Jan St. Werner: der Klang als Kunstobjekt
„Hast du Töne!?“ - Für die einen ist dies nur eine Redensart, für Besucher der staatlichen Kunsthalle in Baden-Baden hingegen stellt sich diese Frage bzw. dieser Ausruf unwillkürlich, wenn sie in die neue Ausstellung „Space Synthesis“ stolpern. (Vorsicht auf der Treppe im Halbdunkel!) Jan St. Werner, Künstler und Komponist aus Berlin, gibt in seiner ersten Einzelausstellung alles, was man unter Ton oder Klang verstehen kann. In den Räumen der Kunsthalle schallt es mal tief und dunkel, mal hell und klar, ohne Melodie, einfach nur Töne. Klang.
Ratlos steht man da und schaut sich in den leeren Räumen um. Stellt winzige Veränderungen fest – hier ist ein Oberlicht geöffnet, dort der Fußboden fast unmerklich angehoben. Man wandert herum auf der Suche nach dem Sinn und nimmt die Klänge irgendwann mehr oder minder unbewusst immer wieder etwas anders wahr. Sie sind überall und immer, Endlosschleife, eine Stunde lang. Oder – nun ja, nicht so ganz: Plötzlich schreckt man aus den Gedanken hoch, hört noch einmal genauer hin. Was ist das? Stille? Ist das gewollt? Oder – aber nein, ein leises Säuseln gibt es ja noch. „Das ist nur die Klimaanlage“, frohlockt die Chefin der Kunsthalle, Çağla Ilk. Sie freut sich sichtlich, dass jemand die Stille bemerkt hat. Lektion gelernt!
Auch der Künstler selbst ist dankbar für fragende Gesichter. „Schön, dass Sie ratlos sind. Dann wirkt es also!“ Seit drei Jahren begleitet Werner nun schon das neue Führungsteam der Kunsthalle, hat in dieser Zeit die Räumlichkeiten bis ins Effeff kennengelernt, weiß, wie sich die Akustik wo verhält, hat eigens für die Räume seine Klänge komponiert, die nun aus den Lautsprechern quellen.
Der abgedunkelte großen Saal der Kunsthalle, der sonst Hauptort ist, soll diesmal nur als Durchgang fungieren. Bis auf Lautsprecher und Scheinwerfer ist der Raum leer. Kein Bild, keine Skulptur, nichts, was man üblicherweise mit dem Begriff „Kunst“ verbindet. Und genau das ist, was uns diese Ausstellung sagen will: Es gibt noch eine weitere Art von Kunst, nämlich den Klang, und der sei bislang in seiner Reinheit absolut vernachlässigt worden, betont Ilk. Hier nun hat der Klang seine Bühne. Man kann ihn erhören, erleben, sitzend auf rollbaren Würfeln, auch gerne auf dem Boden liegend (Matratzen kommen noch), dazu kommen als Ablenkung Licht und Schatten und kleine architektonische Veränderungen, die den Schall brechen, je nachdem, wie und wo man ihn wahrnimmt. Melodien darf man aber nicht erwarten.
Es ist eine Ausstellung, die verwirrt und provoziert. Was soll der Zuschauer davon halten? Nun, das bleibt ihm selbst überlassen. Die Macher sind sich klar darüber, dass nicht jede/r etwas damit anfangen kann. Die Frage ist nur: Bleibt der Besucher 90 Sekunden oder 90 Minuten? Man hofft auf „möglichst lange“. Also gibt es Hilfen. Sowohl als Erklärblatt, das man sich auf den Rundgang mitnehmen kann, als auch im kleineren „Synch-Raum“, der sich hinten an den großen Saal anschließt. Der fungiert als Übersetzungsbüro sozusagen. Hier gibt es an den Wochenenden immer wieder mal eine Performance von Künstlern, die mit dem Publikum direkt in Kontakt treten und auf diese Weise eine gemeinsame Dialogmöglichkeit schaffen. Gleichzeitig sind Künstler und Publikum aber auch Teil einer wissenschaftlichen Arbeit, die diese Ausstellung dokumentieren wird.
Heute, Freitag, 5. Mai 2023, ist ab 18 Uhr die offizielle Eröffnung bei freiem Eintritt für alle Interessierte, ab 22 Uhr steht DJ-Set Andi Toma und um 23, Uhr Nina Emge auf dem Programm. Morgen wie gesagt, gibt es um 14 Uhr eine Performance, die dem Publikum vielleicht mehr Verständnismöglichkeiten an die Hand geben wird. Sie findet im Synch-Raum statt, in dem auch eine kleine Retrospektive mit Werken Werners installiert ist. Manche Baden-Badener erinnern sich vielleicht noch an seine erste Klanginstallation vor zwei Jahren, als er ein Mikrofon in der Oos platziert hatte und die Klänge des Wassers bis in die Kunsthalle übertrug. Um 17 Uhr gibt es außerdem noch ein Künstlergespräch mit Çağla Ilk und Jan St. Werner. Am Sonntag, 7. Mai gibt es um 14 Uhr „Curators Walk and Talk“ und um 15 Uhr „Launch LP Space Synthesis mit Performance“. Weitere Wochenendprogramme sind für den 20./21. Mai und 17./18. Juni sowie 2./3. Juli geplant.
Freitags freier Eintritt.
Weitere Informationen zum Programm auf der Webseite der Kunsthalle => https://kunsthalle-baden-baden.de/program/jan-st-werner-space-synthesis-programm/