Sonntag, 16. November 2014

Konstantin Baum


Menschen in Baden-Baden, heute:

Konstantin Baum


+++ Aktualisierung 7. September 2015: Seit heute ist Konstantin Baum jüngster Master of Wine! Herzlichen Glückwunsch! +++





Mein Mann fragt mich ja oft, mit wem ich es zu tun hatte, wenn ich von einem Interview-Termin nach Hause komme. Diesmal musste ich lachen, denn wie sollte ich ihm erklären, dass es da in Baden-Baden einen jungen Mann gibt, der sich daheim an den Tisch setzt, die Videokamera einschaltet, sich vor laufender Kamera Wein einschenkt, das Glas schwenkt, einen großen Schluck in den Mund nimmt, vernehmlich herumgurgelt, kaut, beißt und dann alles in hohem Bogen ausspuckt?

Und von dem ich auch noch glaube, dass er damit Erfolg haben wird?

Warum?

Weil er weiß, was er tut. Weil er sich mit Haut und Haaren dem Thema Wein verschrieben hat. Oder vielmehr: den besten Weinen der Welt. Oder noch besser: Geheimtipps aus kleinen Weingütern rund um die Welt, die er an Ort und Stelle verkostet, beschreibt, für gut oder sehr gut befindet. Nur die allerbesten - gemessen am Preis-Leistungs-Verhältnis - kommen auf seine Liste und damit in seinen Online-Handel, den er gerade im Begriff ist aufzubauen. Noch gibt es kein Lager, selbst fürs Foto muss er erst ein paar Flaschen im Keller zusammensuchen. Nein, ich darf nicht mitkommen und ihn inmitten seiner Schätze fotografieren. Offenbar genügt die Umgebung nicht seinem Anspruch des Perfekten. Auch sein Büro ist tabu für mich.


Blind vertrauen... 



Wir sitzen oben am stillen Marktplatz von Baden-Baden im kleinen, feinen Empfangsraum des "Hotels am Markt", das seine Frau vor einem halben Jahr in dritter Generation übernommen hat - ein Hotel garni, also nur mit Frühstück, lerne ich. Hier also wird es vorerst keine Kostproben durch Konstantin Baum geben.

Überhaupt ist nicht daran gedacht, dass es irgendwo in Baden-Baden einen Lagerverkauf oder eine Verkostungsstube oder Weinseminare geben wird. Man muss Konstantin Baum, beziehungsweise seinem Urteil, bei der Bestellung also einfach blind vertrauen. Wie soll das gehen? Nun, seine Webseite macht es möglich: => KLICK




Wie kommt man denn als 32jähriger zu so einem komplexen Thema? Waren die Eltern im Weinbau oder in der Gastronomie tätig? Mitnichten. Er ist noch nicht einmal in einer Weingegend aufgewachsen. In Göttingen geboren, verbrachte er Kindheit und Jugend in Bielefeld. Und hatte auch zunächst andere Ziele, die aber von Anfang an hoch gesteckt waren.

"Ich will Hotelmanager werden", beschloss er nach dem Abitur, bewarb sich blind bei den fünf besten Hotels Deutschlands und konnte sofort zwischen zwei der besten Häuser des Landes wählen. Die "Vier-Jahreszeiten" in Hamburg hätten ihm von der Stadt her gut gefallen, aber das Renommee des "Brenners" gab den Ausschlag, nach Baden-Baden zu ziehen. Hier stimmte von Anbeginn die Chemie, er wurde gefördert - und prompt 2005 zum besten Restaurantfachmann Deutschlands gekürt.

Zu diesem Zeit aber war er bereits rettungslos dem Wein verfallen. Nein, nicht was Sie jetzt denken! Er merkte einfach, dass ihn das Thema Wein viel mehr interessierte als das Hotelfach an sich.


Ein neues Ziel



Folgerichtig wurden die Koffer gepackt. Ein zwei-Sterne-Restaurant in Dublin wurde angesteuert, und dort eröffnete sich ihm als Sommelier die Möglichkeit, Weine zu probieren, die er sich selbst nie hätte leisten können. Stars und Sternchen gingen in dem Restaurant ein und aus. Konstantin Baum gefiel es, zum Beispiel Bono zu seinen Stammgästen zu zählen. Aber es wurde ihm auch klar, dass er nicht sein Leben lang im Restaurant tätig sein wollte. Handel - das war sein neues Ziel.

Und schon lag folgerichtig die nächste Station ganz klar vor ihm: 2007 bis 2010 Studium der internationalen Weinwirtschaft an der Hochschule in Geisenheim

Hier ein Artikel in der "Zeit" über die Universität => KLICK

Da man für das Studium Parxiserfahrung brauchte, reiste er vorher durch die Welt. Südostasien, Australien, dann Praktikum auf einem Weingut in Neuseeland. "Mit dem Trecker durch die Weinberge." Noch heute leuchten seine Augen, wenn er davon erzählt.





Wie macht man Wein, was steckt dahinter? Diese Fragen trieben ihn um. In Geisenheim war er da an der richtigen Adresse - und er begann, Kontakte zu knüpfen, die er auch heute noch pflegt.

Zeitgleich wieder ein Ruck in die richtige Richtung: Nebenjob bei einem Master of Wine, Markus Del Monego (mehr über diesen Weinkenner erfahren Sie bei Wikipedia => KLICK)

Bei diesem Experten durfte Konstantin Baum als Verkoster mitarbeiten, und er merkte schnell: "Das liegt mir. Das macht mich glücklich."

Sie ahnen es - schon stand das nächste Etappenziel fest: Das Erklimmen des Olymps des Weines, der Masters of Wine! (Dazu Wikipedia => KLICK) Der Titel wird seit den 50er Jahren nach sehr harter Auslese vergeben, zurzeit gibt es rund 320 Master of Wine - weltweit.

Die Krönung also.

War er dafür nicht etwas jung?

Konstantin Baum winkt ab. "Wenn ich etwas machen wollte, dann habe ich es gemacht."

Es war ihm klar, dass es schwer werden würde, sehr schwer: Durchfallquote 90 Prozent.

Um es sich etwas leichter zu machen, zog er nach London, obwohl es sich beim Master of Wine im Wesentlichen um ein Fernstudium handelt. Der Vorteil des Umzugs lag auf der Hand: Während er sich sein Studium als Business Develop Manager in einem Wein-Unternehmen verdiente, hatte er zugleich vor Ort die Möglichkeit, mit anderen Studenten auch neben den Pflichtseminaren zusammen Weine zu verkosten und diese zu besprechen und sich so auf die Prüfungen vorzubereiten, in denen es gilt, bei Blindverkostungen Art und Lage des unbekannten Weines, Ausbauart, Alkoholgehalt und Restzucker etc...  herauszuschmecken.


Das erste Glas nach dem Frühstück



Schon morgens ging es los. "Zähneputzen bitte vor dem Frühstück", lautete eine Devise, denn Zahnpasta lähmt die Geschmacksknopsen. Und die sind morgens am schärfsten, deshalb wurden ab 8 Uhr morgens die Gläser gefüllt. - Aber natürlich wird nicht getrunken, sondern nur im Mund bewegt und dann ausgespuckt.

"Wer den Wein trinkt, der hat schnell ein Problem", wischt Konstantin Baum meine Schreckensvisionen vom Schoppen am Morgen vom Tisch.

Mittlerweile ist Konstantin Baum mit dem Gröbsten durch. Praktische Prüfung: Bestanden. Theorie: Bestanden. Fehlt nur noch die Dissertation. An der sitzt er gerade. Aber er ist, wie es sich für ihn gehört, zuversichtlich: "2015 werde ich wohl jüngster Master of Wine Deutschlands sein."

Und dann?

Startet er durch.

Als was?

Wein-Kommunikator trifft es wohl am ehesten. "Ich will über Weine sprechen, will zeigen, was hinter den Weinen steckt", ist sein Anliegen.

Hier ein erstes Video - über den deutschesten aller Weine, den Riesling - übrigens sogar von einem Weingut in Baden-Baden... Knapp zehn Minuten pralles Wissen, charmant vorgetragen (und gekonnt gespuckt). Prost! Beziehungsweise => KLICK





Vor einem halben Jahr ist er mit seiner Frau zurück nach Baden-Baden gezogen, aber für seine Weinerlebnisse spielt der Wohnort keine Rolle, denn er ist international aufgestellt. "Try and error" wird sein Prinzip sein, er wird viel reisen und die Weine dort besuchen, wo sie wachsen und verarbeitet werden, und er wird seinem online-Publikum erzählen, wer dahinter steckt. Mit Videos, Fotos und Blog-Einträgen will er seine Erkenntnisse anderen Weinfreunden mitteilen, und diese Weinfreunde sollen nach Möglichkeit dann so viel Lust auf diese Tropfen bekommen, dass sie sie über ihn ordern.

"Ich vertreibe keine Weine, die man im sonstigen online-Handel oder im Kaufhaus beziehen kann", sagt er gleich. Es werden besondere Weine sein, von kleinen Produzenten. "Ich will für Menschen, die sich für Wein interessieren, der Entdecker sein." So freut er sich darauf, neue Winzer in aller Welt zu entdecken. "Das macht mir Spaß, und deshalb bin ich gut." Mehr Selbstbewusstein geht nicht!

Und wie soll man auf ihn und seinen Blog aufmerksam werden?

Er wird Kolummnen in Zeitschriften und Firmenplattformen schreiben. Hier sein erster Blog-Eintrag:
=> KLICK




Mir fällt der Urlaubswein ein - unter südlicher Himmel schmeckt er traumhaft, man packt sich einen Karton ins Auto und daheim zieht es einem beim ersten Schluck die Schuhe aus. Kann das einem Fachmann auch passieren?

Er lacht. "Nein", sagt er. "Im Glas ist ja immer derselbe Wein. Aber wenn Sie in Urlaubsstimmung sind, dann spielt das bei Ihrem Empfinden eine große Rolle. Ich hingegen muss alle Nebenfaktoren ausblenden, ich konzentriere mich rein auf das, was im Glas ist. Und das verändert sich nicht, egal, wo Sie es trinken."


Was trinkt der Meister privat?



Und was trinkt ein künftiger Master of Wine abends nach all dem trockenen Verkosten und Spucken persönlich am liebsten? Endlich mal einen richtigen Wein?

Natürlich tue er das auch, antwortet er vage, "aber nicht jeden Tag. Es gibt auch mal Wochen oder einen Monat, in denen ich gar nichts trinke." Das sei wichtig, um den Geschmack nicht zu verlieren. Aber Bier, das schenkt er sich schon mal gerne ein. Tannenzäpfle am liebsten, um endlich mal einen Namen zu nennen.

Von welcher Preiskatgorie sprechen wir denn bei seinem Wein-Sortiment?

Im Schnitt werden es wohl Weine um die zehn Euro sein. Wobei man natürlich auch Glück haben und einen guten Wein für fünf Euro finden kann - genauso wie es natürlich auch Weine im oberen Preissegment geben wird.

Und wie gefällt es dem Weltenbummler in Baden-Baden?

Die Stadt hat ihm ja schon während der Ausbildung gut gefallen. Heute findet er Baden-Baden "aufgeräumt und schön". Er schätzt das kulturelle Angebot und die Nähe zu den Weinbaugebieten in Italien und Frankreich. Außerdem ist ja ein Teil seiner Familie hier verwurzelt.

Gibt es etwas, was er sich für Baden-Baden wünscht?

Die abendliche Szene für jüngere Menschen findet er ausbaufähig. Und eine richtig gute Weinbar fehlt ihm hier.

Wir sind am Ende des Gesprächs, und ich kann es nicht lassen, noch ein bisschen herumzustochern in diesem vorbildichen Lebenslauf ohne Kratzer und Ecken. Gibt es denn gar nichts, das bei ihm schief gelaufen ist?

Doch, gesteht er schließlich. Der erste Wein, den er seinen Eltern sehr stolz präsentierte, fiel bei seiner Mutter unten durch. "Zu trocken, zu sauer", lautete ihr Urteil, das ihn kurz fassungslos gemacht hat. Aber inzwischen hat er natürlich eine zweite Chance bekommen.





In einem Gastbeitrag auf meinem Blog hat er im Juli 2015 ein heißes Eisen angefasst => KLICK

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