Dienstag, 24. Februar 2015

Sport (2)


"Frau Wirbelwind" und
ihr Einsatz für den Sport




Das „schwarze Brett“ im Eingangsbereich des Vincentiushauses gleicht dem eines wohlorganisierten Ferienclubs: Wer hat Interesse an Schach? Volleyball? Tischtennis? Fußball? Kampfkunst? Singen? Tanzen? Unter den entsprechenden Fotos sind Listen mit Ansprechpartnern angebracht, mit Zeiten und Orten der Trainingsangebote, es werden Mitfahrgelegenheiten und Begleitservice zur ersten Stunde angeboten. Man braucht sich nur einzutragen und zu bestimmten Uhrzeiten bereitzustehen, um dabeizusein.

Und das ist nur der Vergnügungsteil! Wendet man sich dem nächsten Aushang zu, findet man den Stundenplan für diverse Deutschkurse, daneben einen Hinweis auf Rechtshilfe beim Asylverfahren und ebenso den Hinweis auf das nächste „Café Kontakt“, das 14tägig am Samstag stattfindet und direkte, unkomplizierte Kontakte zu den deutschen Nachbarn bietet.






Aber bleiben wir beim Beispiel Fußball. Da wollen natürlich die meisten Asylbewerber mitmachen, schließlich sind doch die meisten Schutzsuchenden, die in Baden-Baden gelandet sind, kräftige, gesunde junge Männer, denen die tatenlose Warterei der ersten Monate zum Hals heraushängt.

Eine der vielen Ehrenamtlichen, die sich im Vincentiushaus engagieren, hat es sich ganz besonders zur Aufgabe gemacht, diesen jungen Leuten die Langeweile gehörig auszutreiben. Leider will sie (im Moment) weder ihren Namen noch ein Foto von sich veröffentlicht haben. Nenne ich sie einfach mal „Frau Wirbelwind“. Nimmermüde bringt sie mit ihrem Elan so manche Hauptamtliche zum Schwitzen, sucht eigenhändig Vereine, die die jungen Menschen aufnehmen würden, telefoniert nach Trainern und Trainingsorten, kümmert sich aber auch um das Equipment, das notwendig ist: Sportanlagen- und Hallenordnungen müssen eingehalten werden, und das bedeutet, dass die Interessenten unbedingt in ordentlicher Sportkleidung auflaufen müssen. Termin für die erste Stunde ist Mittwoch, 25. Februar, es muss also flott gehen.

Also nächster Aufruf. Diesmal über die „Buschtrommeln“ an die große Gruppe der Vincentius-Helfer: Wir brauchen Sportkleidung und Sportschuhe. 

(Lesen Sie dazu auch meinen Blogeintrag => KLICK )
„Frau Wirbelwind“ grast derweil Diakonieladen und Kleiderkammer persönlich ab, die geben, was sie können, sind aber auf so speziellen Bedarf nicht ad hoc eingerichtet.

Aber der Aufruf, die Sachen – nur ausnahmsweise!, weil es flott gehen muss! - direkt im Vincentiushaus abzugeben, schlägt ein! Der Hausmeister richtet einen Raum her, schleppt zusammen mit dem neuen Sozialarbeiter einen großen Tisch herbei, vormittags trommelt eine Brandmail ein paar zusätzliche Frauen zusammen, die mithelfen sollen, die Sachen zu sortieren, zwei Stunden später steht eine Handvoll von ihnen parat und wühlt sich mit Eifer und Effizienz durch die Berge. Schon beim Zusehen wird einem fast schwindelig.



Heißt es nicht immer, man solle sich nicht verausgaben? Man solle die Flüchtlingshilfe langsam angehen, „small is beautiful“? „Frau Wirbelwind“ will davon nichts wissen. Energisch wischt sie solche Bedenken vom Tisch. „Ich habe einen langen Atem. Das wissen alle, die mich kennen.“ Und eine der Damen, die mithelfen, nickt bestätigend. „Wir sind doch froh, wenn wir etwas tun können. Einige potenzielle Helfer sind ja schon wieder abgesprungen, weil es hieß, man brauche sie nicht. Die fühlten sich überflüssig und kommen nie wieder.“, sagt sie leise.


Und jetzt noch eine richtig gute Nachricht: Am Samstag ist "Frau Wirbelwind" mit ein paar anderen Ehrenamtlichen und den sportlichen Flüchtlingen zum Sportgeschäft Decathlon gefahren, wo sich die Asylbewerber mit passenden Schuhen eindecken wollten. Und siehe da, man rannte offene Türen ein: Decathlon unterstützte die Aktion mit freundlicher Beratung auf Englisch und gewährte der Gruppe einen großzügigen Preisnachlass. So muss Nächstenhilfe aussehen!

Es werden übrigens immer noch Sportsachen gebraucht, denn nach erster Durchsicht und Verteilung stellte sich heraus, dass sich die Statur der Schutzsuchenden doch etwas von der der Spender unterscheidet. Darauf gleich die nächste Rundmail: 

Für fast alle hat sich etwas gefunden, um am Mittwoch starten zu können, aber insgesamt stimmen halt die Größen nicht so wirklich.  Unsere Jungs sind sehr dünn. Und unsere Hosen sind sehr breit und groß. Also richtige Trainingssachen wären schon klasse. Aber nun haben wir ja alle etwas Zeit und können unsere Freunde, Nachbarn und Kollegen systematisch abgrasen. Aber groß und breit brauchen wir eigentlich überhaupt nicht mehr.“


*

P.S. Und so geht das mit der Vincentius-Truppe: keine Stunde später haben sich bereits die erforderlichen "schlanken" Hosen für die Fußballfreunde gefunden!

Mit anderen Worten:
Es werden keine weitere weiteren Sportsachen mehr direkt vor Ort benötigt. Wer noch Kleidung hat, bitte diese ab sofort im Diakonieladen => KLICK oder in der Kleiderkammer des Roten Kreuzes =>KLICK  abgeben.  

Und noch ein persönliches Wort:
Diese Aktion hat hinter den Kulissen offenbar großen Wirbel verursacht.
Ich sehe das so:
Dies war eine ganz große Ausnahme, aus dem Überschwang der Gefühle heraus geboren. Es zeigt aber auch die große Hilfsbereitschaft der gastgebenden Bevölkerung, die sehr gern noch viel mehr tun würde, damit sich Menchen, die aus schrecklichen Kriegssituationen geflohen sind, bei uns gut einleben können.
Selbstverständlich können Asylbewerber sich T-Shirts und auch einfache Turnschuhe selber kaufen, genau wie jeder andere Bürger der Stadt, der auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist, weil er zum Beispiel seit längerem arbeitslos ist. Hier wird niemand besser als der andere gestellt. Und wenn die Firma Decathlon spontan einmalig (!) einen Preisnachlass gewährte, so heißt das noch lange nicht, das nun erwartet wird, dass daraus ein Automatismus erwachsen könnte. Sachspenden sollten nun wieder ausschließlich im Diakonieladen und in der Kleiderkammer des Roten Kreuzes abgegeben werden, und dort kann sich jeder nach gleichen Spielregeln auf gleiche Weise mit dem Nötigsten eindecken.


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