Menschen
in Baden-Baden, heute:
Michael
B.,
ehrenamtlicher
Sprachlehrer
Heute
möchte ich Ihnen einen Gastbeitrag von Michael B. vorstellen, der
ehrenamtlich einmal die Woche einen Deutschkurs in der Asylunterkunft
in der Westlichen Industriestraße leitet. Michael B. hat private
Gründe, nicht mit vollem Namen genannt zu werden. Ich kenne ihn
gut. Er engagiert sich ehrenamtlich auf vielen Gebieten, nicht nur im
Sprachkurs.
Der
55jährige Antiquar war früher bei einem IT-Giganten beschäftigt.
„Da bin ich um den Globus gerast und habe ständig andere
Nationalitäten und Sprachen kennengelernt, unter anderem auch
Länder, in die man heute keinen sicheren Fuß mehr setzen kann“,
sagt er über sich.
Was
ist seine Motivation für sein ehrenamtliches Engagement mit den
Flüchtlingen in Baden-Baden?
„Ich
denke, das Beste, was wir tun können, ist diesen Leuten
Bildung/Wissen, also einen breiteren Horizont zu vermitteln, um sie
so fit wie möglich zu machen, damit sie eines Tages vielleicht ihr
Heimatland wieder aufbauen helfen können. Vielleicht kann ich die
Welt ein klitzekleines bisschen besser machen.“
Und
dann gibt es mir noch auf den Weg:
„Und
nicht vergessen: Ich bin nur einer von vielen Lehrern hier.“
Folgende
Gedanken hat er vergangenen Dienstag – unter dem Eindruck der
schrecklichen Tragödie, die sich gerade im Mittelmeer abspielte -
auf Facebook gepostet, und ich wollte diesen Beitrag gern möglichst
vielen Menschen weitergeben:
Am
Montag habe ich wieder "meinen" Deutschkurs gegeben. Für
Flüchtlinge. Abgelehnte, Wartende und Leute mit Asylstatus. Viele
von ihnen sind über Libyen und das Mittelmeer gekommen. Ein großer
Teil des Kurses sitzt oder steht draußen in der Sonne, als ich
ankomme - Eriträer, Somalier, Gambier, Nigerianer, Kameruner,
Kosovaren, ein Albaner und ein Pakistani. Trotz der
Mittelmeerkatastrophen sind sie fröhlich - und unterhalten sich alle
miteinander - Gambier mit Nigerianern (politisch/ethnisch eine Welt
voller Hass), Eriträer und Kosovaren auf Englisch. Dem Pakistani,
der kaum Englisch versteht, wird gerade von 4 Nationen lachend etwas
mit Händen und Füßen erklärt, ein Kosovare übersetzt dem Albaner
einen nigerianischen Witz über - Boko Haram(!). In diesem Moment
verstehe ich ein wenig von ihrem, manchmal sehr kurzen Begriff von
Sicherheit. Als sie mich sehen, wird gewinkt und "Guten Morgen!"
gerufen, ein paar kommen auf mich zu, schütteln mir die Hand "Wie
geht es dir?" wird gefragt, der eine oder andere umarmt mich.
Klassenzimmer nicht aufgeschlossen, 10 oder 12 erwachsene Männer
rennen los und bitten den ebenfalls lachenden Hausmeister zum
Aufschließen. Sie wollen alle. Sie sind hungrig. Nach Sprache und
Kulturverständnis. Viele wollen hierbleiben. Einen Beruf nach
europäischen Kriterien lernen - und vielleicht auch, wenn es
irgendwann möglich ist, zurückgehen, in die Heimat. Etwas
mitbringen nach Hause, Know-How, Bildung, Toleranz, Wissen,
irgendetwas, was das Daheim besser macht. Denn dazu sind viele hier.
Familien, manchmal ganze Dörfer oder mehrere Freundesfamilien haben
alle Werte und Ersparnisse zusammengelegt, um EINEM oder ZWEI von
ihnen die Flucht in eine andere, bessere Welt zu ermöglichen. In der
Hoffnung, dass der- oder diejenige überlebt und vielleicht einmal
zurückkommt. Manchmal auch, um sicherzustellen, dass wenigstens eine
Person des Clans überlebt und die Geschichten weitererzählen kann.
Geschichten von Glück, Zufriedenheit, harter Arbeit, Märchen,
Willkür, Erpressung, Folter, Mord, Vergewaltigung, Mordbrennerei und
Entführung. Geschichten aus Paradies und Hölle.
Ich habe immer mehr Frauen im Kurs - das freut mich sehr. Seit ein paar Wochen können mir die ersten in die Augen sehen, drei schütteln mir sogar die Hand, können mit mir lachen. Eine Überwindung und ein Fortschritt im Leben dieser jungen Frauen, den man nur nachvollziehen kann, wenn man weiß, was sie hinter sich haben.
Ach, das sind "Wirtschaftsflüchtlinge", faul, bequem und liegen uns nur auf der Tasche? Mitnichten. Ich weiß, dass ich Gespräche oder Erzählungen über den Fluchthintergrund sofort abbrechen soll. Das tue ich aber nicht, denn ich erlebe keine Traumaerzählungen, sondern nüchtern erzählte, schreckliche Werdegänge. Sie wollen, dass ich verstehe, was sie antreibt und/oder hemmt. Und das ist gut so, denn so kann ich meinen Unterricht noch ein wenig gezielter ausarbeiten.
In diesem Kurs sind zum Dienst gepresste Soldaten, die sich in Grund und Boden schämen, aber noch nie mit dem psychologischen Dienst gesprochen haben, weil sie dieses Angebot rational einfach nicht verstehen. Ich habe einen Apotheker, einen diplomierten Wirtschaftswissenschaftler, Programmierer, Landwirte, Köche, Krankenpfleger, Bürokaufleute, Eventmanager, Ladenbetreiber, Ingenieur, Mechaniker, Schneider, Schreiner usw. in diesem Kurs. Sie wollen alle - etwas zurückgeben durch ihre Arbeitskraft, denn sie sind dankbar für ihr Hiersein. Zwei Kosovaren sind abgelehnt - Wirtschaftsflucht. Verzweifelt sind sie und besuchen jeden Deutschkurs in Baden-Baden - "vielleicht hilft es uns, wenn wir zurück sind, im Kosovo. Vielleicht kommen wir auch wieder - bei uns gibt es einfach nichts." Der Albaner hat panische Angst, dass ihm sein Übersetzerfreund aus dem Kosovo abhanden kommt. Er ist nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber er zeigt mir jeden Montag, dass er lernt und sich durchbeißt.
Der geflohene Pakistani - kann nach 7 Wochen dem Unterricht auf Deutsch und Englisch folgen, hat sich in Eigenregie 3 Deutschbücher besorgt, die er durchackert, atemberaubend schnell.
Ein Nigerianer - er hat es in Eigenregie geschafft, dass sein Ausbildungsabschluss von der IHK und einer europäischen Institution anerkannt wurden. Was für eine Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft.
Die junge Frau aus Eriträa - sieht ihre Karriere als Putzfrau, spricht aber nach 5 Monaten Deutschland bereits hervorragend unsere Sprache. Ihre leuchtenden Augen, als ich sage, "Du bist viel zu intelligent, um immer eine Putzfrau zu sein - du kannst viel mehr werden X!" Sie wird das schaffen.
Die hitzige Debatte von 4 Nationen auf Englisch, die zum Inhalt hat, warum man auf Deutsch etwas so und nicht anders sagt. Ohne mich.
Der junge Mann, der von vier Eriträern zum ersten mal lachend in den Kurs geschubst wird. Er traut sich endlich - und nach einer Stunde lächelt er das erste mal.
Die junge Frau, deren Freund sie in der offenen Tür überzeugt hat, dass sie den Kurs besuchen soll - sie haben sich in der Unterkunft kennengelernt. Sie verabschiedet sich mit den Worten: "Nächste Montag wieder Schule? Ich kommen!"
Vielleicht ist dieser Sprachkurs nicht repräsentativ.
Ich habe immer mehr Frauen im Kurs - das freut mich sehr. Seit ein paar Wochen können mir die ersten in die Augen sehen, drei schütteln mir sogar die Hand, können mit mir lachen. Eine Überwindung und ein Fortschritt im Leben dieser jungen Frauen, den man nur nachvollziehen kann, wenn man weiß, was sie hinter sich haben.
Ach, das sind "Wirtschaftsflüchtlinge", faul, bequem und liegen uns nur auf der Tasche? Mitnichten. Ich weiß, dass ich Gespräche oder Erzählungen über den Fluchthintergrund sofort abbrechen soll. Das tue ich aber nicht, denn ich erlebe keine Traumaerzählungen, sondern nüchtern erzählte, schreckliche Werdegänge. Sie wollen, dass ich verstehe, was sie antreibt und/oder hemmt. Und das ist gut so, denn so kann ich meinen Unterricht noch ein wenig gezielter ausarbeiten.
In diesem Kurs sind zum Dienst gepresste Soldaten, die sich in Grund und Boden schämen, aber noch nie mit dem psychologischen Dienst gesprochen haben, weil sie dieses Angebot rational einfach nicht verstehen. Ich habe einen Apotheker, einen diplomierten Wirtschaftswissenschaftler, Programmierer, Landwirte, Köche, Krankenpfleger, Bürokaufleute, Eventmanager, Ladenbetreiber, Ingenieur, Mechaniker, Schneider, Schreiner usw. in diesem Kurs. Sie wollen alle - etwas zurückgeben durch ihre Arbeitskraft, denn sie sind dankbar für ihr Hiersein. Zwei Kosovaren sind abgelehnt - Wirtschaftsflucht. Verzweifelt sind sie und besuchen jeden Deutschkurs in Baden-Baden - "vielleicht hilft es uns, wenn wir zurück sind, im Kosovo. Vielleicht kommen wir auch wieder - bei uns gibt es einfach nichts." Der Albaner hat panische Angst, dass ihm sein Übersetzerfreund aus dem Kosovo abhanden kommt. Er ist nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber er zeigt mir jeden Montag, dass er lernt und sich durchbeißt.
Der geflohene Pakistani - kann nach 7 Wochen dem Unterricht auf Deutsch und Englisch folgen, hat sich in Eigenregie 3 Deutschbücher besorgt, die er durchackert, atemberaubend schnell.
Ein Nigerianer - er hat es in Eigenregie geschafft, dass sein Ausbildungsabschluss von der IHK und einer europäischen Institution anerkannt wurden. Was für eine Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft.
Die junge Frau aus Eriträa - sieht ihre Karriere als Putzfrau, spricht aber nach 5 Monaten Deutschland bereits hervorragend unsere Sprache. Ihre leuchtenden Augen, als ich sage, "Du bist viel zu intelligent, um immer eine Putzfrau zu sein - du kannst viel mehr werden X!" Sie wird das schaffen.
Die hitzige Debatte von 4 Nationen auf Englisch, die zum Inhalt hat, warum man auf Deutsch etwas so und nicht anders sagt. Ohne mich.
Der junge Mann, der von vier Eriträern zum ersten mal lachend in den Kurs geschubst wird. Er traut sich endlich - und nach einer Stunde lächelt er das erste mal.
Die junge Frau, deren Freund sie in der offenen Tür überzeugt hat, dass sie den Kurs besuchen soll - sie haben sich in der Unterkunft kennengelernt. Sie verabschiedet sich mit den Worten: "Nächste Montag wieder Schule? Ich kommen!"
Vielleicht ist dieser Sprachkurs nicht repräsentativ.
Aber
warum lassen wir solche Leute einfach ertrinken?
*
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