Schuhe
aus und rein ins Kunst-Vergnügen!
Ja,
richtig: Wer die neueste Ausstellung in der staatlichen Kunsthalle
ansehen möchte, muss zuerst die Schuhe ausziehen – am besten auch gleich
die Strümpfe mit dazu. Nur dann kann man mit allen Sinnen Kunst
erleben – oder jedenfalls das, was Michael Müller darunter
versteht.
Wir – die etwas zaghaften Laien – müssen diese Kunst
nicht verstehen, sondern sollen einfach nur Spaß daran haben. Wir können
durch feinen Quarzsand laufen, durch nassen Lehm waten und über weichen Teppichboden schreiten, wir
können "nicht sichtbare Kunst" erleben und blinde Fische bestaunen
oder uns in ein beklemmendes dunkles Verließ begeben, dessen
verschmutzte Kacheln ab und zu durch eine unregelmäßig flackernde
Neonröhre erhellt werden (die übrigens im Morsealphabet Homers
Odyssee nacherzählt) – kurz: Uns einfach überwältigen lassen.
Denn genau ist das Ziel dieser Ausstellung „SKITS.13 Ausstellungen
in 9 Räumen“.
Allein
die Installation der Ausstellung in den vergangenen WOCHEN hat vom
Team der Kunsthalle, allen voran Kurator Hendrik Bündge, alles
abverlangt. Aber es hat sich gelohnt.
Was kann man sehen? Was will
uns der Künstler Michael Müller sagen?
Kunsthallen-Chef
Johan Holten lächelt verschmitzt. „Das kann man nicht auf einen
Satz beschränken oder gar zum Hashtag herunterkürzen“, sagt er
den Pressevertretern am Tag vor der offiziellen
Ausstellungseröffnung. Diese Ausstellung könne man niemals ganz
erfassen.
Was
ist Kunst? Das fragt man sich daher auch unweigerlich, wenn man
staunend durch die verwandelten, verfremdeten Räume streift. Und
während man sich wundert und staunt und fühlt und lächelt –
erfährt man ganz nebenbei und unbewusst eben doch die Antwort auf diese
Frage...
Der
große Saal ist mit Sand bedeckt, man darf und soll hindurchwaten!
Ein Baumgerippe ragt heraus, halbnackte junge Menschen streicheln
Steine oder harken Sand in Zeitlupe, später werden sie, begleitet
von sphärenhafter Musik, den Pressevertretern eine Kostprobe dessen
geben, was das Publikum heute Abend zur Eröffnung erwarten wird: Die
vierstündige „Dritte Probe für Nietzsches Geburtstagsparty 2313“
... Klingt verrückt? Ist es auch ein bisschen. Vielleicht. In gewisser Weise. Nach der Kostprobe gestern kann ich nur allen Besuchern von heute Abend raten:
Lassen Sie sich darauf ein. Setzen sich an den Rand der Halle, hören Sie und sehen Sie zu.
Schütteln Sie alles zunächst Befremdliche ab. Sie werden mit einem
intensiven Erlebnis belohnt. Hier Fotos der gestrigen Performance vor
der Presse:
Was
kann man sonst noch sehen? Einen Raum voller kryptischer Traktate –
Michael Müllers Version von Robert Musils „Mann ohne
Eigenschaften“, in jahreslanger Kleinarbeit übertragen in eine
eigens erfundene Schrift namens K4... (Derzeit existieren 240 000
Einzelzeichen...)
Ein ausgestopfter Kakadu vor einem Spiegel mit
Sprechblase.
Wände voller Anglerglück-Fotos.
Eine Ansammlung von
Tonplastiken, so viele, wie der Künstler an einem Tag formen konnte.
Fische - vor einem Bild, das nur sie sehen könnten, wären sie nicht blind.
Ein Originalgemälde von Jan Brueghel, dem Jüngeren.
Eine
Verfremdung Dürers.
Eine „Passage auf dem Nil“ inklusive nassem
Ton, durch den man waten darf (Seife und Handtücher warten am Ende
der Installation; wer Glück hat, dem wäscht der Künstler auch
eigenhändig die Füße.)
Gestapelte Plastiksessel.
Eine Abhandlung
über die Farbe Rosa.
Und, und, und... Wie gesagt, es ist nicht Sinn
des Rundgangs, alles zu erfassen. Und erst recht nicht, alles zu
verstehen. Aber es wird ein absolut unvergessliches Erlebnis sein.
Und doch, sehr geehrter Herr Holten, gibt es sehr wohl einen Hashtag: #„Wow“!
Heute um 19 Uhr wird die Ausstellung feierlich eröffnet, der Eintritt ist frei.
Die
Ausstellung ist ab morgen bis 19. Februar 2017 zu sehen.
Eintritt 7 Euro, montags geschlossen, freitags
ist der Eintritt frei. Öffentliche Führungen jeden Freitag um 15
Uhr. Audioguide in deutscher Sprache steht kostenlos zur Verfügung,
Führungen in Fremdsprachen auf Anfrage möglich.
Und hier noch ein paar Links:
1.) Interviews von ZDF-Aspekte:
Mit dem Künstler Michael Müller => KLICK
Mit dem Kurator Hendrik Bündge => KLICK
Mit Kunsthallenchef Johan Holten => KLICK
2.) Webseite des Künstlers Michael Müller => KLICK
3.) Wikipedia => KLICK
4.) Und natürlich ein Experten-Bericht auf dem Blog Mercurius-Baden-Baden.de => KLICK
https://www.zdf.de/kultur/aspekte/johan-holten-interview-100.html