SPD – Dritte Woche
Ablehnung des Sozialtickets ist frustrierend
Montag, 24. Juli 2023. Nach Beobachtung der heutigen Gemeinderatssitzung bin ich um eine Frustration reicher. Ich kann es kaum glauben, dass die Mehrheit des Rates gegen das Sozialticket (20 Euro Zuschuss monatlich für Busfahrtkarte) für Asylbewerber gestimmt hat.
(Ergänzung: Gestern ging es um die Erweiterung des Personenkreises. Das Sozialticket selbst wurde im März 2020 eingeführt und galt für folgende Personenkreise:
1.) alleinerziehend und Bezug von Leistungen des Jobcenters, Kinder zwischen 7 und 18 Jahren sind ebenfalls ansruchsberechtigt.
2.) Alleinerziehend und Bezug von Wohngeld, auch für Kinder zwischen 7 und 18 Jahren.
3.) Über 60 Jahre und Bezug von Wohngeld.
4.) Bezug von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt)
Hat der Block der Konservativen sich wirklich sorgfältig auf diesen Tagesordnungspunkt vorbereitet? Ich glaube nicht. Sonst hätte man nicht die Flüchtlinge aus der Ukraine, die zur Zeit in unsere Stadt strömen, in einem Atemzug mit diesem Projekt genannt. Es müsste doch gerade Stadträten der Unterschied zwischen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und dem Kreis der Asylbewerbern klar sein. Wenn nicht, könnte man nachfragen, oder zumindest hinhören, wenn Bürgermeister Roland Kaiser den Unterschied erklärt. Statt dessen werden Parolen ausgeben, die mich erschrecken. Meinen die Räte wirklich, ein Gutschein-Zuschuss von gerade mal 20 Euro für die Fahrten zum Sprachkurs oder zur Kita sei ein Anreiz für Menschen aus anderen Kontinenten, nach Baden-Baden zu strömen? Hier wird ja nun wirklich alles in einen Topf geworfen.
Eigentlich erscheint es mir nutzlos, diese Zeilen zu schreiben, das Kind ist ja nun leider in den Brunnen gefallen. Die Ärmsten der Armen bekommen keinen Brotkrümel vom Tisch, der reich gedeckt ist, denn die Geldmittel sind da, sind ja längst im Haushalt eingestellt worden.
Um was geht es? Die Einführung des Sozialtickets für sozial schwache Bürger/innen vor einigen Jahren war von Anbeginn mit dem Wunsch der Grünen und der SPD verknüpft, auch Menschen mit einzubeziehen, die Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Das sind Menschen, die vor Krieg, Bürgerkrieg aber, ja, auch vor dem Verhungern zu uns geflohen sind. Sie dürfen, bis geklärt ist, ob sie ein Recht auf Asyl haben, im Land bleiben. Sie suchen sich Baden-Baden nicht als Wunschwohnort aus, sondern werden nach einem Verteilungsschlüssel in die einzelnen Städte zugewiesen, anders als die Flüchtlinge aus der Ukraine, für die Sonderregelungen gelten. Um die geht es hier aber nicht.
Es geht um Asylbewerber. Und die sind hierzulande nun wahrlich nicht auf Rosen gebettet. Damit sie nicht vor unseren Augen verhungern oder auf der Straße schlafen müssen, bekommen sie, solange ihr Asylverfahren läuft, Unterstützung nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz. Das sind zum Beispiel für eine Einzelperson in den ersten 18 Monaten gerade mal 410 Euro im Monat, arbeiten dürfen sie in dieser Zeit in der Regel nicht. Die meisten nutzen die Wartezeit, um sich vorzubereiten, also um Deutschkurse zu besuchen. Nur so kann ihre Integration gelingen, denn ohne Deutschkenntnisse gibt es später keinen Job, nicht mal einen Hilfsarbeiterjob. Diese Sprachkurse, die für das Asylverfahren übrigens Pflicht sind, finden in der Regel in der Volkshochschule statt, und um dorthin zu gelangen, sind viele auf den Bus angewiesen. Und der ist teuer. Eine Einzelfahrt im Stadtgebiet (2 Waben) kostet ab August 3,10 Euro, die 9-Uhr Monatskarte für 2 Waben 76,80 Euro. Da ist ein Zuschuss von monatlich 20 Euro ein Segen, wenn auch nur ein Tropfen aus den heißen Stein.
308 Asylbewerber wären zur Zeit anspruchsberechtigt. 64 Prozent von ihnen brauchen das Busticket, um zum Sprachkurs zu gelangen, 28 Prozent, um ihre Kinder zur Kita zu bringen, und acht Prozent benötigen es, um zu ihrer Arbeitsstelle zu kommen. Die Erfahrung zeigt, dass ohnehin nicht jeder diese Leistung annimmt. Würden 50 Prozent einen solchen Antrag stellen, würde sich der finanzielle Aufwand für die Stadt auf 37.000 Euro im Jahr belaufen. Geld, das bereits da ist. Denn für das bisherige Sozialticket (für alleinerziehende und/oder erwerbsgeminderte Personen sowie von Altersarmut Betroffene) wurden in den vergangenen Jahren längst nicht alle Gelder ausgegeben. 291.000 Euro waren einkalkuliert, nur 115.000 Euro wurden ausgegeben.
Es ist also keine Geldfrage, sondern eine Frage der Menschlichkeit und eine Frage, wie ernst man Integration nimmt. 14 Stadträte (SPD und Grüne) stimmten dafür, der Rest des Rates war (mit einer Enthaltung) trotz all dieser Fakten - und gegen die Empfehlung der Sozialverbände! - dagegen. Bei der Ablehnung ging es allerdings überhaupt nicht um Asylbewerber, sondern die CDU-Fraktion argumentierte ausdrücklich mit der „erdrückenden Masse der Flüchtlinge aus der Ukraine“. Und man habe kein Verständnis, Flüchtlingen auch noch durch freiwillige Finanzleistungen Anreize zu schaffen, nach Baden-Baden zu kommen.
Diese Unkenntnis der Sachlage hat mich – ehrlich gesagt – ziemlich schockiert.
Mehr Informationen zum Sozialticket und die Position der SPD-Fraktion finden Sie hier => https://www.spd-baden-baden.de/meldungen/das-sozialticket-muss-in-baden-baden-fuer-alle-von-armut-betroffenen-gelten/