Menschen in Baden-Baden, heute:
Johannes Grenzemann
Johannes Grenzemann
Asylbewerber
denkt: Ich würde gerne mehr Deutsch lernen und Sprechen üben. Wenn mir nur
jemand helfen könnte! Ich würde ihm als Dank etwas aus meiner
Heimat kochen.
Baden-Badener
denkt: Ich würde gerne einem Flüchtlingen die Blütenpracht in der Allee zeigen oder ihn auf den
Merkurgipfel mitnehmen. Aber ich möchte mich nicht generell in
der Flüchtlingshilfe einbringen, soviel Zeit habe ich nicht.
Johannes Grenzemann hat die Lösung dafür gefunden: Der 31jährige Wirtschaftsinformatiker hat – in seiner Freizeit wohlgemerkt! - eine online-Börse zum gegenseitigen Austausch von unentgeltlichen Gefallen entwickelt. „Refugee Favorz“ hat er sie genannt, und auf ihr kann man sich sehr unverbindlich einen Einblick verschaffen, was die Geflüchteten in Baden-Baden sich wünschen => KLICK
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Ursprünglich
sei die Tauschbörse eine Idee seines Bruders gewesen, berichtet
Grenzemann auf Nachfrage. Aber schnell machte sich der engagierte
junge Mann das Projekt zu eigen und begann mit der Verwirklichung.
Dass er von der Idee, Flüchtlinge und Deutsche unkompliziert
zusammenzubringen, fasziniert war, lag auf der Hand: Vater
aus dem Schwarzwald, Mutter aus Peru, aufgewachsen in
Frankreich und im Alter von zehn Jahren nach Baden-Baden gekommen und in den
deutschen Schulalltag geworfen – mit solch einer Vorgeschichte bringt er die richtigen
Erfahrungen mit, gepaart mit einer Technikleidenschaft, die sich
früh äußerte: „Ich hatte schon mit zwölf Jahren meinen
eigenen Computer“, sagt er, was zur damaligen Zeit die große
Ausnahme war.
Entsprechend groß war seine Leidenschaft für den IT-
Bereich und das Programmieren, und so ging er beruflich einen
pfeilgerade Weg: Abitur am Wirtschaftsgymnasium, Studium der
Wirtschaftsinformatik an der dualen Hochschule in Karlsruhe. Während
des Studiums schon baute er ein Tool, um den Passagierfluss am
Flughafen in Amsterdam zu optimieren. Seitdem arbeitet er in der Software-Branche und tüftelt gern an komplizierten Sachverhalten. Da
kam ihm die Idee einer online-Plattform für die Flüchtlinge gerade
recht.
Zum Glück lässt ihm sein Arbeitgeber genügend Freiraum für Spielereien:
Vier Tage arbeitet Grenzemann regulär bei Arvato Financial
Solutions, der Mittwoch aber gehört ganz und gar seiner Kreativität.
„In meinem Job lebe ich davon, dass ich Ideen habe. Wenn mir die
Luft ausgeht, ist das auch für die Firma schlecht“, begründet er
den ungewöhnlichen Deal mit seinem Arbeitgeber. „Ich brauche
Freiraum, um coole Produkte zu designen, um zu experimentieren und
Sachen auszuprobieren.“ Mittwochs also hat
Grenzemann frei und sitzt im Startup-Center des Karlsruher Gründerzentrums „Perfekt
Futur“ auf dem Gelände des alten Schlachthofs. 40
Seefracht-Container stehen dort, umgewandelt in Büros, und einen
dieser Container hat Grenzemann auf eigene Kosten angemietet und
bastelt hier an seiner großen idealistischen Idee, Geflüchtete und
Deutsche zusammenzubringen.
„Ich
möchte Menschen motivieren, etwas unentgeltlich zu tun“, ist sein
großes Ziel. Die Flüchtlingen brauchen Hilfe und Aufmerksamkeit,
viele von ihnen sind in Sprachkursen und wollen nun unbedingt das
Gelernte anwenden. Regeln und Grammatik lernen sie im Unterricht,
aber die praktische Anwendung im Alltag fehlt ihnen, wenn sie
isoliert und gelangweilt in ihren Zimmern sitzen. „Reden, spielen, gemeinsam fernsehen oder kochen“ - all das helfe ihnen.
Johannes
Grenzemann geht mit bestem Beispiel voran. In seiner Freizeit geht es
abends und am Wochenende in die Unterkünfte, stellt nicht nur seine
online-Plattform vor, die alle Flüchtlinge gut finden und noch viel
besser nutzen könnten, wenn, wie angekündigt, bald überall freies
W-Lan verfügbar ist. Grenzemann rückt auch mit seinem Spielekoffer
an, erklärte erst kürzlich einer sehr skeptischen Männerrunde die
Spielregeln von „Siedler von Catan“ - ein durchschlagener Erfolg.
„Mittlerweile kenne ich für fast jedes Element den arabischen
Begriff“, sagt er lachend.
Auch Filmabende, die er in den Unterkünften anbietet, werden gerne angenommen. Vor ein paar Wochen war er mit „Was Frauen wünschen“ in der Unterkunft im Abarin zu Gast, wo die Bewohnerinnen ihn mit selbstgemachtem Popcorn verwöhnten.
Auch Filmabende, die er in den Unterkünften anbietet, werden gerne angenommen. Vor ein paar Wochen war er mit „Was Frauen wünschen“ in der Unterkunft im Abarin zu Gast, wo die Bewohnerinnen ihn mit selbstgemachtem Popcorn verwöhnten.
Die
Möglichkeiten für niederschwellige Kontakte sind also nahezu
grenzenlos.
Grenzemanns
Problem ist nun eher, die Plattform bekanntzumachen und Reichweite
und Takt der Angebote und Gesuche zu erhöhen. Sprich: Im Augenblick
trauen sich noch nicht genug User mitzumachen, manche Gesuche stehen
daher seit Wochen wie Blei als un-erhört auf der Seite.
Bei
den Flüchtlingen rennt Johannes Grenzemann mit seiner Plattform
offene Türen ein, aber auf der deutschen Seite werden noch viele
neue Nutzer gesucht.
Der
Zugang zur Plattform ist denkbar einfach. Mit einem Klick kann man Gesuche und Angebote sehen und sie sich
gegebenenfalls aus vielen Sprachen übersetzen lassen. Möchte man
dem Suchenden oder Anbieter antworten oder mehr über ihn erfahren,
muss man sich registrieren. Auch das geht unproblematisch, es werden keine sensiblen persönlichen Informationen abgefischt.
Überhaupt
funktioniert das Kennenlernen so unkompliziert wie bei einem Dating-Portal: Sucher und
Anbieter können so viel von sich verraten, wie sie wollen, ein Foto
hochladen, und auf dem eigenen Profil auch Erfolge vermelden,
beziehungsweise sich beim anderen bedanken. Eine vertrauensbildende
Maßnahme, erklärt Grenzemann, denn natürlich sieht er eine Hürde
im System: Irgendwann im Laufe der Annäherungsphase kommt eben der
Zeitpunkt, sich einander zu ver-trauen. Ähnlich wie beim beliebten Couch-Surfing kommt also der Zeitpunkt, an dem die
Kommunikation nicht mehr online läuft, sondern es zu einer realen
Begegnung kommt.
Wichtig
ist Grenzemann, dass sein System kein Tauschring oder Kreditsystem
ist, sondern auf rein idealistischer Basis funktioniert. „Die
Plattform soll Leute motivieren, etwas unentgeltlich zu tun, ohne
eine Gegenleistung zu verlangen.“
Er
träume von einer Welt, in der sich Menschen einfach helfen, sagt er.
Als
Ergänzung zum „Café Kontakt“, das in allen Unterkünften
angeboten wird und oft laut und überfüllt ist, kann man sich
mithilfe der Plattform im Vorfeld eines Treffens in Ruhe das jeweilige Profil ansehen und
sich erst dann für eine – gerne auch nur einmalige - Aktion
entschließen. Den Vorteil hat Grenzemann am eigenen Leib erfahren:
„Ich habe auf diese Weise in einer der Unterkünfte einen
Informatiker aus Syrien gefunden, den hätte ich sonst vielleicht nie
getroffen.“
Jetzt
geht es vor allem darum, auf deutscher Seite viele Nutzer zu finden,
um der Plattform ein großes, buntes Leben einzuhauchen. Keine
leichte Aufgabe. Denn natürlich ist die Zielgruppe auf netzwerkende,
internetaffine Leute begrenzt, wie der Initiator bereits erfahren
hat.
„Wer
braucht denn sowas“, habe ihm kürzlich ein älterer Herr recht
entrüstet bedeutet. „Internet? Nicht mit mir. Ich habe nicht
mal ein Handy.“ Tja. Da ist dann auch ein IT-Mensch mit seinem
Latein am Ende.
Johannes Grenzemann lässt sich nicht entmutigen. Er glaubt fest an seinen „Marktplatz der Begegnungen“; seine Plattform, so wünscht er sich, solle die Hemmschwelle, sich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, herabsetzen. Der Austausch von Gefallen laufe – anders als bei all den Dingen, die man sich heutzutage überall kaufen kann – auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt. Das ist es, was ihn an seiner Idee so fasziniert: Das Kümmern und Sorgen für den anderen, ohne einen eigenen Vorteil dafür zu erwarten.
Johannes Grenzemann lässt sich nicht entmutigen. Er glaubt fest an seinen „Marktplatz der Begegnungen“; seine Plattform, so wünscht er sich, solle die Hemmschwelle, sich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, herabsetzen. Der Austausch von Gefallen laufe – anders als bei all den Dingen, die man sich heutzutage überall kaufen kann – auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt. Das ist es, was ihn an seiner Idee so fasziniert: Das Kümmern und Sorgen für den anderen, ohne einen eigenen Vorteil dafür zu erwarten.
Kommt
das I in IT also gar nicht so sehr von Internet oder Information als vielmehr von Idealismus?
Vielleicht.
Jetzt wirkt der junge Mann ein wenig verlegen. Er möchte natürlich nicht in die Ecke weltfremder Phantasten geraten. Aber wenn er selber einen Wunsch frei hätte? Da zwinkert er dann unternehmungslustig mit den Augen. „Wäre schon cool, wenn die Favorz eines Tages unsere Währung ablösen würden, oder?“
Jetzt wirkt der junge Mann ein wenig verlegen. Er möchte natürlich nicht in die Ecke weltfremder Phantasten geraten. Aber wenn er selber einen Wunsch frei hätte? Da zwinkert er dann unternehmungslustig mit den Augen. „Wäre schon cool, wenn die Favorz eines Tages unsere Währung ablösen würden, oder?“
Übrigens nimmt Johannes Grenzemann im April am "Elevator Pitch" in Baden-Baden teil, einem landesweiten Wettbewerb für die beste Gründer-Idee. Man kann noch bis zum 19. April für seine Refugee Favorz abstimmen! Hier geht es zum Wettbewerb und zur Abstimmung => KLICK
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