Eine weitere Fortsetzung der Alltags-Wahn-Geschichten
von Michael Beck
Dein Lattenzaun brennt
Ich
komme mit den Hunden im Auto vom ausgiebigen Gassigang in den
Brachwiesen zurück und fahre durch Steinbach, im Baden-Badener
Rebland. Sonnenschein, gute Laune (keinen Fasan getroffen und auch
keine vierbeinigen Staubwedel ohne Leine) allenthalben.
Weiter
vorne, an der Sportschule, rangiert ein LKW. Ich rolle langsam darauf
zu, Gegenverkehr cruist über meine Fahrbahn, aber ich bin ja
entspannt, die Autoschlange vor mir ist auch sehr übersichtlich. Bis
mein trübes Auge registriert, dass rechts vor mir die Luft flimmert.
„So heiß ist es ja noch lange nicht!“ signalisiert das
Tourette-Männchen in meinem rechten Ohr. Stimmt. Da brennt ein Stück
Lattenzaun. Ca. zehn Meter entfernt verbrennt ein spätmittelalter
Mann (also meine Liga) mit Vollglatze (gar nicht meine Liga, mein
Haupthaar übt nur für´s Kloster) konsequent mit so einem
Gartenflammenwerfer das Unkraut am Gehweg – und damit auch am Zaun.
Er läßt sich Zeit und tötet jedes Giersch- und Löwenzahnblättchen
konsequent und ausdauernd. Soll ja anständig aussehen für die
vorbeirauschenden Fahrzeuge!
Als
ich langsam vorbeirolle, hupe ich. Aufmerksamkeit auf die Brandstelle
lenken. Er dreht ruckartig den Kopf zu mir und droht mit der Faust.
Dann fackelt er weiter konsequent alles ab, was leben könnte. Dass
es brennt, ignoriert er völlig.
„Doofkopp…“
sagt mein Kleinhirn, „…soll er doch seinen Zaun abrauchen
lassen.“
Die
Helfersyndromfee in meinem Kopf (die kennt Ihr noch nicht, die ist an
vielem schuld…) verbündet sich mit dem bestens bekannten
Tourette-Männchen in meinem rechten Ohr. „Klär ihn auf!“
flüstern beide unisono. Bremse, Rückwärtsgang (war ja natürlich
das letzte Auto in der Schlange) und ich rolle zurück zu ihm. Lasse
das Beifahrerfenster herunter und rufe: „Hallo! Ihr Zaun brennt!“
Er richtet sich auf und dreht den Kopf zu mir. Zwei hochgezogene
Augenbrauen signalisieren: „Da will schon wieder so ein
Schei…tourist den Weg zur Yburg wissen!“ Er gröhlt „WAS?!?“
Oh, ganz übel – Tourette im rechten Ohr freut sich ein Loch in die
Mütze. „Wie bitte, wenn schon!“ gröhle ich zurück. Das ist
systemimmanent beim Tourette-Männchen und mir – eigentlich sind
wir uns da ja einig. „Ja wie jetzt was?!?“ gröhlt es zurück.
Wir registrieren eine leichte Lernkurve. Die Hunde knurren und treten
auf der Stelle – da ist jemand mies drauf.
Ich
steige aus und gehe um das Fahrzeug herum. „Ihr Zaun brennt!“
sage ich zum schwitzenden Mann, „lichterloh!“ (Ich neige, sehr
selten, zu Übertreibungen. Aber fünf Latten inclusive Querträgern,
könnte man – im Verhältnis zur Zaunhöhe – schon als
„lichterloh“ bezeichnen. Wenn man noch zehn Minuten wartet,
könnte man ca. drei Meter Spareribs auf dem Zaun grillen. Obwohl,
der ist bestimmt mit Holzschutzmitteln gestrichen, lieber nicht.)
Steilvorlage.
Er ist völlig resistent, schreit noch mal „WAS?!?“ und fuchtelt
dabei mit seinem Gartenflammenwerfer vor meiner Nase herum. Ganz
schön heiß. Die Hitze bringt mein „das heißt: Wie
bitte!“-Männchen zum Schweigen und ich deute in Richtung des neu
geschaffenen Grillvergnügens. Sein Kopf ruckt herum, gottlob nimmt
er dabei auch den Flammenwerfer mit.
„Mein
Zaun brennt!“ höre ich ihn fassungslos. „Will ich Ihnen ja schon
ne ganze Weile sagen…“ bemerke ich. Ist ja nicht mein Zaun.
Fassungslos schaut er mich an, dabei ruckt sein Flammenwerfer wieder
bedenklich in meine Richtung. Ich wechsle die Position. „Was soll
ich jetzt denn machen?“ kreischt er. Feuer bringt den wirklichen
Menschen zum Vorschein. „Löschen?“ antwortet das völlig
rational agierende Tourette-Männchen in meinem Ohr.
„Wie,
wie, wie?“ klingt es fast schon panisch. „Äh, Regentonne,
Wassereimer, Gartenschlauch, Feuerlöscher?“ antworte ich, völlig
entspannt, weil der Flammenwerfer gerade eine Zaunlatte ganz in
unserer Nähe zum Qualmen bringt. Zwei paralysierte Augen schauen
mich an. Tourette-Männchen ist gnädig. „Erst mal machen Sie das
Ding da aus bitte.“ Der Flammenwerfer erlischt – ich öffne die
Heckklappe und nehme die große Antirutschmatte aus dem Heck. Die
Hunde sind immer noch nicht amüsiert und ich mache schnell wieder
zu. Rutschmatte über den brennenden Zaun und pffffft. Fertig. Die
neue qualmende Latte hat sich selbst wieder beruhigt.
Anstatt
sich zu bedanken ruft er: „Das ersetze ich Ihnen aber nicht!“
„Was?“ frage ich verdutzt zurück. „Den Teppich da. Das Ding!“
„Warum nicht?“ frage ich zurück – gibt ja allerdings auch
keinen Grund, die Matte mieft, ist ein wenig angeschmurgelt – kann
man einfach auslüften. „Wenn Sie nicht so lange mit mir rumgemacht
hätten, hätte ich das sofort bemerkt!“ Ah so, alles klar. „Sie
sind AfD-Wähler?“ fragt das Tourette-Männchen. Er nickt. Alles
klar. Hasta la vista, Baby. Ich zeige ihm meinen nicht so schönen
Finger, begleitet von einem nicht so schönen Wort und trolle mich.
Sollte
seine Bude mal in Flammen stehen, komme ich mit einem Klappstuhl,
setze mich davor und drehe ein Video. Oder so. Oder…Doofkopp.
„Hoffentlich
habe ich genug Holzlatten…“ höre ich ihn noch durch das offene
Beifahrerfenster grübeln, bevor ich losfahre.
Zur
Beruhigung: Er hatte. Sind schon alle montiert, habe ich gerade
gesehen.
Landleben?
Nein, die Sorte gibt es überall. Ähm, Helfersyndromfee, wir haben
einen Termin. Sehr ernst. Dringend.