Sonntag, 6. Juli 2014

Cornelia Bitsch





Menschen in Baden-Baden - heute:

Cornelia Bitsch





Sie ist ein Vulkan. Nicht nur, weil sie, wie sie selber zugibt, Feuer speit, wenn sie beim Schreiben gestört wird, sondern auch, weil sie überläuft, wenn man sie nach ihrem Leben fragt. So prall ist das. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Wenn man nach Cornelia Bitsch googelt, kommt ein "künstlerisches Multitalent" zum Vorschein wie das Offenburger Tageblatt sie einmal bezeichnet hat. Schauspielerin, Regisseurin, Autorin für Theaterstücke und Hörspiele, Sprecherin im eigenen Studio...

Oder die Zahlen: 60 Inszenierungen, 200 Hörspiele, zehn Theaterstücke und Revuen, Organisatorin des Sommertheaters im Baldreit, demnächst der erste Roman...

Zum Nachlesen ein Eintrag in der Website "Weibsicht": KLICK

Ich stehe noch etwas zaghaft vor ihrem Haus in Ebersteinburg und überlege, wo ich ansetzen soll, doch sie nimmt die Dramaturgie sofort resolut in die Hand. "Es regnet gleich. Machen wir erst die Fotos im Garten", bestimmt sie und schlüpft in Schürze, Hut und Handschuhe. So wie sie dann am Rosenbogen herumschnippelt, offenbart sich gleich ihr ganzes Wesen. Ich würde vorsichtig nach schlafenden Augen suchen, über denen man einen sauberen schrägen Schnitt ansetzen sollte, sie hingegen schnippelt munter drauf los, als handele es sich um Unkraut, das aus der Rolle fällt.





"Mir ist noch niemals im Leben in den Sinn gekommen, dass etwas nicht klappen könnte", sagt sie später im Gespräch im Studio ihres Mannes. Ein Satz, der ihr Leben nicht treffender beschreiben könnte.

Man tippt sie an, und sie sprudelt - und man kann nicht anders als gebannt zuzuhören.

Zum Beispiel über das Entstehen eines neuen Theaterstücks, das sie kürzlich für ihr Herzens-Projekt, die Burgbühne in Oberkirch schrieb: "Wir hatten eine Ausschussitzung, in der wir darüber redeten, mal etwas aus der Region zu machen", erinnert sie sich, "so in der Art vom Schwarzwaldmädel, aber ohne Orchester, weil das zu teuer wäre." Also habe sie sich hingesetzt und einen ganz Berg von Stücken gelesen, die über den Schwarzwald handelten. "Aber viele waren schon sehr regional".

Wie so oft schlug jemand vor: "Überleg dir doch selber ein Stück, du KANNST doch so gut schreiben." Und schon auf der Heimfahrt von Oberkirch nach Baden-Baden begann sie nachzudenken: Es müsste ein Stoff sein, bei dem alle Schauspieler der Burgbühne mitspielen können. "Nachwuchssorgen haben wir nicht in Oberkirch..." fügt sie schmunzelnd ein. Man merkt ihr an, wie sehr sie mit dem Ensemble verwurzelt ist. Seit 1984 gibt es die Burgbühne, die in Oberkirch zunächst in der Ruine der Schauenburg angesiedelt werden sollte, dann aber ihren Platz in der Stadtmitte vor der alten Stadtmauer, im Garten des "`s freche hûs" fand, wo die Freilichtaufführungen stattfinden - überaus erfolgreich übrigens: Stattliche 850 Aufführungen zählt man dort seit 1984, mit mehr als hunderttausend Zuschauern. 

Zuhause weihte sie sogleich ihren Mann ein, und er gab das erste Stichwort: "Das muss eine Komödie werden." Noch in der Nacht nahm der Stoff Gestalt an: "Altes Schwarzwaldhotel. Heruntergekommen. Verwandter mit Geld. Erbstreit. Konditorei. Tochter Malerin im Ausland, kehrt zurück..." Aber richtig los ging es wieder erst nach einem Stichwort des Gatten. Dem kam nämlich ein genialer Titel in den Sinn: "Schwarzwald, Kirsch & Co KG". Augenblicklich fiel alles an seinen Platz, die Personen standen parat ("ganz klar, der Sepp um Beispiel musste der Konditor sein"), alles war klar und musste nur noch aufgeschrieben werden.

Das Schreiben! Ach... wenn  es mir doch auch so leicht gefallen wäre wie ihr. Da wird nichts geplant, geplottet, probiert. "Ich schreib einfach drauf los, habe alles im Kopf und behalte es mir zum Glück auch", beschreibt Cornelia Bitsch ihre Arbeitsweise.

Drei Monate braucht sie in der Regel, bis ein Stück fertig ist, und diese drei Monate sind eine Herausforderung ans eheliche Zusammenleben, wie sie zugibt und der geplagte Gatte lachend bestätigt. "Wenn ich schreibe, gehe ich wenig aus dem Haus und werde bei jeder Störung zur Kratzbürste!" Das hat auch ihr verständiger, geduldiger, freundlicher Ehemann, der Musiker und Komponist Matthias Schulz, lernen müssen. Früher habe er ihren Gedankenfaden manchmal mit einem liebevollen wie zum Beispiel "Schatz, das Essen ist fertig" unterbrochen und wüste Blicke geerntet. Inzwischen bleibt die Tür zum Schreibzimmer zu, leises Klopfen ist erwünscht, so dass die Autorin noch in Ruhe ihren Gedanken zu Ende spinnen kann, um sich danach an den gemachten Tisch zu setzen und sich dem Genuss hinzugeben.



Ein Strahlen geht über ihr Gesicht, als wir an diesem Punkt angelangt sind. "Er kocht so gut!", ruft sie und reibt sich genüsslich den Bauch. Noch heute weiß sie, was er ihr als erstes serviert hat: "Schnitzel mit ganz kleinen Kartöffelchen, über die er Kräuter gestreut hat. Und die Zitrone hat er zu einer Blüte dekoriert. Und zum Nachtisch gab es Schokoladenpudding mit Vanillecreme". Der so Gelobte lacht verlegen, gibt ihr aber recht.

Wie er auch sonst der ruhende Pol und geniale Begleiter für die quirlige Macherin ist. Plagt sie ein Problem "Matze, die fahren jetzt mit dem Wagen durch einen Wald und nun...?", hat er am nächsten Morgen die richtige Musik für die Stelle geschrieben und es kann weitergehen mit dem Spinnen des Textes.

Ein ideales Paar, ein wahrer Glücksfall, möchte man angesichts solch vollendeter Harmonie denken. Aber wie das so ist im Leben - das Glück ist schwer verdient und hatte einen schmerzlichen Start. Seit fast einem Vierteljahrhundert arbeiten die beiden schon zusammen, aber erst der tragische Tod seiner Familie hat die beiden zu dem Paar gemacht, das sie heute sind. Wochenlang haben sie sich eher schweigend und freundschaftlich umeinander gekümmert, bis sich langsam aus der Trauer ein kleines Pflänzchen erhob, das sie selbst zunächst nicht zu deuten vermochte. "War es Mitleid? Konnte es etwas anderes sein? Aber nein, unmöglich! Ein jüngerer Mann!" - so habe sie sich zunächst dagegen gewehrt, bis die Gefühle dann doch überhand nahmen. Seit vierzehn Jahren sind die beiden nun ein Paar, vor zwei oder drei Jahren - so genau nimmt man es mit dem Datum nicht - sind sie verheiratet.

Es ist eine Allianz der Gemeinsamkeiten: Matthias Schulz ist der Ruhepol, den die quirlige 64jährige braucht, er begleitet Cornelia Bitsch am Klavier, gibt ihr den richtigen Ton, bringt ihre Hüften beim Fototermin im Studio zum Schwingen, als sie für mich so tun soll, als ob sie einen Text vorträgt und er plötzlich eine mitreißende Melodie einspielt.






Sie ihrerseits begleitet ihn auch schon mal schmerzfrei eine Session lang durch alle Fastnachtssitzungen im Umkreis, auf denen er auf ihren wunsch hin auftritt. Und es ist noch viel mehr, worin die beiden sich ergänzen. Er hält ihr komplett den Rücken frei, pflegt den Garten, organisiert, produziert und fährt die Studiotechnik, wenn unter ihrer Regie Hörbücher vertont oder Computerspiele aufwändig (mit bis zu 2oo, 300 Mitwirkenden) synchroniert werden.

"Ich habe die Kiste mit den CDs dabei, wollen Sie die sehen?"

Nein, will ich nicht. Mir schwirrt ohnehin schon der Kopf. Was passiert denn noch alles im Leben dieses Tausendsassas?

Wie kommt man nur zu so einem bunten, quirligen Leben?

Nun, ganz einfach: Es wurde ihr quasi in die Wiege gelegt, sie brauchte nur zugreifen. Schon der Opa war Musiker und Inhaber des Musikgeschäfts Wälder in der Sophienstraße in Baden-Baden. "An der Tür hing aber oft der Zettel 'Bin bei der Probe'". Die Eltern - Vater ein herzlicher offener Weltenbürger mit Ambitionen als Architekt, Mutter aus gutem Hause - übernahmen früh, nach demTod des Großvaters, das Geschäft, und damit die illustre Klientel: Musiker des SWR, Schauspieler des Theaters, alle gingen im Elternhaus ein und aus, wohnten zur Untermiete. "Ich erinnere mich noch, wie fasziniert ich als kleines Mädchen von Leo Koscielny, einem Ausnahmecellisten und Freund meines Vaters war, wenn er auf seinem Instrument Dvoraks Cello-Konzert übte". Lachend ahmt sie die typischen Bewegungen nach. "Graue Haare hatte er und warf sie immer -so- nach hinten." Die Großmutter besaß natürlich ein Theaterabonnement und nahm die kleine Cornelia schon früh mit. Kein Wunder, dass das Mädchen schon bald auf die Frage, was sie werden wolle, antwortete: "Schriftstellerin, Schauspielerin und Meeresbiologin". Was die Eltern keineswegs verschreckte sondern sie anstachelte: "Wenn, dann sollst du die beste Ausbildung bekommen", beschlossen sie. Und so war es auch.

Cornelia Bitsch kann sich noch an die Aufnahmeprüfung an der Pariser Schauspielschule erinnern. "Viel Französisch konnte ich nicht." Also wurde geradebrecht: "Ich spielte ein Stück, das es nicht gab, in einer Sprache, die es nicht gab" - und sie wurde genommen. Genauso wie später in England, wo sie Fechten und in einem Akrobatikseminar lernte, von Treppen, Stühlen und Tischen zu fallen und schließlich bewältigte sie die Aufnahme an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, an der sie sechs Semester studierte und mit „sehr gut“ ihren Abschluss machte.

Es folgten turbulente Jahre auf den Bühnen von Bonn, Kassel und Münster, bis Baden-Baden eine Zwischenstation sein sollte, sie hier aber auf den damaligen Intendanten Dr. Frieder Lorenz stieß, der sie zum Bleiben bewegte. Gespielt wurde alles, querbeet: Titelrollen natürlich in Musicals, Operetten ("Das habe ich geliebt, wenn ich mich in Rauschekostüme verkleiden konnte  - die Fledermaus, ach die Fledermaus!"), Schauspiel (hier eher die tragisch-komischen Rollen à la Woody Allen), Klassiker... Lieblingsrollen? Die Rosalind in "Wie es euch gefällt", schrille Frauenfiguren in den Stücken von Dario Fo, und natürlich die Zeitel in "Anatevka"!

Wobei wir beim nächsten Thema wäre. Anatevka! DER Hit in der Burgbühne in Oberkirch, seit vielen, vielen Jahren auch DER Begleiter ihres Lebens. Und auch in der Zukunft hat sie noch etwas Besonderes damit vor, was, verrät sie nur mir, und ich werde schweigen wie ein Grab! Ehrenwort!

Das mit dem Lebenswunsch Schauspielerin hat also vorzüglich geklappt, begleitet von artverwandten Tätigkeiten wie Dramaturgin und Regisseurin.

So bestreitet sie auch seit sechs Jahren das Sommertheater im romantischen Baldreit auch dies wieder "so eine" Geschichte: Bis 1996 spielte das Theater Baden-Baden im Sommer Cornelia Bitschs kleine Stücke im romantischen Garten der Gaststätte Baldreit. Dann fiel dieses "Sommertheater" dem Rotstift zum Opfer. Cornelia Bitsch aber konnte und wollte sich mit dem Aus nicht anfreunden und organisierte nach ihrer Rückkehr nach Baden-Baden auf eigene Faust wunderbare Theaterabende im Herzen der Altstadt.

Hier das Programm für dieses Jahr:




Eintrittskarten gibt es im Ticketservice in der Trinkhalle, in der Weinstube Zum Baldreit, Tel. 07221 - 23136, bei Cornelia Bitsch über Mail: c.bitsch@web.de und natürlich an der Abendkasse.

Soviel zum Thema Theater und Cornelia Bitsch. Der einst grob umrissene Kindheitstraum "Schauspielerin" ist also mehr als in Erfüllung gegangen.

Und wie ist das mit Wunsch zwei, "Schriftstellerin"?  Nun, ihr erster Roman - natürlich mit dem Schwarzwald als Grundthema - wird 2015 erscheinen, daran hat sie keinen Zweifel. Lange genug hat sie daran geschrieben, schon mehr als zwei Jahre, unvorstellbar für jemanden wie sie. Es fuchst sie sichtbar, dass sie noch nicht fertig ist. Aber sie hat sich den Herbst von Terminen freigeschaufelt: "Oktober, November und Dezember, wenn es drinnen so richtig gemütlich, da igele ich mich ein und schreibe ihn fertig", hat sie sich vorgenommen. Man glaubt es ihr aufs Wort. Einen Verleger hat sie längst, er wartet schon auf den Text.

Bliebe noch der letzte Kindheitstraum: "Meeresbiologin". Ist der bei all den Aktivitäten still und heimlich begraben worden? Sie lacht und schüttelt den Kopf. "Ich habe ja noch Zeit!" Und bis dahin übt sie schon mal, in ihren Urlauben, die sie immer wieder in die Karibik ziehen...


Und zum Schluss noch ein Video von Baden-TV über das Sommertheater im Baldreit 2012:





Aktualisierung: Hier geht es zum Programm von 2015 => KLICK






Burgbühne Oberkirch: KLICK

In 80 Tagen um die Welt: KLICK


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