"Wir"-Suche am Goetheplatz spannt
Bogen von Faust bis Lehman Brothers
„Wir“
sind das Volk - „Wir sind für Europa“ - „Wir müssen das
Abendland retten“ - unsere Gesellschaft ist heutzutage geprägt von
Gruppenmeinungen, die aus unterschiedlichen Richtungen das
„Wir“ für sich proklamieren. Darüber gilt es nachzudenken,
entschloss sich Theaterintendantin Nicola May und kreierte zusammen
mit ihrem Team das Motto der neuen Spielzeit am Goetheplatz: „Wer
ist Wir?“ will das Ensemble mit vielen unterschiedlichen
Aufführungen ergründen. Gestern wurde das neue Programm des
Theaters vorgestellt, das einen Bogen spannt von der
Oktoberrevolution in Russland 1905 bis zum Beginn der
Wirtschaftskrise durch den Zusammenbruch der Lehman-Brothers.
Gleichzeitig
erinnerte die Intendantin auch an einige Jahrestage, die speziell in
Baden-Baden gefeiert werden können: Vor 25 Jahren (1989 bis 1992)
zum Beispiel wurde das Gebäude komplett renoviert und saniert –
was man mit sehr eindrucksvollem Vorher-Nachher-Fotografien im
Jahresprogramm dokumentiert hat – und seit einhundert Jahren gibt
es am Theater Baden-Baden bereits ein festes Schauspielensemble.
Stadt und Land hätten allen Grund, sehr stolz sein, meinte May: Es
sei „ein großer Schatz – sowohl was für das Haus geleistet
worden ist, als auch, was das Haus aus sich heraus für die
Bevölkerung leistet.“
Grund
genug zur Freude also!
Und
so stürzen sich die 17 fest angestellten Mimen nun in ihre
ambitionierte, komische, musikalische, spannende und unterhaltsame
Arbeit und bieten dem Publikum alles, was das Herz nur begehren kann.
„Faust“-Liebhaber
zum Beispiel werden nächstes Jahr voll auf ihre Kosten kommen: Nicht
nur, das Faust I wieder aufgeführt wird, nein, Regisseur Harald
Fuhrmann konnte auch gewonnen werden, den zweiten Teil auf die Bühne
zu bringen. Für ganz hartgesottene Begeisterte wird es den Faust
daher sogar im Doppelpack geben: Entweder an einem Sonntag (4.
Februar 2018) hintereinander um 14 (Teil 1) und um 19 Uhr (Teil 2),
oder an einem Wochenende Samstag, 21. April um 20 Uhr (Teil 1) und
Sonntag, 22. April (Teil 2).
Das
zweite Großprojekt der Saison ist die Geschichte der Lehman
Brothers, die am 27. und 28. April 2018 Premiere feiert. In sehr
einfacher Sprache werden hierbei die komplizierten Zusammenhänge
erklärt, die schließlich zur großen Wirtschaftskrise 2008 geführt
haben. Bei diesem Stück befinden sich die Zuschauerplätze übrigens
auf der Bühne, deshalb ist die Platzanzahl begrenzt, so dass es auch
zwei Premierentermine geben wird.
Neben
diesen Großprojekten feiert zum Beginn der Saison am 9. September
Maxim Gorkijs Vorrevolutions-Drama „Kinder der Sonne“ Premiere.
Es folgen das fetzige Rockmusical „Fast normal“ (Premiere 21.
Oktober), die wortwitzige Familienkomödie „Bella Figura“ von
Yasmina Reza (10. November), sowie „Sonny Boys“, eine
augenzwinkernde Hommage an den Beruf des Schauspielers (9. Februar
2018) und als Klassiker Max Frischs „Biedermann und die
Brandstifter“ (18. Mai 2018).
Im
Frühjahr wird es wieder eine Koproduktion mit den Osterfestspielen
geben: Mozarts Oper „La Finta Giardiniera“ wird das Publikum ab
25. März entzücken. Und im Sommer begibt sich das Theater wiederum
ins Freie und wird ab 15. Juni 2018 den Marktplatz mit Shakespeares
„Der Widerspenstigen Zähmung“ beleben. Regisseurin Jenke Nordalm
werde dafür sorgen, dass dieses Stück nicht frauenfeindlich
herüberkommt, verriet Chefdramaturgin Kekke Schmidt auf der
Pressekonferenz.
Highlight
für die Kinder wird natürlich wieder das allseits beliebte
Weihnachtsmärchen sein, das sich diesmal dem stärksten Mädchen der
Welt zuwendet: „Pipi Langstrumpf“ wird ab 26. November die
kleinen Theatergänger (ab fünf Jahren) ins Theater locken.
Leona
Lejeune stellte außerdem noch das Programm des „Jungen Theaters“
vor, das die Stücke „Auerhaus“, „Die Reise zum Mittelpunkt der
Erde“ und „Was sind wir und was hat Barbie damit zu tun“ im TIK
aufführen wird. Das Programm werde aber im Herbst noch einmal
gesondert vorgestellt, hieß es.
Bleibt
noch zu erwähnen, dass natürlich keine Theatersaison ohne ein Solo
von Max Ruhbaum denkbar ist. „Wer ist Max?“ heißt dessen
Auftritt ab 5. April 2018 folgerichtig.
Desweiteren
spannt das Theater seinen Schirm an Wiederaufnahmen auf: Neben Faust
I gibt es wieder beziehungsweise weiterhin die erfolgreichen
Dauerbrenner „Tartuffe“ (auch an Silvester), „Der tolle Tag
oder Figaros Hochzeit“, „Anatevka“, im Spiegelfoyer sind „Das
Fräulein von Scuderi“, „Switzerland“ und „Am Hang“ zu
sehen, sowie im TIK, bzw. mobil: „Patricks Trick“ und „Ronny
von Welt“. Dass "Fit dürs Abi in 5 Tagen" weiterläuft, steht ebenfalls außer Frage.
Was
bleibt? Die Hoffnung auf eine ähnlich erfolgreiche Spielzeit wie
2015/16. Da strömten sage und schreibe 70 000 Zuschauer ins Theater
Baden-Baden. Und noch ein Termin zum Vormerken: Am 23. September wird
wieder das beliebte Theaterfest gefeiert.