Whiteface und Extra – Ausstellung
und politisches Statement zugleich
Für die neue Ausstellung in der staatlichen Kunsthalle Baden-Baden braucht man ein dickes Fell. Man braucht es auf der Seele und auf den Ohren. Denn was den Besuchern hier geboten wird, ist nichts für zartbesaitete Bilder-Bestauner, sondern knallharte, lautstarke politische Aussage.
Gegen Rassismus. Gegen Kolonialismus. Gegen Vorurteile. Gegen die Aluhüte der Welt. Gegen Reichsbürger und Capitol-Stürmer, gegen Weiße in einer Apartheid-Gesellschaft. „Man darf hier ja als Weißer (/Deutscher) gar nichts mehr sagen“ - „Lügenpresse“ - und so weiter. Wir kennen diese Parolen hierzulande auf deutsch zur Genüge, in englischer Sprache haben ähnliche Aussagen nichts von ihrem Gift eingebüßt.
Die renommierte südafrikanische Künstlerin und Wahl-Berlinerin Candice Breitz (50), die ihr Heimatland auch 2017 auf der Biennale in Venedig vertrat, zieht alle Register, um den Betrachtern hautnah die Aggressionen zu vermitteln, die mit Weiß-Sein, Rassismus und Diskriminierung einhergehen. Im Hauptsaal eine große Video-Leinwand, auf der die Künstlerin (mit furchterregenden Kontaktlinsen ausgestattet) die weißen Hass-Parolen höchstpersönlich herausschreit. Wenn man dahinter guckt, merkt man, dass sie die Rollen wie ihre billigen blonden Perücken wechselt und ihre Lippen nur bewegt, um die schrecklichen Parolen zu mimen, die in Wahrheit aus den Mündern anderer kommen. Diese „anderen“ findet man hinter der großen Wand, auf einem kleinen Bildschirm und kann – bis hin zu Donald Trump – alle politischen Persönlichkeiten, Nachrichtensprecher, You-tube-Blogger entdecken, die die Welt mit ihrer rechtsextremer Propaganda vergiften.
Wie Mantras werden einzelne Parolen immer und immer wiederholt, dies nicht nur auf dem Hauptbildschirm, sondern auch in Einzelszenen in den verschiedenen Räumen, die sich am großen Saal angliedern. Eine Kakophonie des Schrecklichen. Wer Hörgeräte trägt, kann gleich draußen bleiben. Die Aufseher werden mit schallschützenden Kopfhörern ausgestattet, die übrigen Besucher müssen es eben aushalten.
Etwas ruhiger geht es im zweigrößten Saal zu, in dem mit „Extra“ eine zweite Arbeit der Künstlerin ausgestellt wird. Auch hier ist der Alltagsrassismus zum Greifen nah. Eine Soup-Opera, die seit 1994 erfolgreich in Südafrika läuft und ausschließlich mit schwarzen Darstellern gedreht wird. Auf mehreren Szenenfotos mogelt sich Candice Breitz dazwischen, inszeniert sich selbst und wird sofort zum weißen Mittelpunkt – auch der Zuschauer lenkt seinen Blick unwillkürlich auf die Künstlerin, anstatt sich den schwarzen Darstellern zu widmen. Das ist so gewollt und soll betroffen machen. Ziel erreicht.
Keine Ausstellung, in die man jede Woche gehen möchte, aber wer sich politisch interessiert, der sollte sich mit den Themen durchaus auseinandersetzen.
Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Eintritt 7 Euro. Freitags ist das Museum kostenfrei zugänglich, dies gilt auch für die Führungen, die gegen 14 Uhr angeboten werden. Flyer mit Erklärungen auf deutsch (die Botschaften in den Videos sind in leicht verständlichem Englisch gehalten) liegen außerdem aus.