Dienstag, 1. April 2014

Olivia Pallas



Neue Reihe:

Menschen in Baden-Baden



Heute: Olivia Pallas





Bitte beachten Sie: Das Olivenhaus schließt Ende Dezember 2019. 
Danke, liebe Olivia, für deine köstliche und liebevolle Küche und deine wunderbare, offene Herzlichkeit!
Du wirst uns Baden-Badenern unvergesslich bleiben! 

Alles begann vor 25 Jahren mit einer der ersten Ausgaben des "Feinschmeckers": Ein kleines Restaurant nahe Rom wurde dort vorgestellt, "Solo per due", in dem nur für zwei Personen gekocht wurde. Olivia Pallas, die damals noch Heidrun hieß und in Hamburg lebte, war sofort fasziniert. Kurzerhand lud sie einen Freund ein und fuhr hin. "Bis heute habe ich dieses Lokal im Kopf", sagt sie mit einem verträumten Seufzen, lehnt sich lächelnd zurück und lässt ihre Augen über ihre eigene kleine Welt schweifen. "So etwas möchte ich mal haben, wenn ich älter bin", habe sie sich damals gedacht.

Vor zehn Jahren hat sie sich ihren Traum erfüllt und ihr "Olivenhaus" in der Passage der Kreuzstraße mitten im Herzen von Baden-Baden eröffnet. Eine schicksalhafte Eröffnung, die Erinnerung daran lässt sie immer noch innehalten und nach Worten suchen. Denn während sie damals mit den ersten Gästen auf die Eröffnung anstieß, verlor zur selben Stunde ihr geliebter Lebenspartner Alexander seinen langen, gesundheitlichen Kampf. Als sie am Abend nach Hause kam, lag er schon im Koma, eine Woche später war er tot. Olivia holt tief Luft und lächelt wehmütig. "Manchmal sitze ich abends im Dunkeln hier auf der Bank bei einem Glas Wein und stoße im Geiste mit ihm an." Doch viel Zeit für Trauer hat das Leben ihr nicht geschenkt, ihr kleines "Olivenhaus" fordert und erfüllt sie ganz und gar.




Wer - angezogen von der romantisch präsentierten, täglich wechselnden handschriftlichen Speisekarte am Eingang der Passage - das winzige Restaurant betritt, wird unweigerlich Teil ihrer kleinen Welt, taucht ein in mediterranes Leben, entspannt sich unwillkürlich wie an einem beschaulichen Urlaubstag. Alles passt hier: Die rustikalen, antiken Tische, Stühle und Bänke, die gemütliche Enge, der frische Blumenschmuck und die Bücher auf dem Tisch, die als Fluchtpunkte vor allzu neugierigen Fragen zufälliger Tischnachbarn dienen sollen, die stimmigen Bilder an den Wänden, die allesamt von liebgewonnenen Freunden stammen, der unaufdringliche Service durch Ellen, ihre große Hilfe seit vielen Jahren, und natürlich die Wirtin selbst, die in ihrer winzigen Kommandozentrale steht wie ein Kapitän auf der Brücke eines Ozeandampfers.

Die Theke darf niemand umrunden, dahinter ist ihr Reich, in dem jedes Gericht frisch zubereitet wird. Zwei Herdplatten nur, alles griffbereit auf zwei Quadratmetern Fläche. Lächelnd hält Olivia von hier aus Blickkontakt mit ihren Gästen, die gerne immer wieder kommen. "Fünfzig Prozent Stammgäste habe ich", sagt sie, und das sei genau die richtig Mischung. Da wird nicht geklüngelt, da geht man höflich und respektvoll miteinander um. Jeder, der eintritt, wird sofort eingefangen von der besonderen Atmosphäre, aber man muss schon auch Nähe zulassen können, Emotionalität ist die Hauptzutat bei Olivia, wen sie mag, der wird auch schon mal gerne in den Arm genommen.

Ein Stück Toscana zu schaffen, war ihr Ziel, denn seit fünfzehn Jahren zieht es sie regelmäßig wie magisch in den Süden, nach Greve, wo sie viele Freunde und Bekannte hat. Mediterran sind daher die Gerichte, die sie kocht, ländlich südländisch ist auch die rustikale Einrichtung ihres kleinen Refugiums.

Dabei war der Drang nach Süden der gebürtigen Hamburgerin in unbedingt in die Wiege gelegt, obwohl ihr beruflicher Werdegang keine große Überraschung ist. Die Eltern führten einst das "erste Restaurant am Platz", die "Insel" in Hamburg. Schon im Kindergartenalter klapperte die kleine Heidrun mit winzig kleinen Töpfen und Waren aus dem Spielzeug-Kaufmannsladen und "kochte" in ihrem Kinderzimmer für ihre Puppen. Als die Mutter sagte: "Komm, jetzt wir kochen was", regte sich in der eigenwilligen Tochter allerdings erst einmal Widerstand, befehlen kann man ihr nichts. Aber als die Oma am nächsten Tag vorschlug "Was hältst du davon, wenn wir etwas trinken und dabei ein bisschen kochen?" - da war sie sofort dabei: "Es gab Rouladen, und Oma schenkte uns beiden aus ihrer Kornflasche ein." Das wird Olivia nie vergessen, sie erzählt die Episode gern und mit leuchtenden Augen, und oft stellt sie in Erinnerung an die alte Dame zwei Gläschen vor sich hin, füllt sie und genießt sie mit Blick und Verneigung nach oben gen Himmel.

Die Oma war es auch, die Olivia nach Baden-Baden brachte. Als die alte Dame, die in Baden-Baden wohnte, ihren 90. Geburtstag feierte, packte ihre Enkelin in Hamburg zusammen, verkaufte ihr Geschäft und zog zu ihr mit dem Versprechen "Ich werde dir jetzt die schönsten Jahre deines Lebens bereiten". Olivia lacht. "So war das auch. Wir sind durch alle Kneipen gezogen, sie war ja zum Glück nicht nur koch- sondern auch trinkfreudig".

Viele kleine Geschichten ranken sich um die Großmutter, besonders die mit den Kartoffeln: 14 kleine Stück kochte sich die Oma gern, aß dreizehn mit Genuss und die vierzehnte besah sie sich lange, dann beschloss sie "Und du ... bist mein Dessert".

Genuss-Esser und Köchin für Genießer wurde auch die Enkelin. Erst für die Puppenstube, dann für Freunde und Bekannte schwang Heidrun den Kochlöffel. Ob als Caterer in Kalifornien oder als Inhaberin diverser Lokale - angefangen mit der "Sattelkammer" an einem Reitstall in Hamburg, in der noch Oma und Mutter mithalfen, über das Lokal "Die Redaktion" in München-Schwabing, wo sie sich als erstes Fischrestaurant an der Isar bei Brathering und Schellfisch in Senfsoße einen Namen machte. Als sie in Baden-Baden gelandet war, ging es gastronomisch weiter im ehemaligen Bistro, mit einem eigenen Lokal in der Fußgängerzone, genannt "Quo vadis", einem Abstecher nach Mallorca, bis sie schließlich als Olivia im "Olivenhaus" ihre Heimat fand.

Familienverbunden ist sie immer noch; heute sitzt ihre 85jährige Mutter täglich zwei Stunden bei ihr und schält Kartoffeln.




Dazu gibt es Musik. Charles Aznavour ist Olivias Lieblingsinterpret. Sie würde ja zu gern einmal nur für ihn ganz allein zu kochen, aber da er bisher auf ihre Einladung nicht geantwortet hat, fährt sie im März zu einem seiner Konzerte - mit einer weißen Rose in der Hand.

Seit nunmehr fast vierzig Jahren kocht Olivia nun schon, und es wird ihr an keinem Tag zu viel. Jeden Morgen, von Dienstag bis Samstag, startet sie um sieben Uhr, setzt Kartoffeln, Reis und Nudeln auf, trinkt einen Kaffee und erledigt die Einkäufe. Gemüse vom Markt, Fleisch aus der Nähe von Ottersweier, das Lamm bringt ihr Schäfer Svensen aus Balg. Logistisches Denken ist auf so kleinem Raum das A und O, aber die Liebe kommt niemals zu kurz. Die Liebe zu ihren Gästen, die sich in dem Satz "Was darf ich für Sie kochen?" entlädt, die Liebe unter den Gästen ("drei Ehen haben sich hier angebahnt, und sie halten immer noch"), die Liebe zum Detail. Es ist diese liebevolle Stimmigkeit, die einen immer wieder in ihr Lokal zieht.

Und natürlich das Essen selbst! Aaah. Das Beste habe ich mir natürlich für den Schluss aufgehoben. Wie soll man Olivias Küche beschreiben? Vielleicht als französisch angehauchte mediterrane Hausmannskost. Die Ideen für die Speisen am nächsten Tag fliegen der resoluten 65jährigen einfach zu, Kochbücher braucht sie nicht dafür. Manchmal ist eine Lieferung Kartoffeln aus der Lüneburger Heide der Auslöser, manchmal das Gemüse der Saison. Nachts postet sie auf Facebook, was ihr gerade eingefallen ist:




Ihre Spezialität sind natürlich ihre wunderbare Fischsuppe mit Safran, oder ihr Rindfleischeintopf, oder ihre Schlachtfestfreuden mit frischen Nierchen und selbst gestampften Kartoffelbrei... Ihre Soßen (Geheimtipp: "ich koche viel mit Noiley Prat und Cafe-de-Paris-Butter") sind ein Traum, das Salatdressing schmeckt jeden Tag anders. Dessert allerdings sind nicht so ihr Ding, und für einen Espresso nach dem Mahl schickt sie den werten Gast ohne mit der Wimper zu zucken in Cafés mit stilechter Kaffeemaschine, die das besser können als sie.

Die handgeschriebenen Speisekarte wird von den Gästen oft als Erinnerungsstück erbeten.



Und was macht eine so leidenschaftliche Köchin in ihrer Freizeit? Nun - sie genießt das Leben und lässt sich bekochen. Sonntags geht sie manchmal zum Frühstück ins Brenners Parkhotel und lässt sich verwöhnen. "Da komme ich mir vor wie in einer anderen Welt und fühle mich als anderer Mensch", gesteht sie. Anschließend macht sie einen schönen Spaziergang durch die Lichtentaler Allee zum Kloster und wieder zurück. Oder sie kostet, was andere Köche in der Stadt oder in der näheren und weiteren Umgebung können.


Zum Abschluss bekomme ich ein kleines Rezept von ihr, aber - wie das so ist bei kreativen Köchinnen - ohne große Mengen- oder Kalorienangaben. Sie nennt es auch nicht Rezept, sondern


Olivias Tipp für Gemüse mit Fisch:

  

Von einem großen Kohlrabi den Deckel abschneiden, den Kohlrabi (vielleicht mit Hilfe eines Messers und eines scharfen Löffels) aushöhlen, in Gemüsebrühe blanchieren, aber noch bissfest lassen. Sud aufheben.
100 bis 150 Gramm Biolachs pro Person würfeln, in Mehl wenden, mit ein paar Garnelen und/oder Flusskrebsfleisch in Olivenöl sanft braten (soll nicht fest werden), eventuell Spargel, Lauchzwiebeln, Karotten oder Erbsen dazugeben. Dann geht es an die Soße: Estragon, Dill, Noilly Prat, Saft einer halben Zitrone, Kohlrabibrühe, Sahne, eventuell ein bisschen vom Lachs mit der Soße pürieren für eine schöne Farbe und den guten Geschmack, alles mit der geliebten Café-de-Paris-Butter binden.

Dann geht es ans Anrichten - und schon leuchten ihre Augen wieder, denn Olivias Wahlspruch ist zwar "Ich koche mit Liebe ... und würze mit Herz". Aber mit Blick auf die perfekt garnierten Teller möchte man im Stillen "... und dekoriere mit Stil und Gefühl" hinzufügen. In diesem Sinne folge ich ihren Anweisungen und gebe kund: Lachs mit Gemüse in den Kohlrabi füllen, eventuell ein wenig Flusskrebsfleisch darauf verteilen, den Deckel drauflegen, mit einem Dillzweig oder einem kleinen Kohlrabiblatt verzieren, Kohlrabi auf einen großzügigen Soßenspiegel setzen. Kartoffeln oder Basmatireis als Beilage dazu servieren.

Bleibt nur noch eine Frage: Selber kochen - oder sich doch lieber von ihr verwöhnen lassen?

Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag, 11.30 bis 17 Uhr.