Dietrich Dorow und das Fahrradprojekt:
Der
Herr über Luftpumpen,
Speichen
und Fahrradschläuche
Letzte
Woche habe ich berichtet, wie die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer
die Asylbewerber im alten Vincentiushaus dabei unterstützen,
Fahrradfahren zu lernen, eine richtige Fahrradprüfung zu absolvieren
und einen Fahrrad-Führerschein zu erwerben, um dann im Heim Räder
(mit Helmen!) ausleihen zu dürfen. (Hier geht es zu meinem Bericht
über dieses Projekt => KLICK)
In
der Asylunterkunft in der Westlichen Industriestraße hingegen geht
man andere Wege. Hier besitzen viele Bewohner bereits ein Fahrrad,
hier geht es lockerer zu, sie fahren einfach los, ohne Helm, ohne
Unterweisung. Hier gibt es andere Probleme. Werden im Vincentiushaus
nur funktionstüchtige Räder angenommen und dann auf Kosten einer
Ehrenamtlichen professionell überholt, haben wohlmeinende Bürger in
der westlichen Industriestraße so manche Rostlaube entsorgt. Auch
ein Fahrradhändler muss darunter gewesen sein, denn plötzlich lagen
brauchbare aber auch recht exotische Ersatzteile wie ein Haufen
Tretroller-Reifen auf dem Gelände.
Außerdem
gehen Räder, die gerade in der abgelegenen Lage hinterm Bahndamm
regelmäßig benutzt werden, manchmal kaputt. Gerade schiebt ein
Asylbewerber sein Rad herbei. Der Reifen ist platt, ob Herr Dorow
wohl helfen könnte? Der fackelt nicht lange, findet schnell heraus,
wo der Schlauch ein Loch hat und zeigt, wie man ihn flicken kann.
Seit
ein paar Wochen nun kümmert sich Dietrich Dorow um die neue
Fahrradwerkstatt, er sortiert Speichen, Luftpumpen, Fahrradschläuche,
Flickzeug und Schraubenschlüssel und schreibt Listen, was noch
fehlt. Das besorgt die Stadt ihm dann anstandslos, freut er sich.
Überhaupt
scheint er hier in seinem Element zu sein. Denn der 74jährige ist
gelernter Kfz-Mechaniker, hat viele Jahre in einer Motorradwerkstatt
gearbeitet. Im Winter, wenn dort nicht viel los war, hat man sich
eben auch reparaturbedürftiger Fahrräder angenommen. Gibt es
jemanden Besseren, um nun ehrenamtlich das Projekt Fahrradwerkstatt
zu übernehmen?
Eigentlich
hat der Zufall Herrn Dorow in dieses Projekt gespült. Denn
ursprünglich hatte er sich, als es mit dem Ruhestand losging, am
Theater Baden-Baden betätigt, mit Feuereifer hat in der
Schauspielgruppe ü62 mitgewirkt, aber dann ist sie vor einiger Zeit
sang- und klanglos eingestellt worden. Was nun?
Dietrich
Dorow ist zwar ein Mann, der sich beschäftigen kann – letztes Jahr
zum Beispiel ist er seinen elften Marathon gelaufen – aber etwas
fehlte ihm trotzdem noch. Über die Talente-Tauschbörse hörte er
schließlich von dem geplanten Fahrradprojekt und war sofort Feuer
und Flamme. Hätte er nicht so viele andere Interessen, würde er die
Werkstatt auch gerne öfter als nur einmal in der Woche dienstags
öffnen, gesteht er. Vielleicht werden die knappen Öffnungszeiten im
Herbst erweitert, wenn der fest eingeplante zweite Ehrenamtliche
endlich aus seinem mehrmonatigen Sommerurlaub eintrudelt.
Aber
so ganz allein ist Herr Dorow auch jetzt schon nicht, schnell hat
sich einer der Asylbewerber als geschickter Helfer
erwiesen und geht ihm mit flinken Fingern zur Hand.
Und so ist es
auch gedacht: Dass Ehrenamtliche und Asylbewerber die Werkstatt
gemeinsam führen. Zu tun gibt es jedenfalls reichlich!
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