Hochmotivierte
Asylbewerber im Sommercamp:
Ohne
Sprache
geht
es nicht
Montag,
10. August. Vincentiushaus. Ruhe vor dem Ansturm.
Im
großen Saal werden Tische gerückt, Stühle gestellt, Hefte und
Bleistifte ausgeteilt.
Die
ersten Schüler kommen herein, 15, 20 Minuten zu früh, setzen sich stumm hin, warten. Der Saal füllt sich. Pünktlich um 15 Uhr ist
jeder Platz besetzt, das Sommercamp kann beginnen.
Sommercamp
– das bedeutet ein einmaliges Pilotprojekt hier in Baden-Baden:
Drei Wochen lang werden interessierte Asylbewerber drei Stunden am
Tag von Montag bis Freitag intensiv in Deutsch unterrichtet. Die
Stadt übernimmt die Kosten für zwei Profilehrer der
Volkshochschule, die in „Deutsch für Ausländer“ ausgebildet und
zertifiziert sind, auch für die Bücher wurde gesorgt,
wenngleich sie nicht kostenfrei abgegeben werden. Fünf Euro zahlen
die Kursteilnehmer für ihr Buch selbst, den Rest übernimmt,
unterstützt durch private Spenden, ebenfalls die Stadt.
Ziel
ist es, möglichst vielen Asylbewerber möglichst effizient beizubringen, Deutsch zu verstehen und zu sprechen – ideale Voraussetzung für einen Job, den ja
jeder und jede von ihnen unbedingt finden möchte.
Dies
soll als Zusatzangebot zu den Deutschkursen gelten, die zahlreiche sehr engagierte ehrenamtliche
Helfer seit langem in jeder Unterkunft anbieten. Anders als bei jenen Kursen, in denen ein ehrenamtlicher Lehrer jeweils einmal in der Woche für
90 Minuten vor einer Klasse mit häufig wechselnden Teilnehmern
und unterschiedlichem Sprachniveau steht, ist im Sommercamp der intensive Kontakt
nur eines Lehrers zu einer festen Schüler-Zahl.
Im
alten Vincentiushaus kommen die Anfänger im großen Saal zusammen, 23 sind es am ersten Tag hier,
am Standort Westliche Industriestraße sind es 36, die sich
bei weitaus beengteren Verhältnissen in einen der kleinen
Gemeinschaftsräume quetschen.
Später am Tag wird noch etwas ausgetauscht, denn es stellt sich heraus, dass zehn Teilnehmer aus der Industriestraße besser zum Anfängerkurs wechseln sollten. Ausgerechnet diese besitzen kein Fahrrad. Und die übertragbaren Monatskarten, die der Rotary Club Baden-Baden-Merkur und der Lions-Club im April gespendet haben, sind bereits anderweitig vorbildlich und unermüdlich im Einsatz, und werden dringend von anderen Leuten gebraucht. Es geht also nur mit Sammeltickets, die die Ehrenamtlichen nun vorstrecken und hoffen, ersetzt zu bekommen.
Später am Tag wird noch etwas ausgetauscht, denn es stellt sich heraus, dass zehn Teilnehmer aus der Industriestraße besser zum Anfängerkurs wechseln sollten. Ausgerechnet diese besitzen kein Fahrrad. Und die übertragbaren Monatskarten, die der Rotary Club Baden-Baden-Merkur und der Lions-Club im April gespendet haben, sind bereits anderweitig vorbildlich und unermüdlich im Einsatz, und werden dringend von anderen Leuten gebraucht. Es geht also nur mit Sammeltickets, die die Ehrenamtlichen nun vorstrecken und hoffen, ersetzt zu bekommen.
Birte
Gräper, die Initiatorin des Projekts, hatte die
Idee zum Sommercamp vor ein paar Wochen und setzte sie, tatkräftig unterstützt von
Marianne Jäger-Both und der Integrationsbeauftragten der Stadt,
Hanna Panther, um.
Wie
kam es zu dieser Idee?
Birte
Gräper: Die Idee wurde geboren aus dem ehrenamtlichen
Sprachunterricht, den ich ab März/April für die Flüchtlinge im
Vincentiushaus anbot. Zusammen mit fünf, sechs anderen
ehrenamtlichen Lehrern gab es hier wöchentliche Kurse. Im Laufe der Zeit
zeigte sich, dass die Gruppen der Kursteilnehmer immer
heterogener
wurden: Von Analphabeten bis Anfängern ohne jegliche Kenntnisse, bis
zu Anfängern mit kleinen Kenntnissen und zu fortgeschrittenen
Anfängern. Manche hatten es einfach, sich in den Unterricht und in
die neue Sprache einzufinden und manchen fiel es schwerer.
Schließlich haben alle mehr oder weniger traumatische Erlebnisse
hinter sich und befinden sich in einer für sie unbekannten Kultur.
Das
hört sich nach einer schwierigen Ausgangslage an – und zwar für
alle: für die lernwilligen Asylbewerber genauso wie für die Lehrer.
Birte
Gräper: Man bekam den Eindruck, dass es die Asylbewerber
unterstützen würde, wenn sie die Möglichkeit bekommen könnten, ganz
intensiv Deutsch zu lernen. Täglich, ein paar Stunden lang, über
ein paar Wochen mit einem Lehrer, der sie kennenlernt und individuell
betreuen kann. Mit dieser Idee tauschte ich mich vor ca. zwei Monaten
mit Frau Panther aus, und sie sagte spontan: „Ja toll, dann machen
Sie doch ein Sommercamp daraus.“
Also
ganz einfach - gesagt, getan?
Birte
Gräper: Ganz so einfach war es nicht. Ich mailte unsere interne
ehrenamtliche Helfergruppe vom Vincentiushaus an und fügte am
Schluss hinzu: "Ich kann mich leider aus zeitlichen und
beruflichen Gründen nicht um die Umsetzung oder Durchführung
kümmern. Wer könnte das übernehmen?" Tja, und niemand meldete
sich. Niemand hatte Zeit. Und dann habe ich es doch nicht ausgehalten
und habe mich selbst gekümmert. Immer nach meiner hauptberuflichen
Arbeit und manchmal an Wochenenden.
Das
hört sich nach großem Engagement an. Was hat Sie angespornt?
Birte
Gräper: Es macht mir Freude, weil es Sinn macht.
Doch
alleine war das nicht zu stemmen und Gräpers Helferkollegin
Marianne Jäger-Booth sprang ihr zur Seite. Alle ehrenamtlichen
Helfer, die Gruppe der ehrenamtlichen Lehrer und die
rührige Helfer-Gruppe ums Vincentiushaus, ebenso die in beiden Heimen
arbeitenden Sozialarbeiter hießen das Projekt willkommen.
Die Lehrer machten Listen mit ihren Empfehlungen, wer für die Kurse
in Frage käme, die Initiatorinnen schlugen zusätzlich Listen ans
schwarze Brett, damit sich weitere Interessenten
für die Teilnahme eintragen konnten.
Birte
Gräper: „Wir sprachen über mehrere Wochen immer wieder mit vielen
Flüchtlingen, über die Kurse und die damit verbundenen
Möglichkeiten.“
Auf
diese Weise waren die Kurse schnell in aller Munde, und die Listen
füllten sich im Handumdrehen, jeweils mit über 30 Interessenten.
Als
es endlich so weit war, ließ es sich Birte Gräper nicht nehmen,
beide Kurse zu begleiten, die Kursteilnehmer zu begrüßen und sie
anzuspornen, dieses Geschenk der Stadt gut zu nutzen. Denn „immer
wieder habe ich gesehen, dass die Asylbewerber, die wir für Jobs
oder Ausbildungen vermitteln wollten, immer erst genügend Deutsch
als Voraussetzung brauchen, bevor sie arbeiten dürfen.
Das haben jetzt auch alle verstanden. Und alle wollen unbedingt
arbeiten, und nicht in den Heimen herumsitzen müssen und warten.
Deshalb sind sie alle sehr motiviert.“
Das
trifft übrigens auch auf die beiden Lehrer der VHS, Alexander
Arssentjew und Rafal Majcher, die sich für dieses Pilotprojekt zur
Verfügung gestellt haben, in gleichem Maße zu. „Sie
machen das gerne, denn beide wissen aus eigener Erfahrung - einer ist
gebürtiger Pole, der andere Russe - wie es ist, als Ausländer in
ein neues Land zu kommen und die Sprache und die
Kultur neu lernen zu müssen.“
Und so war es schon am ersten Tag allen anzumerken, dass dieses Projekt ein
Riesenerfolg werden wird. Hier ein Foto mit Birte Gräper (links),
Alexander Arssentjew und Marianne Jaeger-Both während der Begrüßung.
Welche
Wünsche und Hoffnungen hat die Initiatorin?
Birte
Gräper: Ich wünsche mir so sehr, dass die Flüchtlinge es schaffen
werden, soviel wie möglich von dem Sprachprojekt zu profitieren. Ich
hoffe, sie werden die Kraft haben, dranzubleiben, aufnahmefähig zu
sein, sich konzentrieren zu können und Freude daran zu haben. Ich
weiss, es wird nicht einfach sein für diese Menschen, die schon so
viel hinter sich haben. Deshalb stellen wir uns auch vor, dass
vielleicht ein Viertel oder mehr nicht
wird durchhalten können. Aber letztlich wissen wir das nicht, und
drücken allen die Daumen, dass sie alle dranbleiben und jeder für
sich das Beste daraus macht.
*
Schon am Ende der ersten Woche lässt sich eine überaus positive Bilanz ziehen: Immer noch strömen Interessierte herbei und würden gerne mitmachen, aber es gibt einfach keinen Platz mehr. Bei einem Besuch im Anfängerkurs im Vincentiushaus stelle ich fest, dass bisher offenbar niemand abgesprungen ist.
Die Schüler sind emsig, aufmerksam, arbeiten mit und sind ganz offensichtlich immer noch schwer begeistert, auch ihre Lehrbücher sehen bereits sehr benutzt aus. Als ihr Lehrer Alexander Arssentjew die Hausaufgaben abfragt, stellt sich heraus, dass wirklich jeder geübt hat: "Guten Tag, ich heiße ... ich komme aus ... ich wohne in Baden-Baden. Ich spreche Englisch und ein bisschen Deutsch." So können sie sich bereits alle vorstellen, akzentfrei übrigens, mit der richtigen Betonung. Einigen ist diese nüchterne Vorstellung allerdings noch etwas dürftig. Sie haben sich weitergebildet und fügen eine weitere Eigenschaft hinzu: "Und ich bin ledig." Da schwingt dann schon ein bisschen das Prinzip Hoffnung mit ...
Ich werde gegen Ende der drei Wochen noch einmal über das Projekt berichten.
Aktualisierung 27. August 2015: Aufgrund des großen Erfolges wird das Sommercamp um eine weitere Woche verlängert - zur großen Freude der Schüler und der Lehrer!
Die Schüler sind emsig, aufmerksam, arbeiten mit und sind ganz offensichtlich immer noch schwer begeistert, auch ihre Lehrbücher sehen bereits sehr benutzt aus. Als ihr Lehrer Alexander Arssentjew die Hausaufgaben abfragt, stellt sich heraus, dass wirklich jeder geübt hat: "Guten Tag, ich heiße ... ich komme aus ... ich wohne in Baden-Baden. Ich spreche Englisch und ein bisschen Deutsch." So können sie sich bereits alle vorstellen, akzentfrei übrigens, mit der richtigen Betonung. Einigen ist diese nüchterne Vorstellung allerdings noch etwas dürftig. Sie haben sich weitergebildet und fügen eine weitere Eigenschaft hinzu: "Und ich bin ledig." Da schwingt dann schon ein bisschen das Prinzip Hoffnung mit ...
Ich werde gegen Ende der drei Wochen noch einmal über das Projekt berichten.
Aktualisierung 27. August 2015: Aufgrund des großen Erfolges wird das Sommercamp um eine weitere Woche verlängert - zur großen Freude der Schüler und der Lehrer!
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