Montag, 26. Januar 2015

Flüchtlingshilfe Vincentiushaus (2)



Am Mittwoch beziehen die ersten
31 Bewohner das Vincentiushaus




Die Nachricht elektrisierte alle: "Mittwoch kommen die ersten 31 Asylbewerber ins Vincentiushauses", erfuhren die rund 50 Ehrenamtlichen, die am Freitagnachmittag zusammengekommen waren, um die neue Unterkunft in der Innenstadt, genauer gesagt im alten Vincentiushaus in der Scheibenstraße, zu besichtigen.

Das Haus steht seit September leer, weil es eigentlich im Zuge einer großflächigen Neubebauung abgerissen werden soll. Weil diese sich aber wegen Rechtsstreitigkeiten noch hinziehen, hat der Eigentümer, die Ideal-Wohnbau, der Stadt das ehemalige Altenheim mietfrei überlassen. Nur für die Nebenkosten muss die Stadt aufkommen.




In den vergangenen Wochen war viel organisiert worden, um das Haus für die geplanten 70 Asylbewerber auf Vordermann zu bringen. Bei einem Rundgang waren die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer dann auch voll des Lobes über dieses Vorzeigeobjekt. Alles ist fertig und wartet auf den Bus aus Karlsruhe:

Die Betten stehen...



in dem Paket am Kopfteil sind Bettzeug, aber auch Töpfe und Geschirr eingeschweißt.

Auf den Tischen liegt für jeden sein persönlicher Satz Besteck, selbst an einen Kochlöffel für jeden Bewohner wurde gedacht...



es gibt einen Waschmaschinenraum...




... Bäder auf dem Gang mit eindeutiger Beschriftung, auch wenn es hinter der Tür moderne Duschen statt alter Badewannen gibt...




... zwei große Küchen warten auf viele Köche...




die Schließanlage wurde auf den allerneuesten Stand gebracht...




und wo der Hausmeister sitzt, ist ebenfalls klar:




Ganz wichtig war den Ehrenamtlichen noch zu erforschen, wo sie Sprachkurse und Café Kontakt anbieten können. Dieser Raum mit Balkon lässt wirklich keine Wünsche offen.




Und so fiel auch das Urteil der Helfer begeistert aus, ja, man verfiel eigentlich sogleich in Trübsinn, weil dieses Haus nur für ein Jahr zur Verfügung steht, bevor es der Spitzhacke zum Opfer fällt.

Doch diese Sorge trat gleich wieder in den Hintergrund, denn es gab dringendere Fragen zu klären. Wenn die ersten Asylbewerber ja schon am Mittwoch eintrudeln - wer begrüßt sie dann?

Schnell waren sich die Ehrenamtlichen einig, dass es zwar schön und gut ist, wenn Sozialarbeiterin Kathrin Warth dies zusammen mit Hausmeister Christopher Bell übernimmt, aber so ganz alleine wollte man die 31 Flüchtlinge denn auch nicht stehen lassen. Brot, Butter und Käse sollte doch das Mindeste sein, meinte eine Ehrenamtliche, ließ sich aber belehren, dass die Essgewohnheiten der sehnlichst Erwarteten vielleicht einen anderen Speisezettel vorsehen.

Aber wenigstens eine Tasse Tee und Plätzchen sollen den Ankömmlingen dann doch gereicht werden, da war man sich einig, und unter diesem Druck fand sich auch schnell ein Kopf für die Begrüßungsgruppe, die sich auf dem Papier bereits formiert, aber noch nicht organisiert hatte. Am Freitag aber ging es flott, und auch die Gruppe für das Café Kontakt hielt es nicht mehr auf den Stühlen. Man beschloss, bereits am Samstag das erste Begegnungscafé anzubieten, auch auf die Gefahr hin, dass die Flüchtlinge vielleicht andere Pläne haben und erst mal Freunde und Verwandte besuchen wollen.

Den Vertretern der Verwaltung blieb bei so viel Engagement manchmal das Wort im Halse stecken. Fachbereichsleiter Frank Fürle fasste sich als erster. Von so viel ehrenamtlicher Begeisterung angesteckt, gab er sich einen Ruck: "Dann probieren eben Neues aus." Nicht unbedingt Worte, die man aus dem Mund eines Verwaltungsbeamten erwartet.


Dankbar für die Unterstützung 





Überhaupt findet in den Köpfen im Rathaus zurzeit ein großes Umdenken statt. "Wir sind dankbar für die positive Stimmung sowohl in der Stadtmitte als auch im Rebland und in Haueneberstein", hieß es. Dort sind offenbar die nächsten Unterkünfte gefunden worden. Konkrete Einzelheiten dazu gibt es noch nicht, hier müssen zunächst Ortschaftsräte und Gemeinderat informiert werden, bevor die Öffentlichkeit Näheres erfährt. Aber die Atmosphäre für die Aufnahme der Flüchtlinge sei sehr offen, berichtete Fachbereichsleiter Frank Fürle (Mitte), der die rund 50 Ehrenamtlichen zusammen mit dem Leiter des Sozialamtes, Peter Weingärtner (links), und der Integrationsbeauftragten Hanna Panther (rechts) begrüßte. Aufgrund des offenen Klimas auch in den Stadtteilen war Fürle sehr optimistisch, die der Stadt zugeteilten Schutzsuchenden gut und menschenwürdig unterbringen zu können.

Vieles hat die Verwaltung in der Zwischenzeit getan, um des anwachsenden Flüchtlingsstroms gerecht zu werden:

Das Personal wurde aufgestockt, man hat Ärzte gefunden, die Untersuchungen vor Ort anbieten, es wurde eine Art "EC-Karte light" für die Flüchtlinge erfunden, und auch in dem Punkt Arbeit kommt Bewegung: Neuerdings dürfen Asylbewerber bereits nach drei Monaten unter bestimmten Bedingungen eine Arbeit aufnehmen oder in eine Ausbildung gehen, und so beginnt nun schon bei ihrer Ankunft eine Art "screening", um ihre beruflichen Kenntnisse und Hintergründe zu erfragen, damit die Agentur für Arbeit möglichst schnell eine passende Beschäftigung vermitteln kann.

Ganz gespannt waren die Ehrenamtlichen natürlich, aus welchem Land denn nun die neuen Flüchtlinge kommen. Immerhin hatte die Stadt beim Regierungspräsidium signalisiert, dass man mit dem Vincentiushaus endlich auch in der Lage ist, Familien aufzunehmen. Syrien stand zwar als Herkunftsland sehr weit oben auf der heimlichen Wunschliste mancher ehrenamtlicher, aber das hat die Stadt Baden-Baden nicht in der Hand. Karlsruhe hat anders entschieden, wurde nun bekannt. Es werden acht alleinreisende Männer aus Togo kommen, acht aus Ghana, zwei Familien mit Kindern aus China, eine Frau aus dem Irak, eine Familie aus Bosnien, und ein Mann aus Nigeria.

Zum Thema der gewünschten Patenschaften gab es noch keine konkreten Einzelheiten. Adrian Struch von der Caritas, der sich bislang um den Jugendtreff "Brücke 99" kümmerte, wird sich ab Februar offiziell (auf einer halbe Stelle) darum kümmern und ein Modell ausarbeiten. Ihm liegt bereits eine lange Liste von Ehrenamtlichen vor, die sich um eine Patenschaft beworben haben. Dafür müssen aber noch Strukturen erarbeiten werden, auch die Chemie muss zwischenmenschlich stimmen, hieß es. Man möchte vermeiden, dass die Paten überlastet werden und an ihre Grenzen stoßen, daher sollen sie bei der Caritas Rückhalt bis hin zur Supervision angeboten bekommen. Drei bis vier Wochen würden noch dafür benötigt, "aber wir sind  optimistisch, dass wir allen potenziellen Paten ein Angebot machen können", so Fürle.




Zusätzlich werden sich zwei Hauptamtliche intensiv um die Neuankömmlinge kümmern: Sozialarbeiterin Kathrin Warth, die allerdings ihr eigentliches Betätigungsfeld in der Westlichen Insdustriestraße hat. Sie wird die Zeit im Vincentiushaus interimsäßig überbrücken, bis die zweite Sozialarbeiterin in den nächsten Tagen/Wochen hier ihren Dienst aufnimmt.


Vom "Gelben Engel" zum Schutzengel


Und dann ist da ja noch Christopher Bell, der Hausmeister. Ein Glücksgriff, wie sich schnell im Gespräch herausstellte. Der gelernte Kfz-Mechaniker und ehemalige "Gelbe Engel" vom ADAC hat turbulente Wochen hinter sich: Tagsüber ließ er sich von seinem Kollegen in der Westlichen Industriestraße einlernen, abends streifte er durch "sein" Vincentiushaus, um sich mit den Räumlichkeiten vertraut zu machen, den Umbaufortschritt zu beobachten, die Möblierung zu überwachen und sich seelisch und moralisch auf seinen neuen Job vorzubereiten.

Dass am Mittwoch alles stressfrei verlaufen kann und alles bis ins Kleinste vorbereitet ist, war ihm übrigens so wichtig, dass er darüber ganz vergaß, sich um seinen eigenen Telefonanschluss im Haus zu kümmern. "Das kommt später. Die Asylbewerber gehen jetzt vor", sagt er und schmunzelt.

Stolz erklärt er den Besuchern, dass man eine neue Schließanlage angeschafft hat, die den Schutzsuchenden auch dann Sicherheit bietet, wenn er Feierabend hat und das Haus verlässt. "Ich will, dass die Bewohner ruhig schlafen können." Das ist sein Hauptanliegen.

Überhaupt ist er vor dem Einzugstermin in höchster Anspannung, ist er doch ein bekennender Perfektionist. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles will er exakt vorbereitet haben, alles soll am Mittwoch entspannt und reibungslos ablaufen. Deshalb hat er keine Zeit für einen Reportagetermin. Ein kurzes Frage- und Antwortspiel zwischen Tür und Angel muss ausreichen.

"Wir bauen ihnen eine Brücke; sie brauchen einfach nur drübergehen und anfangen zu kommunizieren", umschreibt er seinen Job mit den Flüchtlingen. Er hat sich gründlich auf seine Tätigkeit vorbereitet, hat seine auslandserfahrenen Freunde nach landestypischen Gebräuchen überall auf der Welt befragt, weiß, welche Religionsgemeinschaften welche Rücksichtnahmen erfordern.

Dass er wohl auch ab und zu Grundkenntnisse im Bedienen und Benutzen von Elektroherden oder sanitären Einrichtungen vermitteln wird, ist selbstverständlich für ihn, und auch hier werden seine Schützlinge auf große Empathie stoßen.

Ja, er freut sich auf die Ankunft der neuen Bewohner. Der Beruf macht ihm Spaß, das merkt man. Was ist es, was ihn antreibt? "Die Hilfe kommt direkt am Mann an, und ich bekomme direktes Feedback", sagt er. "Das finde ich erfüllend." Sein größter Wunsch? "Dass die Leute sich bei mir in Sicherheit fühlen."

Besser geht es nicht.




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