Mittwoch, 15. Juli 2015

Asylgeschichten (4)


Dietrich Dorow und das Fahrradprojekt:
Der Herr über Luftpumpen,
Speichen und Fahrradschläuche

Letzte Woche habe ich berichtet, wie die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer die Asylbewerber im alten Vincentiushaus dabei unterstützen, Fahrradfahren zu lernen, eine richtige Fahrradprüfung zu absolvieren und einen Fahrrad-Führerschein zu erwerben, um dann im Heim Räder (mit Helmen!) ausleihen zu dürfen. (Hier geht es zu meinem Bericht über dieses Projekt => KLICK)




In der Asylunterkunft in der Westlichen Industriestraße hingegen geht man andere Wege. Hier besitzen viele Bewohner bereits ein Fahrrad, hier geht es lockerer zu, sie fahren einfach los, ohne Helm, ohne Unterweisung. Hier gibt es andere Probleme. Werden im Vincentiushaus nur funktionstüchtige Räder angenommen und dann auf Kosten einer Ehrenamtlichen professionell überholt, haben wohlmeinende Bürger in der westlichen Industriestraße so manche Rostlaube entsorgt. Auch ein Fahrradhändler muss darunter gewesen sein, denn plötzlich lagen brauchbare aber auch recht exotische Ersatzteile wie ein Haufen Tretroller-Reifen auf dem Gelände.






Außerdem gehen Räder, die gerade in der abgelegenen Lage hinterm Bahndamm regelmäßig benutzt werden, manchmal kaputt. Gerade schiebt ein Asylbewerber sein Rad herbei. Der Reifen ist platt, ob Herr Dorow wohl helfen könnte? Der fackelt nicht lange, findet schnell heraus, wo der Schlauch ein Loch hat und zeigt, wie man ihn flicken kann.

Seit ein paar Wochen nun kümmert sich Dietrich Dorow um die neue Fahrradwerkstatt, er sortiert Speichen, Luftpumpen, Fahrradschläuche, Flickzeug und Schraubenschlüssel und schreibt Listen, was noch fehlt. Das besorgt die Stadt ihm dann anstandslos, freut er sich.




Überhaupt scheint er hier in seinem Element zu sein. Denn der 74jährige ist gelernter Kfz-Mechaniker, hat viele Jahre in einer Motorradwerkstatt gearbeitet. Im Winter, wenn dort nicht viel los war, hat man sich eben auch reparaturbedürftiger Fahrräder angenommen. Gibt es jemanden Besseren, um nun ehrenamtlich das Projekt Fahrradwerkstatt zu übernehmen? 


 

Eigentlich hat der Zufall Herrn Dorow in dieses Projekt gespült. Denn ursprünglich hatte er sich, als es mit dem Ruhestand losging, am Theater Baden-Baden betätigt, mit Feuereifer hat in der Schauspielgruppe ü62 mitgewirkt, aber dann ist sie vor einiger Zeit sang- und klanglos eingestellt worden. Was nun?




Dietrich Dorow ist zwar ein Mann, der sich beschäftigen kann – letztes Jahr zum Beispiel ist er seinen elften Marathon gelaufen – aber etwas fehlte ihm trotzdem noch. Über die Talente-Tauschbörse hörte er schließlich von dem geplanten Fahrradprojekt und war sofort Feuer und Flamme. Hätte er nicht so viele andere Interessen, würde er die Werkstatt auch gerne öfter als nur einmal in der Woche dienstags öffnen, gesteht er. Vielleicht werden die knappen Öffnungszeiten im Herbst erweitert, wenn der fest eingeplante zweite Ehrenamtliche endlich aus seinem mehrmonatigen Sommerurlaub eintrudelt.




Aber so ganz allein ist Herr Dorow auch jetzt schon nicht, schnell hat sich einer der Asylbewerber als geschickter Helfer erwiesen und geht ihm mit flinken Fingern zur Hand. 

Und so ist es auch gedacht: Dass Ehrenamtliche und Asylbewerber die Werkstatt gemeinsam führen. Zu tun gibt es jedenfalls reichlich! 




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