Freitag, 22. September 2023

Wanderausstellung "hope in darkness"

 

Der Hoffnung im Dunkeln

eine Stimme geben




Man kann und möchte es sich lieber nicht vorstellen:

Schule? Verboten.

Studium? Verboten.

Beruf ausüben? Verboten.

Haus verlassen? Verboten.

Als Frau eine Ärztin aufsuchen? Ärztin? Welche Ärztin? Es gibt keine. Denn: Frauen haben Chance auf Bildung, auf Studium, auf Berufe und dürfen das Haus sowieso nicht verlassen.

Ein Alptraum!

Und doch Wirklichkeit, Alltag für Millionen Frauen in Afghanistan unter dem Regime der Taliban.

Aber sie geben nicht auf. Sie leben und sie träumen. Sie träumen von Freiheit. Und von Bildung. Von einem neuen, anderen Leben. 

 



Einige von ihnen, 35 Künstlerinnen im Verborgenen, malten sich ihr Träume aus, im wahrsten Sinne des Worten, sie malten nicht nur Träume sondern auch Alpträume, den Alltag eben. Eindrückliche Bilder, die man nicht so schnell vergisst. Einige dieser gemalten Träume haben nun – auf verbotenen, gefährlichen, geheimen Routen – ihren Weg zu uns gefunden, nach Baden-Baden.

Noch bis kommenden Dienstag, 26. September, werden diese Bilder, zusammen mit ihren zu Herzen gehenden schriftlichen Botschaften, im Rahmen der interkulturellen Wochen im Alten Dampfbad am Marktplatz gezeigt. Der Weg lohnt sich, ach, eigentlich ist er ein MUSS für alle Baden-Badener, deren Herz noch nicht zu Stein geworden ist.

 



Iska Dürr, die Leiterin des städtischen Fachgebiets Bildung und Soziales, sprach den 35 mutigen Künstlerinnen in Afghanistan bei der Eröffnung der Ausstellung ihren großen Respekt aus. Die Bilder gäben einen kleinen Eindruck wieder, wie Frauen und Familien derzeit unter den Taliban lebten und mit welchen Bedingungen sie sich arrangieren müssten, sagte sie, und dieser Einblick erfülle sie mit Beklemmung, Wut und Mitgefühl.

Arezo Ahmady, die wie eine Botschafterin der unterdrückten afghanischen Frauen wirkte, verdeutlichte, was es heißt, nicht in die Schule gehen zu dürfen, nicht zu studieren oder arbeiten zu dürfen. Die studierte Mathematiklehrerin bat die internationale Gemeinschaft, die Taliban nicht anzuerkennen und aufzuhören zu schweigen. „Sie können die Stimme dieser Frauen sein, helfen Sie ihnen!“ 

 



Als die 17jährigen Gymnasiastin aus Rastatt, Khadija Husseini, das Wort ergriff, schnürte es so manchem Ausstellungsgast die Kehle zu. Seit sieben Jahren lebt sie in Deutschland, und wie die Frauen in Afghanistan hat auch sie Wünsche und Träume und Ziele. „Aber im Gegensatz zu ihnen habe ich habe die Chance, diese zu verwirklichen“, sagte sie, „denn ich lebe hier in einem sicheren Zuhause, gehe auf sicheren Wegen in eine sichere Schule.“ Millionen afghanischer Frauen hätten diese Chance nicht. Aber auch sie könnten zumindest in gewissem Maße frei sein, dann nämlich, wenn sie Musik machten, wenn sie tanzten und wenn sie Kunstwerke malten. „So können sie beweisen, dass sie existieren.“

Als sie selber Kind gewesen sei, habe sie ihre Mutter gefragt, was deren größter Wunsch sei. „Dass alle meine Kinder gesund sind,“ habe diese geantwortet. „Und bevor wir da waren? Was war da dein größter Wunsch gewesen?“ Ihre Mutter habe tief durchgeatmet. „Zur Schule zu gehen“, habe sie dann leise geantwortet. Khadija Husseini: „Da brach mein kleines Herz, denn ich wusste, wovon sie sprach.“ Sehr jung sei sie damals gewesen, aber sie habe sich in diesem Augenblick ganz bewusst und fest vorgenommen, jede Chance zu nutzen, die sie je bekäme. Und ihre Mutter habe ihr dies ermöglicht – indem sie mit ihren Kindern nach Deutschland flüchtete.

 



Kunsttherapeutin Lisa Käufling erläuterte, dass es in den ausgestellten Bildern immer wieder um Freiheit geht, Freiheit als Menschen- und als Geburtsrecht. „Wenn man zu malen beginnt, nimmt man sich diese Freiheit, auch wenn es schmerzhaft ist.“

Das Besondere an dieser Ausstellung ist übrigens, dass zwei Männer sie initiiert haben: Ahmad Hamid Wahidy, Sozialwissenschaftler und Professor an der Herat Universität in Afghanistan, ist selber Flüchtling, und lernte bei einem Angebot der Diakonie Rastatt für geflüchtete Männer den Gärtnermeister Jiri Pohludka kennen. Beide beschlossen, zusammen mit dem überwiegend von afghanischen Frauenaktivistinnen (in Deutschland und noch in Afghanistan) getragenen Verein „Hope in Darkness“ die Wanderausstellung zusammenzustellen.

„Wir können nichts machen, was können wir machen? Die Welt sieht uns nicht.“ Diese verzweifelten Sätze afghanischer Frauen hätten ihn zum Nachdenken gebracht, sagte Hamid Wahidy, und die Überlegung, was man für diese Frauen tun könnte, gipfelte in dieser Wanderausstellung, die kürzlich in Rastatt ihren Anfang nahm. Zur dortigen Eröffnung waren übrigens per WhatsApp einige der Künstlerinnen aus Afghanistan zugeschaltet, berichtete Svetlana Bojcetic von der Projekt- und Ehrenamtskoordinierung Integration der Stadt Baden-Baden. Auf diese Weise erlebten diese Frauen hautnah, dass sie eben doch gesehen werden.

Wer ihnen eine Botschaft schreiben möchte, kann dies übrigens tun: Entsprechende Formulare liegen während der Ausstellung im Alten Dampfbad aus. Die Texte werden übersetzt und den Frauen zugeleitet. 

 

von links: Arezo Ahmady, Hamid Wahidy, Khadija Husseini, Lisa Käufling
  

Die Ausstellung ist nur kurz, nur noch bis einschließlich Dienstag, 26. September täglich zu sehen, sowohl am Wochenende als auch am Montag; zwischen 11 und 15.30 Uhr wird immer jemand vor Ort sein. Danach geht die Ausstellung weiter auf Reisen durch Deutschland, bis nach Berlin.

Das Programm der interkulturellen Wochen =>  http://ikw-bad.de/

Die Ausstellung => https://hope-in-darkness.de/2023/09/06/austellung-in-baden-baden/