Mittwoch, 30. September 2015

Café International


Jeden Freitag Einladung zum
internationalen Miteinander

Kunterbunt wie die Flyer und Plakate soll das neue Angebot der evangelischen Stadtkirche sein, jeden Freitag Abend unter dem Bonhoeffersaal in der Bertholdstraße für Einheimische und Asylbewerber ein gemeinsames, offenes „Café international“ anzubieten.



Niederschwellig soll dieses unverbindliche Begegnungsangebot sein, erklärte Manfred Bender bei einer ersten Informationsversammlung im Juli. 

Die Eröffnung des Cafés ist am Freitag, 2. Oktober, um 16 Uhr geplant. 

Inzwischen hat man das Programm verfeinert: Am 2. Oktober kann man sich bereits ab 16 Uhr in den Jugendräumen unterhalb des Bonhoeffersaals umsehen. Um 17 Uhr ist der offizielle Startschuss im Rahmen der interkulturellen Woche vorgesehen. Danach wird das Café jeden Freitag zwischen 17 und 20 Uhr geöffnet sein.

Ein fester Stamm von Mitarbeitern aus „neuen“ und „alteingesessenen“ Einwohnern wird für einen reibungslosen Betrieb sorgen. Es sollen Kuchen, internationale Snacks, Käsegebäck, Kaffee, Tees und Softdrinks ausgegeben werden.

Sitzgruppe, runder Tisch, Tischfußball, Billard, jede Menge Gesellschaftsspiele, eigener Eingang, sanitäre Einrichtungen und Teeküche – alles ist bereits in den Jugendräumen im Untergeschoss des Bonhoeffersaals vorhanden. So lag es nahe, dass Manfred Bender im Namen der Willkommensgruppe von „Immergrün“ der evangelischen Stadtkirchengemeinde auf die Idee verfiel, die Räumlichkeiten in der Innenstadt einmal in der Woche für ein internationales Begegnungscafé zu öffnen. Er selbst ist ja außerdem als ehrenamtlicher Sprachlehrer in der Asylunterkunft in der Westlichen Industriestraße tätig. So brachte er denn auch zur Auftaktversammlung gleich vier seiner Sprachschüler mit, die sich sofort bereiterklärten, sich zusammen mit einheimischen Ehrenamtlichen die Arbeit im Café zu teilen.

Gerade das Zusammenspiel zwischen Ehrenamtlichen und Betroffenen sei ihm wichtig, sagte Bender, denn Integrationsarbeit sei immer auch Friedensarbeit und - „Friede ist der Ernstfall“.

Hat sich das Café etabliert, soll im Frühjahr/Sommer 2016 die zweite Stufe gezündet werden. Dann ist eine Vertiefung der Friedens- und Integrationsarbeit angedacht, und zwar mit thematischen (Kurz-)Vorträgen, Diskussionsrunden, aber auch mit Musik, Literatur und Filmen aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge.

Wer aktiv mitmachen möchte, ist herzlich willkommen:

Ansprechpartner:
Manfred Bender, Mail: madalima@gmx.de
Tel. 07221- 39 13 02






Dienstag, 29. September 2015

Waldseeplatz (1)



Krisenmodus und Notfallplan
Waldseeparkplatz auf dem Weg


Stadtverwaltung im Krisenmodus. Auf Hochtouren wird zurzeit an Planungen gearbeitet, demnächst Monat für Monat bis zu 120 neuen Asylbewerbern in der Stadt ein Dach über dem Kopf zu geben. Selbst die Möglichkeit, Turn- und Festhallen dafür umzufunktionieren ist kein Tabu mehr, auch auf die Gefahr hin, dass eventuell im Januar/Februar 2016 hier und da eine Faschingssitzung ins Wasser fallen oder umorganisiert werden muss. Um diesen Fall nach Möglichkeit nicht eintreten zu lassen, jagt im Rathaus derzeit eine Krisensitzung die andere. Für Donnerstag hat Bürgermeister Michael Geggus mehrere Hilfsorganisationen und Vereine zu einer Sitzung eingeladen, um einen Notfallplan (Hallenbelegung) zu erstellen, der gleich tags drauf der Presse vorgestellt werden soll.

Da blieb gestern auch dem Gemeinderat nur wenig Spielraum, und so befürwortete man die verschiedenen Standorte, die nun im Gespräch sind. Hotel Abarin (80 Bewohner ab November 2015), Heitzenacker (400 bereits ab Mitte 2016), Rheintalstraße (40 Plätze für Anschlussunterbringung ab Mitte 2017) wurden einstimmig auf den Weg gebracht, um das große Projekt Waldseeparkplatz (bis zu 1000 Menschen ab Januar 2016 – in drei Bauabschnitten) wurde leidenschaftlich gerungen. Die Mehrheit der Gemeinderäte gab aber auch hierfür generell grünes Licht für die Planung, wenngleich man darauf drang, über Details, die Suche nach Alternativen und die Kosten in der nächsten Hauptausschusssitzung am 19. Oktober mehr Informationen zu erhalten, um dann die endgültige Realisierung zu beraten und zu beschließen.

Dass die Zeit drängt und nicht viel Handlungsspielraum vorhanden ist, machte Bürgermeister Michael Geggus noch einmal deutlich. „Die Krise wartet nicht auf die Beschlüsse des Gemeinderats“, mahnte er, die Krise sei längst da. Auf der Suche nach Alternativen habe man in jüngster Zeit 70 Wohnungen und Häuser und 15 Gastwirtschaften und Hotels besichtigt. Vieles scheitere am Zustand der Gebäude, an fehlenden Rettungswegen oder auch an den zu hohen preislichen Vorstellung der Anbieter. Er macht dabei deutlich, dass der Mietpegel derzeit bei 6,50 bis 8,50 Euro liege. „Jeder, der uns Wohnraum anbietet, bekommt zeitnah einen Besichtigungstermin“, versprach er. (Anmerkung: Kontakt: Marc Haase, Fachbereich Bildung und Soziales, mail: marc.haase@baden-baden.de, Tel. 93 1484.

Da es aber zeitnah keinen großen Handlungsspielraum gibt und keine größeren Lösungen in Sicht sind, bleibt aufgrund des Zeitdrucks nur die Alternative, den Waldseeparkplatz zu bebauen. Wie das aussehen wird, zeigte ein Planungsbüro, das seit gut drei Wochen mit dem „atmenden Dorf“ befasst ist:




28 000 Quadratmeter habe man zur Verfügung, erläuterte der Vertreter eines Planungsbüros, das seit gut drei Wochen mit den Vorbereitungen beschäftigt ist, zum Wald müsse man einen Abstand von 30 Metern einhalten. 12 dreistöckige Wohngebäude als Doppelhäuser sollen entstehen, die in 36 Wohngruppen aufgeteilt werden sollen. In der Mitte des Platzes soll bereits im ersten Bauabschnitt ein Zentralgebäude für Verwaltung, ärztliche Versorgung, Sicherheitsdienst und Versammlungsräume errichtet werden. Der Platz wird beleuchtet und eingezäunt, Einlass gibt es nur für Berechtigte. Auch an einem Sicherheitskonzept werde derzeit auf Hochtouren gearbeitet, hieß es.

Es wird ein eigenes Sachgebiet „Asyl und Obdachlosenwesen“ geschaffen, in dem 15 Vollzeitstellen angesiedelt werden. Auch die ehrenamtlichen Helfer sollen professionell koordiniert werden. Ohne die Unterstützung von Ehrenamtlichen gehe es nicht, wurde immer wieder deutlich.

Ziel sei es, den Asylbewerbern schnell Deutsch beizubringen und sie danach zügig in Arbeit zu vermitteln. OB Mergen machte aber auch deutlich, dass es keine Sonderbehandlung für die Flüchtlinge geben wird. Beiträge in Sportvereine würen nicht bezuschusst, das müssten die Flüchtlinge schon aus eigener Tasche zahlen, denn „wir dürfen unsere eigene Bevölkerung nicht vergessen“. 

Eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung zum Thema Waldseeparkplatz wird es am 2. November um 19 Uhr im alten E-Werk geben. 




 

Sonntag, 27. September 2015

Suppenparty - ein FEST

Es war überwältigend

Es war ein FEST!

Danke an ALLE!





An alle Helfer, die unkompliziert anpackten, wo es nötig war, danke an alle, die in die sehr anstrengende Organisation eingebunden waren, allen voran die Stadtverwaltung, besonders Christopher Bell, aber auch die ganze Mannschaft der Stadt, die hinter ihm stand, und für die es einfach keine Probleme gab, weil alles lösbar war! 

Danke an Georg von Langsdorff für dieses Video, das die Stimmung super gut einfängt => KLICK






Dann ein dickes Dankeschön an die Verantwortlichen für die Suppen, die Küche, das Kinderprogramm, die Wörterrallye, das Licht, der Ton und das Marketing, die Preisverleihung, die Dekoration, die Getränke, ferner danke an das Ordnungsteam, den Diskjockey, das Spülteam, das Eis-Team, das Team Kunsthalle, die Kasse und alle, alle, alle anderen.

Danke auch an alle Neu- und Alt-Baden-Badener, die mit ihrem Kommen und ihrer Begeisterung ein großes Zeichen für die Willkommenskultur in unserer Stadt gesetzt haben! Die nächsten Monate werden schwierig, aber machbar.

Mich persönlich hat es am späteren Abend am meisten berührt, die Asylbewerber der Stadt zu fetziger Diskomusik ausgelassen tanzen zu sehen. Von vielen kannte ich ihre schrecklichen und traumatischen Fluchtgechichten. Umso anrührender war es mitzuerleben, wie sie für ein paar Stunden alles hinter sich ließen und einfach nur ausgelassene, lebenslustige junge Menschen waren. Dafür hat sich alle Anstrengung gelohnt!

Und nun lasse ich die Bilder sprechen. Danke an Michael B. fürs Fotografieren! 























unsere Diskjockeys!


























































Samstag, 26. September 2015

Suppenparty - Aufbau

Es geht los!


Tische, Bänke, Deko, Getränke, Malsachen, Töpfe, Kabel, Strom, Warmhalteplatten, Tischdecken, Servietten, Preise, Bons, Zelt, Stehtische, Aschenbecher, Musikanlage, Diskokugel... und jede Menge Stress und gute Laune. Festvorbereitungen im vollen Gange. Danke euch allen! 

Um 16 Uhr beginnt das Programm.  Bis dahin haben wir noch ordentlich zu tun.

 













Die ersten Gäste waren schon um halb zwölf da und wollten "a Süpple". Das war dann doch zu früh!

Es gibt für die Kinder übrigens auch Eis - danke ans Café Capri!






Suppenparty (4)



Damit hat niemand gerechnet:
70 Neuzugänge über Nacht


Der gestrige Tag war an Dramatik nicht zu überbieten!

Während im Vincentiushaus die heiße Vorbereitungsphase für die internationale Suppenparty anlief, ein Zelt aufgebaut wurde ...



... und an vielen Stellen der Stadt geschnippelt wurde, und die ersten Suppen in ihren Töpfen brodelten, 






drängten sich in der Schussbachstraße Interessierte und Anwohner, um die neue Asylbewerberunterkunft zu besichtigen. 

Der sehr winzige Gemeinschaftsraum, in dem – ganz objektiv betrachtet – vernünftige Flüchtlingsarbeit räumlich vermutlich auf große Schwierigkeiten stoßen wird, konnte die Menschenmenge nicht fassen, die es kaum mehr abwarten konnten, sich in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit einzubringen. Grob gerechnet dürfte dort ein Helfer auf einen Flüchtling kommen. Man musste auf den Flur ausweichen.




Besonders erstaunlich und erfreulich war, dass sich so viele Nachbarn eingefunden hatten, die ihre anfängliche Skepsis abgelegt und ins Gegenteil verkehrt hatten. Das ist übrigens ein großer Verdienst von Samuel Mottaki von Aktivbrücke, der in den letzten Wochen von Haus zu Haus gegangen war und für gute Stimmung und große Hilfsbereitschaft gesorgt hatte.

Und so schien alles gut und heiter. Draußen schien die Sonne, drinnen waren die Zimmer zwar noch nicht so ganz fertig, aber man dachte ja, es sei noch etwas Zeit. Die Integrationsbeauftrage der Stadt, Hanna Panther (rechts), die vom Ansturm völlig überwältigt war, verkündete im Beisein von Sozialarbeiterin Jasmin Gerstner (Mitte) und Adrian Struch von der Caritas noch die „neuen Zahlen“: Am 12. Oktober werde wohl die erste Gruppe von neuen Bewohnern ankommen, sagte sie, eine Woche später erwarte man die nächste Gruppe. Zeitspannen, auf die man sich einstellen kann.




Niemand ahnte, wie schnell diese Zahlen überholt sein würden. Denn während noch darüber diskutiert wurde, in welche Gruppen man sich verteilen wollte und welche Aktivitäten man den Asylbewerbern anbieten könnte – bis hin zum Trommelkurs war alles mögliche im Gespräch – glühten derweil im Rathaus die Telefondrähte. 


 

Und als sich die Gruppen gerade auf neue Versammlungstermine vertagen wollten, platzte Bürgermeister Michael Geggus höchst persönlich mit der Nachricht herein: Soeben hatte er erfahren, dass bereits in wenigen Stunden 70 neue Asylbewerber in Baden-Baden ankommen würden. 60 passen in das neue Heim in der Schussbachstraße, das somit sofort voll belegt sein würde, zehn weitere werden - dem Vernehmen nach, was aber noch unklar war -  im alten Vincentiushaus untergebracht.

Dass es so schnell gehen würde, damit hatte niemand gerechnet. Alarmstufe rot.

Vor allem die städtischen Hausmeister mussten daraufhin eine Nachtschicht einlegen, denn noch waren längst nicht alle Zimmer in der Schussbachstraße bezugsfertig, und auch im Vincentiushaus war man nicht auf neue Bewohner eingerichtet.

Und damit stand plötzlich auch die internationale Suppenparty auf der Kippe. Kann man angesichts einer solch dramatischen Situation fröhlich feiern? Würde es dem zuständigen Hausmeister des Vincentiushauses, Christopher Bell, überhaupt zuzumuten sein, heute nach durchwachter Nacht noch einen anstrengenden langen Tag dranzuhängen? Ohne ihn hätte die Veranstaltung wohl nicht stattfinden können.

Doch den Mann kann nichts aus der Ruhe bringen: „Aber klar. Wir kriegen das hin. Die Suppenparty findet statt“, antwortete er spontan auf unsere Bedenken.

Insofern – darf ich doch bitten: Hereinspaziert!

Um 16 Uhr geht es heute los. Einzelheiten können Sie hier nachlesen. => KLICK

Kommen Sie, feiern Sie mit uns! Eine solche Gelegenheit wird es so schnell nicht mehr geben.

Übrigens: Die Suppenkarte ist auch schon fertig:











Freitag, 25. September 2015

Suppenparty (3)


Kleine Topf-Parade:
Die Suppen-Sponsoren

Morgen um 16 Uhr geht es los: Die internationale Suppenparty mit Wörterwettbewerb für die Asylbewerber, mit buntem Kinderprogramm und Vorstellung aller Gruppierungen, die in Baden-Baden ehrenamtliche Flüchtlingshilfe leisten und für die kommenden Herausforderungen noch viele Mitstreiter suchen. Abends ab ca. 19 Uhr darf zu Diskomusik abgetanzt werden (um 22 Uhr ziehen wir allerdings den Stecker).

Keine Suppenparty ohne Suppen! 135 Liter werden gekocht, mehr war organisatorisch nicht möglich. Mit Spannung erwarten wir vor allem die landestypischen Eintöpfe, die uns - unter Mitwirkung deutscher Suppenpaten - Asylbewerber aus Gambia, Togo, Nigeria, Eritrea und Kamerun zubereiten werden. Ich danke allen Sponsoren, die das möglich gemacht haben. Morgen ab ca. 17 oder 17:30 Uhr können wir probieren, wie die neue Vielfalt unserer Stadt schmeckt.

Hier die Gastronomen aus Baden-Baden, die entweder selber zum Kochlöffel greifen, oder Topf und Zutaten gespendet haben, hinzu kommen noch die privaten Köche Alexius Schneider und Karin Österle mit Freunden.



 Olivia Pallas vom Olivenhaus, Kreuzpassage => KLICK





Skender und Hatixhe Azemi, Café Kunsthalle => KLICK





 Tatjana Hilger und Holger Graß, Amadeus => KLICK





Peter Schreck, Rizzi => KLICK





Michael Hertweck und Peter Petzi, Le Bistro => KLICK





Sarah Bruder, Café Lumen => KLICK




Küchenchef Roland Uhl, Hotel Sophienpark => KLICK
der bis nach Straßburg fuhr, um afrikanische Zutaten zu besorgen.





Sylvia John, Sylvias Kartoffelstube => KLICK





Barbara und Helmut Schneider, Schneiders Weinstube => KLICK




Und hier noch alle Sponsoren unserer Veranstaltung im Überblick:



Mittwoch, 23. September 2015

Kunsthalle - Geld 1


Geld in der Kunst
Gut oder Böse?



Was verbindet Staatliche Kunsthalle, Theater, Spielcasino und Stadtmuseum miteinander? Natürlich das liebe Geld. Aber nicht die Sorge um die stets viel zu knappen Finanzmittel hat die Chefs dieser vier Institutionen gestern an einem Tisch vereint, sondern ihre Liebe zum Geld. Oder vielmehr die Kunst, Geld zu lieben. Oder, anders ausgedrückt, um das liebe - gute oder böse - Geld nächstes Jahr zum Thema einer raumübergreifenden Kunstausstellung zu machen.

Gutes und böses Geld - so lautet das Thema der großen Landesausstellung der Staatlichen Kunsthalle, die vom 4. März bis 19. Juni 2016 an mehreren Orten in Baden-Baden gezeigt und gelebt wird. 

Eigentlich werden solche große Ausstellungen lieber unter dem Mantel der Verschwiegenheit ausgebrütet und irgendwann, kurz vor der Eröffnung, der staunenden Welt präsentiert. Aber diesmal hob Kunsthallen-Chef Johan Holten zusammen mit seinen ungewöhnlichen Kollegen der Ausstellung, Heike Kronenwett (Stadtmuseum), Nicola May (Theater) und Thomas Schindler (Casino) den Vorhang bereits Monate zuvor ein kleines Stück. Voller Vorfreude stellte er gestern der Presse das neue Projekt vor.

750 Jahre Geldgeschichte in der Kunst werden in dieser großen Ausstellung gezeigt, der Bogen spannt sich von einer frühen italienischen Darstellung aus Siena aus dem Jahr 1286 über das Bild einer Steuereintreiberin aus dem Jahr 1590 bis hin zu vergoldeten Kohlebriketts und der Finanzkrise des Jahres 2008. Daran knüpft auch das Theater an, das eine „Wirtschaftskomödie“ von Elfriede Jelinek aufführen wird, welche zur Zeit noch laufend von der Nobelpreisträgerin aktualisiert wird. Schwerarbeit für das Team des Theater, das war schon herauszuhören.

Das Stadtmuseum hingegen hat einen heiteren Part übernommen, es wird sich den sehr erzieherisch-moralischen Ursprüngen des beliebten Spiels „Monopoly“ widmen, und das Casino - nun ja – hier erübrigt es sich, über jeden Zusammenhang zum Geld nachzudenken. Auch in diesen Sälen werden nächstes Jahr Kunstwerke zum Thema Geld gezeigt, und man hofft, mit diesem Kunst-Griff auch Besucher anzulocken, die sonst vielleicht nicht unbedingt zum Spielen aufgelegt sind. Zumindest vormittags, und darauf wies Direktor Schindler besonders hin, ist das Casino für jedermann geöffnet, es gibt keine Kleiderordnung und keine Altersbeschränkung.

Alles in allem ist jetzt schon klar: Das wird sicher eine sehr kurzweilige Ausstellung für jeden Geschmack. Darauf freuten sich denn auch fürs Pressefoto von links: Johan Holten, Nicola May, Heike Kronenwett und Thomas Schindler.

Und keine Sorge, auf den Termin wird zur gegebenen Zeit sicherlich noch einmal hingewiesen - völlig unentgeltlich.

Sonntag, 20. September 2015

Çetin Beker


Menschen in Baden-Baden, heute:
Çetin Beker


Integration – ein sperriges, abstraktes Wort, das zurzeit in aller Munde ist. Viele Menschen machen sich Sorgen, wie „Integration“ funktionieren könnte. Dabei brauchen sie eigentlich nur um die Ecke zu gehen, um Erfolgsmodelle zu erleben: Italiener, Griechen, Türken – sie alle kamen vor ein paar Jahrzehnten zu uns und gehören heute ganz selbstverständlich in unsere Gesellschaft - und das, obwohl sie es weiß Gott nicht immer leicht hatten bei uns.




Für den Nachbarn war ich der „Sohn vom Türken“, obwohl er doch ganz genau wusste, wie ich hieß“, erinnert sich Çetin Beker noch lebhaft an einen Vorfall, der ihn sehr gekränkt hatte. Auch in der Schule war er schnell völlig zu unrecht als Schuldiger ausgemacht, wenn etwas passierte. Das sei sehr demütigend gewesen, sagt er heute, vor allem, weil er damals noch nicht die Sprache beherrschte und sich nicht verteidigen konnte.

Das kann man kaum glauben, wenn man ihn heute in seinem Geschäft am Bertholdsplatz besucht. Wie ein kleiner, heimeliger Tante-Emma-Laden kommt einem seine „Game-station“ vor. Bunt gemischt wie sein Sortiment von Videospielen und gebrauchten Handys ist auch seine Kundschaft, die sich an diesem verregneten Nachmittag wie in einem Taubenschlag die Klinke in die Hand gibt.

Da ist der ältere Herr mit seinem nicht minder betagten Klapphandy, das nicht mehr so richtig funktioniert. Çetin Beker verspricht, ein anderes zu besorgen. Er kennt den Kunden, weiß, dass er Hörprobleme hat. „Ich finde etwas für Sie, ein älteres Gerät, denn die sind lauter als die smartphones“, tröstete er den Mann. „Kommen Sie Ende der Woche wieder.“ 

Zwei Halbwüchsige kramen aufgekratzt in den Regalen mit den Videospielen und entschließen sich dann doch, nur 20 Cent einzusetzen und sich aus einem altmodischen Automaten je eine Kaugummi-Kugel zu ziehen.


 

Zwei junge Burschen schleppen ein schweres Paket herbei. 32 Kilo wiege es, versichern sie ihm, denn er nimmt nur Pakete bis 40 Kilo an. Aber die Verpackung muss geändert werden. Für Çetin Beker kein Problem. Er sucht einen anderen Karton, hebt das schwere Motorenteil geduldig hoch, bis die Burschen es mit Luftpolsterfolie umwickelt haben, und sorgt für Füllmaterial.

Wieder geht die Tür. Ein kleiner Junge stürmt herein, stockt, grüßt fröhlich und bleibt etwas verlegen, aber mit erwartungsvollem Blick vor der Ladentheke stehen. Çetin Beker beugt sich vor und lächelt. „Möchtest du vielleicht einen Lutscher haben?“ Der Junge nickt – und bekommt ihn natürlich und rennt glücklich hinaus.

Schon steht der nächste Kunde da und hält sein Smartphone hoch. Çetin Beker genügt ein kurzer Blick. „Oh, sieht bös aus“, sagt er, fügt aber gleich beruhigend hinzu: „In einer Stunde ist es fertig.“ Dann verschwindet er in seine kleine Werkstatt und beginnt zu „basteln“. 



 
Ich habe schon immer gerne Sachen auseinandergenommen“, sagt Çetin Beker und lacht ein bisschen. „Manchmal habe ich sie auch wieder zusammenbekommen.“ Heute ist er „DER“ Fachmann für Smart-Phone-Reparaturen in Baden-Baden, aber bis der freundliche 43jährige sich diesen Ruf erarbeitet hatte, war es ein langer Weg.




Den Ausgang nahm seine Geschichte in einem kleinen Dorf in Anatolien, von dem aus sich sein Vater einst aufmachte und in die Millionen-Stadt Izmir zog. Ein Riesenschritt für diesen Mann, und es sollte ein noch größerer folgen: 1970 ging er nach Deutschland, 1979 ließ er seine Familie nachkommen. Eine abenteuerliche Reise von Izmir nach Varnhalt sei das gewesen, erinnert sich Çetin Beker, der damals sieben Jahre gewesen war. „Wir saßen zu acht in einem Ford Consul, zu acht – plus Gepäck.“ Bei der Passkontrolle staunten die Grenzbeamten immer wieder, wie viele Menschen in diesem Wagen saßen, aber damals ließ man solch überladene Autos noch großzügig weiterziehen. „Ich saß die ganze Fahrt über auf der Handbremse“, weiß Çetin Beker noch und schüttelt sich. Eine Qual sei das gewesen.

Auch die Ankunft in einer winzigen zwei-Zimmer-Wohnung steht ihm noch bildlich vor Augen. Und wie die Kinder sich über das deutsche Essen gewundert hatten. Brötchen - neu! Fruchtjoghurt – merkwürdig. Dann noch die anderen Geschmacksrichtungen: Zu wenig scharf, zu wenig süß. „Aber die Milchschnitte, die haben wir geliebt!“

Was folgte, war ein Alptraum: Der Siebenjährige wurde eingeschult, ohne ein Wort Deutsch zu können. Wie ein Taubstummer sei er sich vorgekommen, und schnell wusste er, wie wichtig es für ihn sein würde, möglichst rasch Deutsch zu lernen. Die Aufnahme im Fußballverein half dabei übrigens herzlich wenig, „da wurde Fußball gespielt und nicht viel geredet.“ 


Sozialarbeit, wie sie sein sollte 


Er hatte Glück. Zwei Sozialarbeiterinnen der Stadt kümmerten sich um ihn. Unvergesslich ist das noch heute für ihn, selbst ihre Namen – Angelika und Agnes – kennt er noch. Die beiden holten ihn von zuhause ab, lernten mit ihm, nahmen ihn auch mit zu sich nach Hause, damit er deutsches Leben und die deutsche Küche kennenlernte. 

Es lohnte sich. Er wurde ein guter Schüler, hatte im Übergangszeugnis der Grundschule viele Einser und hoffte natürlich insgeheim auf den Wechsel zumindest in die Realschule. Doch es kam anders, die Lehrer sprachen dem "kleinen Türken" nur die Hauptschulempfehlung aus, und seine Eltern nahmen es hin, machten sich auch keine Gedanken darüber. „Meine Mutter konnte nicht lesen und schreiben, mein Vater nur sehr schlecht Deutsch, sie hätten mir in der Schule gar nicht helfen können - und was der Lehrer sagte, das galt damals für sie.“

Er selbst fand diese Zurücksetzung sehr enttäuschend und demütigend. Immerhin fand er im damaligen Rektor einen Förderer, mit dem er übrigens auch heute noch in Kontakt steht. Die Hauptschule verließ er dann auch mit einer glatten Eins, auch die Realschule war kein Problem für ihn, die Ausbildung zum Autoelektriker bei Mercedes in Gaggenau wurde verkürzt, den Abschluss machte er als bester Lehrling. 


 
Was folgte – war die nächste Ernüchterung: Ein Angebot, am Band zu arbeiten. Er konnte es nicht glauben. „Ich habe mich so angestrengt und soll jetzt ans Band?“, fragte er nach und hatte Glück: Er wurde im Unimog Kundendienst im Bereich Elektrik eingesetzt. "Eine schöne und lehrreiche Zeit“, sagt er rückblickend. Allerdings wurde ihm klar, dass er nicht 40 oder 50 Jahre lang an ein und derselben Arbeitsstelle bleiben wollte.

Als das Unimogwerk zumachte und er nach Wörth ziehen sollte, zog er daher die Reißleine und machte das, „was wohl jeder Türke einmal in seinem Leben machen will“: Er eröffnete – blind für die Risiken der Selbständigkeit – Mitte der 90er Jahre zusammen mit seiner Frau eine Dönerbude, das „Sindbad“ am Augustaplatz. Doch schnell wurde ihm klar, dass er in der Gastronomie mit ihren Arbeitszeiten bis 2 Uhr morgens nicht glücklich werden würde, zumal seine beiden Söhne geboren wurden – auf die er übrigens mit Recht sehr stolz ist. Der Älteste hat gerade Abitur gemacht und mehrere Preise eingeheimst – darunter auch den renommierten Scheffel-Preis für das beste Deutsch-Abitur. => KLICK und wird demnächst in Heidelberg Jura studieren. Das freut Çetin Beker natürlich besonders. „Gerade wir Ausländer wollen doch immer, dass es unsere Kinder besser machen!“ 


Dönerbude 


Sein eigener Weg war wesentlich steiniger. Sein Bruder übernahm die „Dönerbude“, er selbst fand eine sehr kurze Beschäftigung in einem Großbetrieb mit Schichtdienst – und verzweifelte alsbald. Die Arbeit selbst war kein Problem für ihn, aber die Zeit, die verging einfach nicht. „Ich schaute auf die Uhr, weil ich dachte, es sei bereits 21 Uhr, aber es war gerade erst 19 Uhr.“ Da wurde ihm klar, dass er wieder gehen musste: „Ich kann doch keinen Job machen, in dem die Zeit nicht vergeht und ich mich die ganze Woche auf Wochenende freue. Was ist denn das für ein Leben!“

In einer Druckerei als Leiter der Weiterverarbeitung war das Leben schon abwechslungsreicher. Dennoch holte ihn irgendwann seine große Leidenschaft ein, die Videospiele. Nein, nicht die Spiele an sich, sondern die technische Seite faszinierte ihn. Dies war die Geburtsstunde der Gamestation, die er zunächst zuhause in Neuweier im Keller betrieb. Sechs Monate später, im August 2000, eröffnete er sein eigenes Geschäft am Bertholdsplatz, und sein buntes Leben als Videospiele-Verkäufer begann. „Ich könnte ein Buch darüber schreiben“, lacht er, und es ist ihm anzumerken, dass er jetzt endlich genau „sein Ding“ gefunden hat.


Anlaufstelle


Schnell wurde sein Geschäft zur Anlaufstelle, nicht nur der Nachbarschaft, die ihn zunächst bestürmte, auch Bügeleisen und Föhn zu reparieren oder sogar Damenstrumpfhosen zu verkaufen. Bald war die Gamestation DER Treffpunkt für Jugendliche, vor allem die Nintendo-Vorführkonsole war die Attraktion. Man spielte, man teilte das Essen, es wurden – ohne wirtschaftliche Interessen - Spiele-Turniere auch außerhalb veranstaltet. „Aber alles verändert sich“, räumt Çetin Beker ein, auch er selbst kann davon ein Lied singen.

2006 eröffnete der MediaMarkt in der Cité, und damit veränderte sich das Verhalten der Konsumenten. Wenn er ein Spiel nicht vorrätig hat, waren die Kunden früher zufrieden gewesen, wenn er es ihnen über Nacht besorgte. „Heute fahren gleich weiter in die Cité“ - wenn sie das Spiel nicht gleich ganz bequem am eigenen Computer downloaden. Aber die Paketannahme und der Handy-Reparaturdienst, den er seit zwei Jahren anbietet, federn vieles ab.

Aber eine Tradition aus den Anfangsjahren der Gamestation lebt immer noch: Die Weihnachts-Pizza-Kasse, die das ganze Jahr über von ihm und seinen Kunden gefüttert und am 23. Dezember geschlachtet wird. „An Heiligabend mittags kommen alle Stammkunden und Freunde hierher, und es gibt Riesenpizzen und Getränke, und man erzählt sich Geschichten von früher.“




Hat er einen Wunsch? Er lacht leise. „Alles soll so bleiben, wie es ist. Uns geht es doch gut.“

Und wie fühlt er sich? Zwischen zwei Kulturen?

Çetin Beker verzieht das Gesicht. Wenn Leute ihn fragen, ob er im Urlaub „nach Hause“ fahre, ärgert ihn das. „Zuhause – wo ist das? Hier ist das natürlich“, sagt er mit Nachdruck. Hier habe er alles getan, um heimisch zu sein: Baum gepflanzt, Haus (im Rebland) gebaut, Wurzeln geschlagen. Kurz: „Wir sind angekommen“.

Natürlich fahre er ab und zu mit der Familie in die Türkei und besichtige antike Stätten und genieße das gute türkische Essen, aber das steht beileibe nicht jedes Jahr auf dem Programm. Denn am liebsten macht er natürlich Urlaub daheim – auf der Hornisgrinde oder mit dem Fahrrad am Bodensee. 




Wenn er an die Asylbewerber denkt, die nun neu in unsere Stadt kommen, fühlt er mit ihnen. Deshalb hat er, ohne auch nur einen Wimpernschlag lang zu zögern, für die internationale Suppenparty am Samstag, 26. September, ganz spontan ein Smart-Phone gespendet. Es wird der Hauptpreis des Deutsch-Wettbewerbs sein, den die Asylbewerber während der Veranstaltung austragen werden: Wer die meisten deutschen Wörter beherrscht, gewinnt. Als er davon hörte, war sofort klar, dass er die Aktion unterstützen wollte. Denn: Wenn einer weiß, wie wichtig Deutsch für die Integration ist, dann Çetin Beker.

Hier geht es zum Programm der Suppenparty =>KLICK


 

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