Sonntag, 3. Mai 2015

Stefan Lutz-Bachmann


Menschen in Baden-Baden, heute:


Stefan Lutz-Bachmann
 


Es gibt Menschen, die besonderes bemerkenswert sind. Stefan Lutz-Bachmann ist ein solcher. Sie werden ihn in den letzten Wochen sicher häufiger in den Medien gesehen haben, sei es als Mit-Organisator des Willkommensfestes für und mit den Flüchtlingen, sei es als Mitorganisator der Friedenskundgebung am 8. Mai um 18 Uhr auf der Fieserbrücke, oder sei als engagierter Diakon in der katholischen Kirche St. Bernhard. Und Sie werden sich - falls Sie ihn noch nicht persönlich haben kennenlernen dürfen - bestimmt gefragt haben: Wer ist dieser Mann, der sich so engagiert?

Wir treffen uns im Pfarrbüro von St. Bernhard in der Weststadt, und das ist kein Zufall, denn hier gehört er hin, mit Leib und Seele.





Stefan Lutz-Bachmann ist ein Mann, der sich mit vollem Herzen für seine Mitmenschen einsetzt, einer, der sich einmischt, der authentisch ist, der in sich ruht, der andere begeistern und mitreißen kann - und einer, der weiß, wer er ist und was er will. Ein Mensch, der mit allen Sinnen intensiv lebt, der nicht mehr an seinem Profil arbeiten muss, sondern der seine Stärken und Schwächen kennt und in der glücklichen Lage ist, in seinem Leben nur noch das zu tun, was er für richtig hält - und das ist viel.

Davon können zum Beispiel Generationen von Schülern an der Klosterschule vom heiligen Grab ein Lied singen, denn dort hat er 30 Jahre lang als Geschichts-, Deutsch- und Religionslehrer gewirkt. Wenn man sieht, wie respekt- und liebevoll seine ehemaligen Schüler und Schülerinnen auch heute noch, da sie längst selber ihren eigenen Weg eingeschlagen haben, mit ihm umgehen, kann man vielleicht am ehesten erahnen, wer dieser Mensch ist und wie viel er auch im Leben anderer Menschen in Bewegung setzen kann.

Zum Beispiel nahm er in Vorbereitung des Willkommensfestes die Zügel selbst in die Hand, organisierte mit dem Musiklehrer seiner ehemaligen Schule einen "Black-and-white-together-Chor" aus Flüchtlingen und Schülern und sang selber voller Inbrunst mit.



Ein Mann also, der Baden-Baden aus voller Überzeugung von innen heraus geprägt hat und weiterhin prägt. Ein Glücksfall für die Stadt, in die er vor Jahrzehnten eher aus pragmatischen Gründen zog. Denn von Herkunft und Herzen her ist er ein echter Frankfurter, den es auch heute immer noch gern in seine Heimatstadt zieht, wo er genüsslich mit Freunden dem Äppelwoi frönt, durch Jazzkneipen zieht, aber genauso gern die kulturellen Orte der Stadt aufsucht und sich dort inspirieren lässt.

Hier in Frankfurt ist er aufgewachsen, zur Schule gegangen, hat studiert. Philosophie und Theologie zunächst, an der renommierten theologischen Jesuitenhochschule St. Georgen.

Wie kommt ein junger Mensch dazu, solche Studienfächer zu wählen?

Die Themen haben mich immer schon interessiert“, versucht Stefan Lutz-Bachmann zu erklären. Schon im Gymnasium habe er philosophische Arbeitsgemeinschaften besucht, Religion gehörte zu seinen Prüffächern im Abitur. Ursprünglich habe er tatsächlich in den kirchlichen Dienst gehen wollen, sagt er. Eigentlich ein folgerichtiger Weg, denn seit seiner Kindheit sei er eng in der Jugendarbeit der katholischen Kirche eingebunden gewesen, erst als Messdiener, später als Pfadfinder. „Das zweite Vatikanum hat mich stark beeinflusst“, sagt er rückblickend, und auf Nachfragen fällt ihm auch gleich der Name seines ehemaligen Religionslehrers ein, der ihn während der gesamten Gymnasiumszeit begleitet und geprägt hat, ein Urgestein, konservativ, doch authentisch. „Später, als ich selber Lehrer war, habe ich mich im Unterricht oft bei dem Gedanken ertappt: Das hätte jetzt auch von deinem damaligen Lehrer stammen können.“


Lehrer? - Nur über Umwege

Aber, im Vertrauen: Lehrer an einer Schule - das habe er nie werden wollen!

Sondern?

Ja, da habe ich damals etwas diffuse Vorstellungen gehabt“, gibt er heute schmunzelnd zu.

Dass Philosophie und Theologie nicht ganz das Richtige für ihn waren, schwante ihm eigentlich schon, als die Studentenunruhen seines 1968er Abiturjahrganges aufflackerten => KLICK.

Das hat sehr zu meiner politischen Menschwerdung beigetragen.“

Aber er zog sein Studium dennoch durch und beendete es mit Diplom, sattelte dann jedoch um auf Geschichte und Germanistik – und immer noch war der Schuldienst keine Option für ihn. Kirchliche Bildungsarbeit, Verlagswesen, Medien – irgendetwas in dieser Richtung schwebte ihm vor.

War es Zufall, dass just zum Zeitpunkt seines Abschlusses ein Posten bei der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der deutschen Bischofskonferenz frei wurde? Er bewarb sich und wurde Referent für politische Bildung mit Schülern, mit Büro in Köln. Eine spannende Zeit, in der er sich mit Friedenspolitik, Deutschlandpolitik, Raketenstationierung und Ökologie beschäftigte, auch ein großes deutsch-französisches Zeltlager zum Thema Abrüstung organisierte.

Viel Wochenend-Arbeit bedeutet dies, und bald ließ sich das nicht mehr so einfach mit seinem Privatleben vereinbaren, denn über die Arbeit hatte er seine Frau Gudrun kennengelernt, die ebenfalls als Referentin im kirchlichen Dienst arbeitete und die wie er an Wochenenden eingespannt war.

Da Stefan Lutz-Bachmann während dieser Zeit bereits einen Lehrauftrag an einer Waldorfschule wahrnahm und auch als Student schon unterrichtet hatte, war der zeitlich etwas geregeltere Lehrerberuf mit einem Mal nicht mehr ganz so abwegig. Die nötigen Abschlüsse holte er schnell nach und wieder kam der Zufall ins Spiel und spülte den jungen Familienvater mit zwei Kindern nach Baden-Baden, wo die Klosterschule gerade Lehrer wie ihn suchte.

Dreißig Jahre unterrichtete er seitdem an dieser Schule, aber damit nicht genug.

Anfang der 90er Jahre begann er außerdem, die losen Enden der Fäden seines Lebens aufzunehmen und fester miteinander zu verknüpfen: Fünf Jahre lang ließ er sich fortan in seiner Freizeit und an Wochenenden zum Diakon ausbilden; im November 1998 wurde er in St. Bernhard feierlich zum Diakon geweiht.




Seitdem ist er aus dem sakramentalen Leben der katholischen Kirche Baden-Baden, besonders in St. Bernhard, nicht mehr wegzudenken. Taufe, Trauungen und Beerdigungen werden von ihm vorbereitet, ebenso begleitet er Erwachsene - in diesem Jahr übrigens auch einige Asylbewerber - bei ihrer Vorbereitung auf Taufe und Firmung und bildet selber Diakone aus. Seit 2015 ist er außerdem Sprecher des Diakonatskreises des Dekanats Baden-Baden, und ist im Rahmen des caritativ/diakonischen Dienstes auch vor ein paar Jahren zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Caritasverbandes für die Stadt Baden-Baden gewählt worden - eine Aufgabe, die ihn ganz besonders stolz macht.






Und auf diese Weise war für ihn auch der Übergang vom Berufs- ins Pensionärsleben fast unmerklich. Ruhestand sei sowieso „ein blödes Wort“, bemerkt er frank und frei. Als Diakon bleibe er der Gemeinde ja wie eh und je erhalten, und auch seine Lehrtätigkeit hat sich nur verlagert: Als Dozent für Deutschkurse ist er seitdem an der Staatlich anerkannten Fachschule für Altenpflege Sancta Maria in Bühl tätig.

Dennoch kam es zu einer Zäsur: Knapp 65jährig begab er nach seiner Verabschiedung aus dem Schuldienst im letzten Herbst auf große Wanderschaft, fast fünf Wochen war er mit seiner Frau von Roncesvalles bis Santiago de Compostela auf dem Jakobsweg unterwegs. Ein spirituelles Erlebnis, das ihn sehr beeindruckt hat.
Da war Baden-Baden plötzlich ganz weit weg“, resümiert er. „Ich habe auf dem Weg viel Zeit gehabt, meine Gedanken zu ordnen, Ruhe zu tanken und neue Pläne zu machen.“


Der Weg zu sich selbst
 

Geht das wirklich? Ist der Weg nicht nach Hape Kerkelings Buch hoffnungslos überlaufen? Er schüttelt den Kopf. Das pendele sich ein, jeder laufe ja nach seinem eigenen Rhythmus. „Man läuft zu sich selber.“ Und so nimmt es nicht Wunder, dass die nächste Tour schon geplant ist.

Denn der Marsch habe tatsächlich sein Leben verändert. „Ich werde jetzt verstärkt nur noch Dinge tun, die ich immer schon tun wollte," hat er sich vorgenommen. Vieles sei ja im beruflichen Leben liegengeblieben, jetzt aber gibt es nur noch ein Auswahlkriterium: Wichtig oder unwichtig?

Was hat ihm dieser „Weg zu sich selbst“ gebracht?

Er müsse nun keine Diskussionen mehr führen, die er nicht führen wolle, fällt ihm spontan ein. „Ich muss mir nichts mehr beweisen. Wenn ich denke, dies oder das bringt mir nichts, dann mache ich es einfach nicht mehr.“

Was ist ihm wichtig?

Es hat mich immer schon bewegt, wie ich Leute motivieren kann. Wie kann man sie begeistern und mitziehen?“

Was treibt ihn an?

Ich will Dinge in Bewegung bringen. Man kann alleine viel Gutes tun, aber es geht noch besser, wenn es viele gemeinsam tun.“


Repräsentant der "Armen"


So verstehe er auch seine Arbeit als Diakon. „Das ist nichts Spektakuläres“, sagt er. „Ich will Leuten ein Beispiel geben, dass man auch heutzutage sehr wohl Dinge bewegen kann."
 
Als Diakon wolle er die „Armen“ der Gesellschaft repräsentieren, also diejenigen, die am Rand stehen, die wirklich Bedürftigen, aber auch die Kranken, Behinderten und Ausgegrenzten. „Ich will in Erinnerung bringen, dass es auch sie gibt.“

Warum?

Die wichtige Frage am Ende eines Lebens ist ja nicht, wie oft man gebetet hat, sondern wie man sich für seine Mitmenschen eingesetzt hat.“

Das also treibt ihn an.

Deshalb engagiert er sich auch politisch, zum Beispiel im Bündnis „Bunt statt braun“, für dass er im März das große Willkomensfest für und mit den Asylbewerbern mitorganisiert hat und für das er am 8. Mai um 18 Uhr auf der Fieserbrücke die Friedenskundgebung moderiert, bei der ganz Baden-Baden aufgerufen ist, den 70. Jahrestag der Kriegsende zu feiern. (Siehe unten, hier sein Video-Intervideo für goodnews4) 



 
Und was kommt danach?

Er schmunzelt. „Danach wird mein Leben hoffentlich etwas ruhiger werden. Vielleicht finde ich dann wieder etwas mehr Zeit zum Lesen und Malen.“

Wie auch immer – Stefan Lutz-Bachmann ist ein Mensch, der aus tiefster Seele glücklich und zufrieden ist, der andere trägt und mit ihnen ein Stück des Lebens gemeinsam weitergeht und sie an seiner inneren Kraft teilhaben lässt. Ein Vorbild.

Danke!





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Die Friedenskundgebung findet am Freitag, 8. Mai, um 18 Uhr auf der Fieserbrücke statt. Alle Baden-Badener sind aufgerufen teilzunehmen. Bitte bringen Sie unte Fahnen mit! Zum Programm lesen Sie bitte meinen Blogeintrag => KLICK