Hier schreibt Michael Beck über seine zum Teil deftigen Alltagsabenteuer - nicht ganz bierernst zu nehmen! Heute:
Der
Paketshop des Grauens
Eiliger
Versand nach Berlin. Paket gepackt und zum Paketshop gefahren.
Immer
ein wenig zäh die Annahme, aber es funktioniert und der Carrier
zerstört keine Pakete beim Transport.
Oha, neues Personal in
Sicht! Blond, seeeehr blond, jung und unglaublich sexy. Denkt sie
jedenfalls.
Ich wuchte mein Paket auf den Tresen und sage
freundlich „Guten Tag“.
Ihr Kaugummi quietscht auf den Zähnen.
„Hi!“ hören meine in die Jahre gekommenen Ohren leise, überdeckt
von einer Kakophonie quietschenden Kaugummis. Zwei Kuhaugen starren
mich an. „Wollen Sie ein Paket schicken?“
„Nein, ich trage
sowas immer mit mir rum. Natürlich will ich ein Paket VERschicken.“
Der Kaugummi quietscht (wie große Kaugummis gibt´s eigentlich? Muss
ein Tennisball sein), die Kuhaugen blicken weiter völlig
teilnahmslos. „Das ist aber groß!“
„Hmja, ist Paketklasse L,
nichts besonderes.“
Sie zieht es näher an sich ran, ihre Hände
liegen auf dem Paket und versuchen es anzuheben – idealer Griff für
das Vorhaben, so von oben. Ich starre auf ihre Fingernägel:
Nagelstudio hat sich ausgetobt. Bonbonfarben und Palmen mit Äffchen
und Nüssen. Kokosnüssen. Sie sieht meinen Blick, verzieht das bunt
lackierte Gesicht zu einer Art Grinsen und sagt: „Schick, gell?“
„Ich finde es grauslig!“ – Tourette habe ich manchmal, manchmal
auch gerne.
„Echt??? Was würden Sie denn cool finden?“
„Schwarz
mit goldenen Pünktchen! Könnten wir jetzt das Paket…“
„Schwarz
hatte ich schon mal, das hat aber nicht lange gehalten.“
unterbricht sie mich. Die Klauen sind ungefähr so lang, wie die
Krallen meines Kangals – ist mir schleierhaft, wie man mit sowas
Duschen kann, ohne auszusehen wie ein Mordopfer bei Hitchcock, aber
nun.
„L-Klasse..“ erinnere ich sie und wedle mit meinem
Geldschein.
Das Dings nickt und zückt das Maßband.
„Können
Sie bleiben lassen, ist ein 70/30 Normkarton, sicherheitsverstärkt,
Gurtmaß 112. Liefern wir seit 2 Jahren hier ein.“
„Ist aber
groß, ich muss das nachmessen, sonst bekomm ich Ärger.“
Die
Krallen erweisen sich als kontraproduktiv bei der Handhabung eines
Maßbandes. Schließlich kommt sie auf ein Gurtmaß von 140 cm.
„Das
ist viel zu viel!“ schmatzt die Kaugummimasse.
„Das sind 112 cm…“
erwidere ich.
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Weil ich das
Paket daheim vermessen habe.“
„Wieso?“ Ehrliches Interesse
schlägt mir entgegen.
„Weil ich sonst nicht wüsste, welches
Etikett ich ausdrucken müsste! Kommen Sie, wir messen je eine Seite
separat und ich halte unten das Maßband, ok?“ Völlig überrumpelt
stimmt sie zu. Ich halte den Beginn des Maßbandes, sie schaut ganz
genau, ob ich auch nicht mogle.
„42 cm!“ matscht es in meine
Ohren.
„Ich weiß…“ knirsche ich zwischen den Zähnen –
„Wollen Sie´s aufschreiben?“
Entrüstetes Kopfschütteln. „70
cm!“ tönt es.
„Und das macht zusammen?“ frage ich im
Unverstand.
Der Kaugummi erhöht seine Temperatur, so schnell wird
jetzt gekaut. „132 – sage ich doch, das ist zu groß!“
triumphiert das Gesamtkunstwerk. Ich rechne ihr 70+30+12 vor und habe
Erfolg.
Wir kommen endlich zum Scanvorgang. Der Handscanner piept
zweimal ich lege meinen Geldschein hin und sie drückt noch einmal
mit gerunzelter Stirn 2 Tasten (was sonst nie jemand macht). „15,90
€ macht das.“
„Nein, das macht 9,99 €! Was haben Sie denn
gemacht?“ Wahrscheinlich hat sie noch den Sonderformatszuschlag
zugebucht. Der Etikettendrucker spuckt den Beweis aus.
Die
Schilderung der Durchführung des Stornovorgangs spare ich mir jetzt.
Endlich klebt der richtige Bäpper neben dem Versandetikett, da kommt
die Frage. „Das ist so schwer, können Sie´s nicht da hinten
hinstellen?“
„Nein, ich bin kein Gorilla.“
„Hä?“
„Nur
ein Gorilla hätte so lange Arme, dass er von hier aus das Paket zu
den anderen stellen könnte. Oder soll ich jetzt über den Tresen
hüpfen???“
Ein Schmollmund formt sich und das Paket wird ächzend
und schwankend auf die bereits wartenden geklatscht. 3 Zalando- und
ein BonPrix-Paket verlieren je fünfzig Prozent ihrer Volumina –
sind hoffentlich nur Klamotten drin. „Ooh, so schwer…“
„Gewichtsklasse bis 35 kg!“ töne ich verzweifelt, weil ich
befürchte, dass sie es jetzt wiegen will.
„Nee, ich wiege 52 kg,
aber ich mach gerade Diät.“ strahlt sie mich an um sofort voller
Sorgen ihre Studionägel zu kontrollieren.
Ich giere verzweifelt nach
meiner Quittung und flüchte dann. Zwei Supermarktkassiererinnen
nebendran klatschen sich auf die Schenkel vor Vergnügen, hinter mir
ploppt eine Kaugummiblase.