete => KLICK




Seine nächsten Ziele?

Da hat er ganz klare Vorstellungen: An allererster Stelle steht der Nachzug seiner Frau und seiner Kinder, für den er sich gute Chancen ausrechnet, denn seit 5. Januar ist er im Besitz einer dreijährigen Aufenthaltsgestattung.

Und dann sind da natürlich noch seine Träume, sehr realistische übrigens: Erst Deutsch lernen, dann ein Studium an der Musikhochschule! Und bis es soweit ist, dreht sich bei ihm natürlich alles um Musik, Musik, Musik!

Schön wäre es, wenn er Aufnahme in einer Band in Baden-Baden finden könnte!


 

Wenn Sie eine Band kennen, die einen Drummer braucht, oder wenn Sie Ideen für Ahmads musikalisches Weiterkommen haben, dann schreiben Sie mir bitte direkt an hampprita@gmx.de. Sie werden weitergeleitet.

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