Menschen
in Baden-Baden, heute:
Helmut
Schneider
Bitte beachten Sie: Schneiders Weinstube in der Merkurstraße hat seit Dezember 2019 geschlossen, weil der Vermieter den Pachtvertrag leider gekündigt hat. Allerdings eröffnen die Schneiders demnächst ein neues kulinarisches "Wohnzimmer" in der Nähe vom Augustaplatz! Viel Glück für den Neustart!
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Man kann gar nicht zählen, wie oft das Wort „Wohnzimmer“ fällt, wenn die Sprache auf Schneiders Weinstube im Herzen von Baden-Baden kommt. So oft jedenfalls, dass man dieses kleine gemütliche Lokal wohl mit Fug und Recht als „DAS“ Wohnzimmer der Stadt bezeichnen kann.
Seit
fünf Jahren betreiben Barbara und Helmut Schneider dieses
kulinarische Kleinod nun schon, Grund genug für einen Besuch außer
der Reihe, aber sorgsam angemeldet, das muss sein, denn ohne
Reservierung gibt es hier leider keinen Platz. Auch nicht für
Stammgäste.
Auch
heute, an einem ganz normalen Mittwoch, kommen die ersten Gäste
bereits zehn vor fünf. Und dann geht es Schlag auf Schlag, und
Helmut Schneider wird unruhig, denn es zieht ihn nun nach vorne, zur
Tür, wo er immer steht, um seine Gäste persönlich zu begrüßen,
als sei dies wirklich sein Wohnzimmer. Er nimmt ihnen den Mantel ab,
geleitet sie zu ihrem reservierten Tisch. „Das gehört sich so“,
findet er. Die Gäste werden nicht lange sich selber überlassen,
schon schleppt er die große Tafel an, auf der die Spezialitäten der
Saison stehen.
Zu
jedem Gericht kommt eine Zusatzinformation, die gerne aufgenommen
wird. Dass der Skrei ein seltener Winterkabeljau von den Lofoten ist,
den es nur noch bis Ostern geben wird, lernen die Gäste ganz
nebenbei. Dass er auf dem Roteinrisotto schmecken wird, können sie
unbesorgt voraussetzen. Dafür sorgt Jürgen Gushurst in der Küche,
die übrigens ganz und gar sein Reich ist, obwohl der Chef natürlich
zweiter Vorsitzender des Baden-Badener Kochvereins ist, der
Berufsvereinigung der Köche aus der Umgebung.
Aber
Helmut Schneider und seine Frau stehen nicht am Herd, sondern mitten
im Geschehen. Sie haben die Augen überall, der Gast fühlt sich
umsorgt und geborgen, jemand, der zum ersten Mal das Lokal betritt,
wird genauso behandelt wie jemand, der seit Anbeginn Stammgast ist
und nach Möglichkeit immer seinen Lieblingsplatz bekommt. Man merkt
ihnen an, wie sehr sie ihr kleines, nur 45 Plätze umfassendes Lokal
lieben.
Wie
sie dazu gekommen sind, ist ein langer Weg. Denn der 1947 in
Kirchheim/Teck geborene Helmut Schneider hatte zwar immer schon gern
gegessen und eine Affinität zur Gastronomie – immerhin war seine
Mutter hauptberufliche Köchin – aber erst einmal machte er ganz
profan eine Elektrikerlehre und arbeitete sich „beim Damler“ bis
zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden hoch. Immer mit
Menschen zu tun gehabt zu haben, nutzt ihm seitdem bis heute. Erst
mit 38 Jahren sattelte er um und absolvierte die Hotelfachschule und
stellte sich auch an den Profiherd. Dann trat seine Barbara in sein
Leben, und mit ihr bewirtschaftete er alsbald fünf Jahre lang bei Lahr
ein Gasthaus am Waldesrand.
Eine Liebe zu Baden-Baden
Das
Jahr 1986 spülte das Ehepaar nach Baden-Baden. Ihnen war angeboten
worden, das damalige VdK-Hotel Magnetberg zu übernehmen. Schneiders
Augen leuchten, wenn er sich daran erinnert, wie er zum ersten Mal
nach Baden-Baden kam. Es brauchte nicht viel: Die Lichtentaler Allee,
Sonne, blauer Himmel, Eichhörnchen, die herumflitzten – und schon
war es um das Ehepaar geschehen. Elf Jahre lang brachten sie den
Magnetberg zum Blühen, anschließend übernahmen sie die Gastronomie
des neuen Festspielhauses. Es folgte eine dreijährige Stippvisite im
Golfclub Soufflenheim, bevor es sie wieder magisch zurück nach
Baden-Baden zog und sie den „Weintrödler“ unterhalb vom
Löwenbräu eröffneten. Hier feierte Schneider auch noch inmitten
seines Handwerker-Stammtischs seinen 60. Geburtstag und dann kam –
naturgemäß – die Rente. Neuland für den rührigen Gastronomen,
dem nichts ferner liegt als Kaffee zu trinken und durch die Stadt zu
laufen und zuzusehen, wie andere schaffen. Ruhelos versuchte er, das
Beste aus seinem Schicksal zu machen.
Ruhestand - und nun?
Da
Helmut Schneider schon immer gern verreist war, organisierte er erst
einmal Gruppenreisen, erst mit dem Kochverein und auch mit Senioren.
Dreimal ging es nach Peking, die älteste Teilnehmerin war 82. Da
fühlte er sich in seinem Element, hatte er doch in jüngeren Jahren
schon halb Asien bereist, war mehrmals in Shanghai und Hongkong
gewesen, auch Amerika war nahezu abgehakt.
Und
doch...
Das
Organisieren von Gruppenreisen scheint nicht seine Bestimmung gewesen
zu sein. Immer spukte ihm die Idee einer eigenen Weinstube im Kopf
herum. Das fehlte in Baden-Baden, davon war er überzeugt. Er hielt
Augen und Ohren offen, hörte sich um und fand schließlich die
heutigen Räumlichkeiten im Internet. Und damit war es um ihn
geschehen. Träumend saß er inmitten der notwendigen,
allumfassenden Umbauarbeiten – alles musste rausgerissen werden -
und hatte Visionen … von einem Klavier, einem runden Stammtisch,
der geschickten Verkleidung einer hässlichen tragenden Säule, von
gemütlichem, abgenutztem Mobiliar...
Träume werden wahr
Und
der Zufall wollte es, dass er tatsächlich just in dieser Zeit an
alte Wirtshausmöbel geriet... und so saß er weiter auf der
Baustelle und träumte, und seine Träume nahmen in der Realität
Gestalt an. „Ich kannte ja vom Stammtisch viele Handwerker“, sagt
er, „und die haben mich alle unterstützt.“ Besonders die Arbeit
es Malers ist herauszustreichen, der den Wänden eine ganz besondere,
natürliche Terracottafarbe verpasst hat.
Dann
fügte das Schicksal weiteres hinzu: Ein Klavier fand zu ihm,
einwandfrei aus dem Jahr 1910, die Zierde des Lokas und manchmal
sogar – zur besonderen Freude der Gäste – auch benutzt. Der
große Spiegel an der Wand stammt vom Flohmarkt, die Vorhangstoffe
fanden sich im Elsass, die schöne Uhr ist das letzte Geschenk seines
allzu früh gestorbenen Sohnes und dann erst die Zapfanlage! Auf die
ist Schneider besonders stolz. Aus Meißner Porzellan sei die, verrät
er mir und zapft auch gleich ein frisches Bier daraus.
Über
ein halbes Jahr dauerten die Umbauarbeiten, auch die Küche musste
komplett erneuert werden.
Dann
war alles fertig, das Abenteuer Weinstube konnte beginnen. Helmut
Schneider erinnert sich noch genau an das Datum: 19. Februar 2010.
Der große Eröffnungstag.
„Wie
war's?“
Schneider
lacht. „Voll.“
Und
so ist es bis heute geblieben. Vor allem Einheimische kamen von
Anbeginn an, dankbar über ein zweites Wohnzimmer, in dem man
gemütlich sitzen und zu halbwegs moderaten Preisen gut speisen und
guten Wein trinken kann. Liebe ist ja nicht nur die Hauptzutat bei
der Einrichtung der Gaststätte, sondern auch bei der Konzeption.
Kleine Anfänge
Man
habe ganz langsam angefangen, erinnert sich der Hausherr, mit kleinen
Gerichten wie Flammkuchen zum Beispiel. Von Anfang an dabei war das
Weingut Bimmerle. „Wir sind zusammen groß geworden“, freut sich
Schneider. Auch beim Personal wird Kontinuität groß geschrieben.
Frau Schumacher, der gute Geist, ist fast von Anbeginn an dabei, der
renommierte Koch Gushurst auch bereits seit drei Jahren. Spätestens
seitdem er das Regiment in der Küche übernommen hat, spielt der
Wein nur noch die zweite Geige. Die wohltätige Enten-Aktion im
Advent ist bereits legendär, Kalbsbäckle in Spätburgunder der
Klassiker Nummer eins. Zum Abschluss gibt es noch Nachtisch aus
Familienhand, denn das Eis stammt aus der Manufaktur der Tochter.
Viel
Zeit für Privates bleibt bei so viel Erfolg nicht. Morgens stehen
meist die üblichen Dienstgänge in die Stadt an, zwischen halb eins
und halb zwei Uhr fahren ausgesuchte Lieferanten vor und liefern
alles frisch, dann geht es an den heimischen Computer – Angebote
schreiben, Buchhaltung, und ab 16 Uhr steht Helmut Schneider bereits
in seiner Weinstube und sieht nach dem Rechten, und dann wird es
keine Stunde mehr dauern, ehe er wieder an der Anrichte neben der Tür
steht und die ersten Gäste mit freundlichem Handschlag empfängt.
Freizeit?
Hobbys?
Er
lacht und schüttelt den Kopf.
Was
machen die Schneiders denn an ihren freien Sonntagen? Selber am Herd
stehen?
Wieder
daneben getippt!
„Da
gehen wir selber aus und schauen, wie es die anderen machen.“
Haben
von Anfang an die Einheimischen die Weinstube gestürmt, entdecken
inzwischen auch die Touristen das Lokal für sich. Seit einem
dreiviertel Jahr steht Schneiders Weinstube beim Trip Advisor (=> KLICK) auf
Platz eins.
Das hat nicht nur positive Auswirkungen, denn seitdem ist es nahezu sinnlos, ohne Reservierung spontan vorbeizuschauen. Das will Schneider versuchen zu bessern, denn er bemerkt mit großer Sorge, wie in Baden-Baden eine ganz neuzeitliche unhöfliche Unsitte die Runde macht: man reserviert für einen Abend gleich zwei, drei Lokale, entscheidet spontan, in welches man wirklich geht und sagt den anderen nicht ab. „Da muss ich mir etwas ausdenken“, seufzt er. Nichts ist ihm unangenehmer, als Gäste unnötig wegzuschicken.
Der Gast im Mittelpunkt
Denn
die Gäste – die sind das Wichtigste für ihn. Aus aller Welt
kommen sie inzwischen in seine Weinstube, erst kürzlich war ein
Auswanderer aus Brasilien hier und hat ihm am Ende des Abends seine
Visitenkarte in die Hand gedrückt mit der dringenden Bitte, ihn ganz
bestimmt in Brasilien besuchen zu kommen.
Schneider
freut das. „Brasilien steht für später auf meiner Liste“, sagt
er und schmunzelt in sich hinein.
Für
später? Er wird doch hoffentlich nicht...?
Keine
Sorge! Nicht, solange er seine Weinstube mit so viel Herzblut betreibt. Gerade mal zwei Wochen Urlaub gönnt er sich im Jahr, immer nach dem großen Kurparkmeeting, auf dem er auch vertreten ist. Nach den zwei ruhigen Wochen - meist in Andalusien - zieht es ihn dann aber wieder mit Macht ins "Wohnzimmer der Stadt". Aber für sich persönlich hat er sich wohl
doch schon insgeheim sein ganz privates Datum für einen endgültigen
Ausstieg gesetzt, für den - Ruhestand ... Na ja – warten wir es ab.
Irgendwie passen die zwei Wörter Schneider und Ruhestand nicht
zusammen. Noch lange nicht!
Und jetzt wird es Zeit, den nächsten Gästen die große Tafel zu zeigen und zu erklären...
Schneiders Weinstube
Merkurstraße 3
76530 Baden-Baden
Tel. 07221 - 976 69 29
Hier geht es zur Webseite der Weinstube => KLICK