Menschen in Baden-Baden, heute:
Hendrik Bündge
Man
merkt der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden an, dass hier ein junges
Team arbeitet, das viel Spaß an und mit der Kunst hat. Einer von
ihnen ist Hendrik Bündge, Kurator der aktuellen Ausstellung „Nach
dem frühen Tod“. 32 Jahre ist er alt – erst!, möchte man sagen,
oder schon!, wenn man bedenkt, dass manche Künstler, mit denen er sich
in seiner Ausstellung beschäftigt, sein Alter gar nicht erreichten.
Nun,
anders als sie ist der Kurator
quicklebendig und trotzdem erfolgreich – während er anhand der
Künstler beobachtet hat, dass deren Erfolg erst nach dem Tod
eintrat.
Hier ein Beitrag von Baden-TV über die derzeitige Ausstellung => KLICK
Spaß
beiseite - wie wird man denn so jung Kurator? Ein Lebenstraum?
Vielleicht von Kindheit an?
Bündge unterdrückt ein Schmunzeln. Seine erste intensive Begegnung mit der Kunst hatte er
mit 13 oder 14 Jahren, als er mit seinen Eltern Urlaub in der Toskana
machte, verrät er. Da wurde am dortigen Ferienort ein VHS-Malkurs
angeboten, und der Schüler setzte sein gesamtes Ferientaschengeld in
Zeichenblock und Zeichenkohle um.
Aber
das war es dann auch schon mit dem Thema. „In der Schule war unser
Kunstlehrer ständig krank. Wir haben stattdessen Mathe gehabt“,
berichtete Handrik Bündge ganz pragmatisch. Auch sein Leistungsfach
in Abitur hatte nichts mit dem tun, was heute sein Leben ausmacht.
„Ich war auf einem ernährungswissenschaftlichen Gymnasium“, sagt
er mit leichtem Schulterzucken, "da ging es vornehmlich um Zahlen und Formeln". Danach brauchte er noch ein
Jahr Zivildienst, in dem er sich um Senioren und um Behinderten
kümmerte, bis er wusste, wohin sein Weg gehen sollte.
Natürlich
war das Elternhaus in gewisser Weise prägend: Vater und Mutter waren kunstinteressierte Lehrer, die ihre Kinder
früh in die Museen der Welt mitnahmen.
Aber dann war es eher ein
Buch, das die Weichen stellte: "Fliegen ohne Flügel" von Tiziano
Terzani (hier eine Rezension in der FAZ => KLICK) gab den Ausschlag, dass Hendrik Bündge sich für die Kunst
entschied. Zunächst studierte er in Heidelberg Ostasiatische
Kunstgeschichte, dann traf er aber während eines Praktikum beim
Kunstverein Heidelberg auf Johan Holten, und damit begann seine
intensive Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst.
Diese
Auseinandersetzung wurde so intensiv, dass er nur noch selten in die
Universität ging, sondern sich immer mehr auf sein Spezialgebiet
festlegte. Kurz vor dem Universitätsabschluss wechselte Holten als
Leiter zur staatlichen Kunsthalle und Baden-Baden und nahm Bündge
kurzerhand mit, indem er ihm zunächst ein Volontariat anbot. Seit
einem Jahr nun ist Bündge hauptamtlicher Kurator in Baden-Baden. Mit
der Ausstellung „Nach dem frühen Tod“ hat er übrigens
das Thema seiner Magisterarbeit aufgegriffen, in der er sich mit der
Preisentwicklung und -gestaltung in der Kunstwelt beschäftigte.
Wie
viel Vorbereitung in so einer Ausstellung steckt, habe ich gestern
und vorgestern berichtet (=>KLICK und KLICK).
Hat
ein Kurator in so einer großen Ausstellung eigentlich auch einen
Lieblingskünstler?
Bündge
überlegt nicht lange. Eva Hesse vielleicht, sagt er. Es sei ihm
wichtig gewesen, ihre Studio-work-Serie zu zeigen. Nach ihrem Tod
habe man sich nämlich zunächst gefragt, was die Dinge, die man in
ihrem Studio fand, überhaupt waren: Waren es Modelle? Sollten die
Dinge so, wie sie waren, ausgestellt werden? Oder waren es
verunglückte Exponate für den Mülleimer? Wenn der Künstler
stirbt, fehlt plötzlich die Instanz, die ein Werk zum Kunstwerk
erklärt. Wer entscheidet, ob diese Dinge Kunst sind oder nicht? Eine
spannende Frage, nicht nur für Bündge.
Eva Hesse steht leider auch sinnbildlich dafür, dass es die Frauen im Kunstbetrieb - egal ob tot oder lebendig - erheblich schwerer haben als ihr männlichen Kollegen, erfolgreich zu werden.
Spektakulär
auch die Installation von Christoph Schlingensief, der zu Lebzeiten
von Kritikern und Presse geschmäht wurde. In dem Augenblick, als
seine Krebserkrankung und damit sein naher Tod publik wurde, wendete sich
das Blatt, und man begann, seine Kunst anzuerkennen. In der
Ausstellung ist sein „stairlift to heaven“ installiert, ein
Treppenlift, in den sich die Besucher (wohlgemerkt angegurtet – wie
hier der Leiter der Kunsthalle, Johan Holten, während der Pressekonferenz)
selber setzen können und sich zu einem Kästchen hoch oben
an der Wand fahren lassen können. Heben sie dort einen kleinen
Vorhang, sehen sie ein Video, das an ihren Geschmacksnerven kratzt
und kratzen soll...
Wie
sich dieser Stairlift wohl weiterentwickelt hätte, würde der
Künstler noch leben? Bündge: „Mit seinem Tod fand eine
Festschreibung statt, es gibt plötzlich eine Ordnung in
Schlingensiefs Werk, die ihm typische Dynamik fehlt nun.“
Wie
geht es einem Kurator eigentlich, wenn er „fremde“ Ausstellungen
besucht? Sieht er sie mit anderen Augen?
„Man
hat ein Auge für die Gesamtsituation, für die Flyer, man
registriert, ob viel los ist, oder wie der erste Raum gestaltet ist,
man sieht, wenn ein Bild schief hängt, man schaut, wie bei einer Installation die Kabel für die Projektionen verlegt
sind, und es fällt einem auch auf, ob die Reihenfolge der Räume
funktioniert oder nicht..."
Mit
anderen Worten: Freizeit und Arbeit sind nur schwer voneinander zu
trennen.
Wenn
man ihn so reden hört, kann man sich kaum vorstellen, dass noch
etwas anderes in seinem Leben Platz hat neben der Kunst. Ist das so?
Sagen
wir mal – fast. Natürlich liest er gerne, Romane hauptsächlich,
Konzerte und Theater stehen ebenso auf seinem Freizeitprogramm, das
also eindeutig kulturell geprägt ist. Joggen in der Allee steht da
eher nicht an. Aber natürlich interessiert ihn auch, was
in der Modewelt passiert oder im Filmgeschäft.
Und dann wäre da
noch das Reisen: China
ist und bleibt weiterhin seine Leidenschaft. Gerne erinnert er sich
an Exkursionen nach Peking und Shanghai - „ein Stück von mir ist
dort geblieben“, sagt er schlicht.
Und
was ist eigentlich aus seinem eigenen Exkurs in die Welt der Malerei
geworden? Gab es nach dem Selbstversuch in der Teenagerzeit weitere
Malversuche? Bündge runzelt die Stirn und schweigt, dann gibt er
sich einen Ruck. „Ich wusste gleich, dass das keine Zukunft hat“, sagt er vorsichtig. Seine Kohlezeichnungen von damals hängen allerdings
immer noch im Elternhaus. „An denen gehe ich lieber mit
geschlossenen Augen vorbei."
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