Montag, 11. September 2023

Oskar Schlemmer wird geehrt

 

Ein kleiner Platz für 

einen großen Künstler

 

Nächste Woche, Montag, 18. September, 17 Uhr, tagt der Hauptausschuss des Gemeinderats. Unter anderem soll darüber abgestimmt werden, den Platz zwischen Fremersbergstraße und Bismarckstraße in Oskar-Schlemmer-Platz umzubenennen.

 


 

Hier geht es zur ausführlichen Beschlussvorlage => https://baden-baden.more-rubin1.de/vorlagen_details.php?vid=20230409100289

Der Muschelträgerbrunnen auf dem Platz hat übrigens eine bewegte Geschichte, wie auf Stadtwiki nachzulesen ist. 

=>  https://www.stadtwiki-baden-baden.de/wiki/Muscheltr%C3%A4gerbrunnen/

Die Figur des Muschelträgers wurde 2014 gestohlen und wurde auf Initiative von Nachbarn und der Gesellschaft der Freunde junger Kunst dank zahlreicher Spenden wiederhergestellt.

Nun also soll der Platz umbenannt werden. Dies ist eine gute Initiative.

Und zweifellos ist Oskar Schlemmer ein großer Künstler! Aber die Frage sei erlaubt:  Was verbindet ihn mit Baden-Baden? Antwort: Nur eines: Schwer erkrankt suchte er 1943 die hiesige „Anstalt für Kreislauf- und Stoffwechselkranke“ auf, starb aber bereits nach nur drei Tagen. 

Die Landeszentrale für politische Bildung schreibt über den Künstler => https://www.hausaufderalb.de/oskar-schlemmer



Wikipedia-Eintrag über Oskar Schlemmer => https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Schlemmer

70 Jahre nach seinem Tod wurde er 2013 posthum mit dem städtischen Kunstpreis „Künstler in Baden-Baden“ bedacht, und die Gesellschaft der Freunde Junger Kunst (Gfjk) richtete eine Ausstellung im Alten Dampfbad für ihn aus.

Nun hat die Gfjk angeregt, einen Platz nach ihm zu benennen, und die Verwaltung greift den Vorschlag auf und schlägt dem Hauptausschuss, und danach dem Gemeinderat, vor, dem Antrag zu folgen. Auch die Bushaltestelle soll umbenannt werden. So weit, so gut. Dies ist aus Sicht der Gfjk auch vollkommen berechtigt. Schön, dass diese Initiative so schnell umgesetzt wurde!

Es sei jedoch eine Zusatz-Anmerkung erlaubt: Vor einigen Jahren, 2018, hat der Arbeitskreis Stolpersteine zusammen mit dem Bündnis „Baden-Baden ist bunt“ im Zuge der groß angelegten Aktion „Eine Stadt liest ein Buch: Gerhard Durlacher „Ertrinken“ angeregt, einen Platz oder eine Brücke oder eine Straße nach Gerhard Durlacher, einem gebürtigen Baden-Badener, zu benennen. Die Stadtverwaltung versprach, seinen Namen in eine Liste aufzunehmen, aus der bei Bedarf geeignete Namen für Neu- oder Umbenennungen ausgesucht werden.

 

 

Hier geht es zu der Aktion, die über mehrere Jahre immer wieder mit neuen, spektakulären Veranstaltungen von sich reden machte und in einem wunderbaren Buch mit vielen einfühlsamen Fluchtgeschichten mündete. =>

https://baden-baden-liest.blogspot.com/

Gerhard Durlacher verbindet mit der Stadt Baden-Baden wesentlich mehr als ein nur dreitägiger Aufenthalt in der Stadt: 

Gerhard Durlacher wurde 1928 geboren und wuchs als Kind jüdischer Eltern in Baden-Baden auf. 1937 flüchtete er als 8jähriger mit seinen Eltern aus dem nationalsozialistischen Baden-Baden nach Holland. Er überlebte als einziger seiner Familie das Todeslager Auschwitz- Birkenau. Nach der Befreiung 1945 kehrte er nach Holland zurück und wurde später Dozent der Soziologie an der Universität in Amsterdam. Er starb 1996 in Haarlem.

 

Video von Georg von Langsdorff => https://www.youtube.com/watch?v=r4Ij0rPVYzY

 

Seine Kindheitserinnerungen an die Zeit, als der Nationalsozialismus sich in den Alltag der Menschen auch hier in Baden-Baden schlich, hat er in seinem sehr eindringlichen, leicht lesbaren Buch "Ertrinken" niedergeschrieben. Nirgends war es warm und sicher“– so beschreibt Gerhard Durlacher seine vom Nationalsozialismus überschattete Kindheit in Baden-Baden: Spielkameraden lassen den 7jährigen im Stich, die Nerven der Eltern liegen ständig blank. Immer wieder muss er Abschied nehmen – von seinem christlichen Kindermädchen oder seiner Hündin Senta, die vor der bevorstehenden Flucht nach Holland eingeschläfert werden muss. In seinem Buch "Ertrinken. Eine Kindheit im Dritten Reich" erzählt der Soziologe und Schriftsteller von zunehmender Ausgrenzung, Diskriminierung und Heimatverlust. Sein Fazit: „Unzählige Deutsche, gleichgültig oder vor Angst gelähmt, sahen uns direkt vor ihren Augen ertrinken. Nur einzelne Mutige (...) retteten einen Ertrinkenden aus den Fluten“.

=> https://baden-baden-liest.blogspot.com/p/g-durlacher.html

Schade, dass Gerhard Durlacher diesmal also nicht berücksichtigt wurde. Er hätte eine solche Ehrung mindestens genauso verdient wie Oskar Schlemmer, meine ich. Aber noch ist es nicht zu spät. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal? Ich bitte die Verwaltung jedenfalls sehr herzlich, Gerhard Durlacher ganz nach oben auf die Vorschlagsliste zu setzen!

Gerhard Durlachers Buch "Ertrinken" gibt es übrigens nach wie vor bei in der Buchhandlung Straß.