Donnerstag, 22. Januar 2015

Via Wohnprojekt

+++ Aktualisierung +++ Aktualisierung +++ Aktualisierung +++

Sechs-Jahres-Feier
des Via-Wohnprojekts


Im Rahmen der „Bundesweiten Aktionstage Gemeinschaftliches Wohnen“ öffnet VIA - das erste Gemeinschaftliche Wohnprojekt in Baden-Baden, Pariser Ring 39 - seine Türen für Interessierte:
VIA-Spätsommerfest am Sonntag, 6. September (11 Uhr –17:30 Uhr), mit Vorträgen zum Wohnprojekt, Erfahrungsaustausch, Besichtigung und Verköstigung.




Damit nimmt VIA an den Bundesweiten Aktionstagen Gemeinschaftliches Wohnen teil: „Wir wollen mit Interessierten unsere Erfahrungen teilen und Einblicke gewähren, sowohl in unser Haus, als auch in die Gemeinschaft“, so Peter Ulrich, der mit seiner Partnerin zu den einzig verbliebenen Gründern von „VIA“ gehört. Grundpfeiler der Gemeinschaft sind gemeinsame Aktivitäten und gegenseitige Unterstützung. Und die Fähigkeit, Konflikte auszutragen: „Der Schlüssel ist ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz. Ein Wohnprojekt funktioniert nur mit toleranten Bewohnern“ weiß Peter Ulrich.

Für Rückfragen zum VIA Wohnprojekt:
Peter Ulrich
peter.ulrich@gmx.net
Telefon 07221/8035202



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Hier mein Blog-Eintrag zum 5-jährigen Bestehen:

Fünf Jahre Abenteuer:
Das Via Wohnprojekt



Fast könnte man es als "silberne Revolution" bezeichnen, was Bildungseinrichtungen wie Volkshochschule oder Funkkolleg vor mehr als einem Jahrzehnt im Land losgetreten haben. "Wohnen im Alter", "Mehrgenerationenhaus", "Sorgende Gemeinschaft", "Zukunftswerkstatt" - so oder ähnlich lauteten um die Jahrtausendwende einige Denkanstöße, die sie verbreiteten, und bei etlichen Vertretern der Generation "50-plus" fielen diese Denkstöße auf fruchtbaren Boden: Sie wagten das Abenteuer.

Sie suchten und fanden sich, rauften sich zusammen, brüteten über Bauplänen, suchten geeignete und bezahlbare Grundstücke, legten ihr Geld auf den Tisch (und mussten sogar in einer gewissen Phase mit dem gesamten Vermögen für alle haften), bauten und zogen zusammen. Und begannen miteinander zu leben, Regeln für das Zusammenleben zu entwerfen, die Modelle auf ihre Alltagstauglichkeit zu prüfen. Und siehe da, das einhellige Fazit lautet: Experiment geglückt.



Das jedenfalls konnte man am vergangenen Wochenende aus den Berichten von sieben solcher Wohnprojekte heraushören, deren Bewohner beziehungsweise Abordnungen sich erstmals im Baden-Badener Vorzeigeobjekt "Via" (=Vital im Alter) im Pariser Ring trafen, um ihre Erfahrungen auszutauschen.
Sie kamen aus Herrenberg, Schorndorf, Stuttgart, Bietigheim, Karlsruhe und Schwäbisch Hall, und sie hatte eine einhellige Botschaft dabei: Es funktioniert! Mehr noch: Es funktioniert gut!

Betrachtete man die Teilnehmer des Projekttages, konnte man es sich gut vorstellen. Denn obwohl sich die Gruppen untereinander nicht oder kaum kannten, verschmolzen sie bei Betreten des Raumes zu einer homogenen Einheit. Konsensfähigkeit ist offenbar die große Klammer, die alle Projekte zusammenhält, obwohl sie von der Struktur durchaus unterschiedlich sind. Einige wollen den Einzug junger Familien fördern, freuen sich über jedes im Haus geborene Baby oder stellen Mietwohnungen für StudentenWGs zur Verfügung, andere entschieden sich bewusst für das Motto "Wohnen im Alter".

"Wir wollen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung wohnen, am liebsten bis zum Schluss", darin waren sich alle einig. Das fordert größtmögliche Unterstützung und ein ständiges Jonglieren zwischen Distanz und Nähe. Man schaut aufeinander, in einigen Häusern gibt es tägliche Kontrollanrufe, in anderen geht das bis zu gemeinsamen Urlaubsfahrten.

Überhaupt ist gemeinsames Erleben das A und O dieser Projekte. Allen ist ein Gemeinschaftsraum mit angrenzender Küche zu eigen, manche haben darüber hinaus eine gemeinsam genutzte Werkstatt, ein Kinderspielzimmer, Büchertauschregal, Hobbyraum und Gemeinschafts-Waschküche - bis hin zum Fitnessraum wie bei VIA, in dem in der anderen Ecke noch Kraftmaschine und Gymnastikbälle lagern.



Hört man sich die Erfahrungsberichte an, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich ein feierfreudiges Völkchen zusammengefunden hat. Monatlicher Sonntagsbrunch, wöchentliche Kochabende, gemeinsame Geburtstags- und Adventsfeiern,  Sommerfeste, Ausflüge in den Schwarzwald und Urlaubsfahrten für 40, 50 Personen prägen das gesellschaftliche Leben in diesen Projekten ebenso wie die organisierte - nicht unbedingt nur typisch schwäbische - Kehrwoche - wobei sich das eventuelle Schneeräumen an anderen Kriterien orientiert: In Baden-Baden übernehmen beispielweise die Frühaufsteher diesen Dienst und offenbar gibt es derer viele, und jeder schwört anscheinend auf sein spezielles Gerät, wie man bei diesem Foto vermuten kann:



Anders als in anderen Häusern gibt es in Baden-Baden eine externe Hausverwaltung, darüberhinaus trifft man regelmäßig zu Bewohnerrats-Sitzungen und Bewohnerversammlungen, es gibt Film- und Diskussionsabende. "Wir sind eine richtige Fressbande", fasst es einer der Bewohner auf Nachfragen zusammen, und alle am Via-Tisch nicken und lachen.

Welche Erwartungen hatte man in Baden-Baden, als man sich zu diesem Projekt zusammenfand?

"Wir wollen im Alter nicht alleine sein" - war einhellig der Hauptgrund. Viele alte Menschen vereinsamten nach dem Auszug der Kinder, wollten irgendwann gar nicht mehr raus auf die Straße. Das wollen die Via-Leute anders machen. Sie sehen ihre Mitbewohner längst als ihre Ersatzfamilie an, haben ihre Häuser verkauft, sind mit Wonne der "grüne Hölle", wie sie ihre Gärten bezeichnen, entronnen.



Eine Bewohnerin erzählte: "Ich habe in einem Mehrfamilienhaus in Karlsruhe gewohnt, alle in meinem Alter zogen irgendwann aus, junge Leute übernahmen die Wohnung, aber die kümmerten sich nicht um mich, die waren berufstätig, den ganzen Tag außer Haus, und ich - ich war irgendwann einfach nur die alte Tante, die ihre Zalando-Pakete entgegennehmen durfte." Ohne Gegenleistung, versteht sich.

Im Via-Wohnprojekt hingegen hingegen kennt man sich und hegt ein Grundverständnis füreinander.

Was hat die heutgen Bewohner angetrieben, den Schritt in das Wohnprojekt zu wagen?

"Abenteuerlust", fällt einem der Bewohner spontan ein. Nichts anderes sei es gewesen, als alle ihr Geld auf den Tisch legen mussten und nicht wussten, ob das Projekt gelingt. "Wenn nicht, wäre das Geld verloren gewesen." Er lacht. "Da konnte man schnell sehen, auf wen man sich verlassen kann."

Spannend sei auch gewesen, dass man sich vorher nicht gekannt hat, dass man in endlosen Sitzungen, in denen man über Bauplänen brütete und Hausordnungen und Regeln des Zusammenlebens festlegte, zusammenwuchs.

Konsensbereitschaft sei der Kitt, war überall zu hören. Streitpunkte gibt es natürlich auch. Vor allem seien es Machtkämpfe zwischen den zwei Polen "Wir entscheiden alles gemeinsam" und "Das machen wir jetzt einfach" - und ja, ich schreibe auch das: "Zickenkriege" gibt es auch. Meistens werden solche Probleme in langen Diskussionen bereinigt. Und eigentlich schien es zunächst so, als sei alles halb so wild.

Am Nachmittag aber nahmen genau diese Probleme überraschenderweise breiteren Raum ein, als man es erwartet hatte, hieß es, als ich beim Verfassen dieses Beitrags noch einmal nachhakte. Und es stellte sich heraus, dass das Zusammenleben doch nicht immer so harmonisch ist, wie es am Vormittag klang. Da müssen auch schon mal Experten von außen eingreifen, Psychologen oder Mediatoren, um wieder Frieden zu schlichten. Ausnahmen gab es offenbar nicht, auch nicht im Via-Wohnprojekt, denn auch hier taten sich mit einem Mal Risse auf. "Aber die flicken wir wieder", beruhigte mich mein Ansprechpartner später am Telefon. Er sei sehr zuversichtlich, dass man alles untereinander mit gemeinsamen Gespräche hinbekommen wird. Immerhin hat man ja einen großen gemeinsamen Herzenswunsch, nämlich, ein zweites, ähnliches Wohnprojekt ganz in der Nähe anzuschieben.

Eine letzte Frage in die Runde: Würden Sie den Schritt noch einmal wagen?

Auch hier kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: "Jederzeit! Aber lieber noch wäre mir, ich müsste es nicht noch einmal wagen, sondern kann ganz einfach hier wohnen bleiben." Und alle am Tisch nickten begeistert. Und dieser Grundkonsens ist es wohl auch, der alle antreibt und letztendlich zusammenhalten wird.




Hier geht es zur Webseite des Via-Wohnprojekts Baden-Baden => KLICK


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