Mein Wahlkampf (1)
Standdienst - eine neue Erfahrung
Donnerstag, 8. Mai
Halb zehn. Kritischer Blick zum Himmel.
Regen oder kein Regen? Wahlkampf im Mai hatte ich mir irgendwie …
hm ... lieblicher vorgestellt. Heute steht eine Stunde auf dem
Wochenmarkt am Augustaplatz an. Der Augustaplatz ist eigentlich MEIN Thema. Aber wie soll
ich "die Leute" erreichen oder ihnen meinen Prospekt in die Hand drücken,
wenn sie links den Schirm, rechts die Einkaufstaschen halten? Da hilft nur ein Stoßgebet: Bitte jetzt keinen Regen!
Wie abhängig man plötzlich vom launischen Wetter ist! Letzten Samstag schon, beim ersten
Standeinsatz meines Lebens, habe ich gefroren wie ein Schneider und gerade mal zwei
Flyer loswerden können. Geschieht mir ganz recht, hatte ich da noch
gedacht, soll mir eine Lehre sein! Bislang bin ich Infoständen ja selber mit einer verdrucksten Entschuldigung
oder schnellem Blick zur Seite ausgewichen. Jetzt, mit vertauschten
Rollen, sehe ich das etwas anders. Ab sofort werde ich immer ein
Lächeln für die Damen und Herren unter den roten, blauen, gelben
oder eben grünen Schirmen haben und ihnen alles abnehmen, was sie
mir hinhalten, schwöre ich mir und versuche, meine klammen Finger
durch Anhauchen warm zu halten.
Ich greife mir einen Prospekt, weiß
aber nicht weiter. Aufdringlich-Sein liegt mir nicht.
Bloß keine Stadt-Fremden ansprechen,
lerne ich von meinen erfahreren Mitstreitern. Eigentlich ist unsere Rolle in der
Fußgängerzone nur, Flagge zu zeigen. Einfach nur herumstehen?
Schlägt sich das denn überhaupt im Wahlergebnis nieder? Ich blicke
in skeptische Gesichter. „Es gibt keine Studien darüber“,
erfahre ich.
Endlich kommt ein bekanntes Gesicht
vorbei, der freundliche Herr lacht mir zu. „Ich weiß doch schon,
wen ich wähle“, sagt er, nimmt aber trotzdem einen Prospekt
entgegen. Scherzworte fliegen hin und her, die Stimmung klart auf,
dann ist er weg und das Warten beginnt aufs Neue. Wir ordnen die
Prospektstapel, drücken Kindern Luftballons in die Hand.
Diskussionen über das Parteiprogramm oder die Probleme in der Stadt gibt es aber nicht.
So macht das doch keinen Sinn,
denke ich mir auf dem Heimweg und zermartere mir den Kopf, was man verbessern könnte.
Ich habe ja gleich zwei „Baustellen“:
Zum einen stehe ich, da ich kein
verdientes Parteimitglied sondern parteilos und unabhängig bin,
„nur“ auf Platz 11 der Liste „Bündnis 90/Die Grünen“. Wenn
viele Wähler der Liste insgesamt mit einem Kreuz ganz oben ihre
Stimme geben, werde ich wohl nicht in den Stadtrat einziehen. Ich
muss also etwas mehr Wahlkampf machen als die Kandidaten auf den wohl
verdienten Favoritenplätzen. Mein Slogan müsste daher sein: Drei
Stimmen für mich! Drei Stimmen für Platz 11! Schwer. Selbstmarketing war schon für meine Baden-Baden-Krimis nicht meine große Stärke.
Zum anderen kann ich mir nicht
vorstellen, dass heutzutage jemand wirklich alle Wahlprogramme studiert, die er oder sie in die Hand gedrückt bekommt. Schon beim
OB-Wahlkampf haben sich sehr, sehr viele Bürger sogar ganz verweigert und haben darauf verzichtet,
überhaupt zur Wahlurne zu gehen. Wie wird die Wahlbeteiligung dann
erst für den Gemeinderat aussehen, wenn nicht sechs sondern gleich 244 Kandidaten zur Auswahl stehen?
Ich sehe in meinen Kalender. "Standdienst Donnerstag, 8. Mai, 10 bis 11 Uhr Augustaplatz" steht da. MEIN Augustaplatz. Die Diskussion um
dessen Umgestaltung war ja im Herbst der Auslöser
für mich, in die Kommunalpolitik einzusteigen.
Ich will, dass es diesmal anders läuft als bisher mit solchen Projekten. Meine Idee
ist, dass wir Bürger einen eigenen Entwurf erarbeiten und ihn -
sollte das Thema im Gemeinderat akut werden - als
Alternative zu einem Verwaltungsentwurf präsentieren. Geht nicht? Warum eigentlich
nicht! Wir sollten es zumindest versuchen.
Da ich das Thema
hier in meinem Blog und auf Facebook schon öfter behandelt habe,
(zum Nachlesen hier: Klick )
sind die Flugblätter schnell
geschrieben und ausgedruckt, gefaltet und in die Prospekte der Grünen
gesteckt.
Und so stehe ich nun hier, auf dem
Augustaplatz und habe meine Bewährungsprobe. Liegt der Platz meinen
Mitbürgern noch so am Herzen wie im Herbst? Eher
schüchtern versuche ich mein Glück. „Augustaplatz?“, fragt jeder, den
ich anspreche, und bleibt wie elektrisiert stehen, hört zu, nimmt meinen Ausdruck, verspricht, ihn durchzulesen,
sehr wahrscheinlich auch zur ersten Informationsversammlung zu kommen, die ich für
nach der Wahl, auf den 4. Juni, terminiert habe.
Die Zeit verfliegt nur so, bald habe
ich keine Handzettel mehr und bin restlos glücklich.
Meine nächsten Stand-Dienste:
Morgen,
Freitag, 9. Mai, von 10 bis 11 Uhr auf dem Klosterplatz in Lichtental
Samstag, 10. Mai, von 10.30 bis 11.30 Uhr
in der Fußgängerzone gegenüber vom Tchibo (Hirschbuckel)
Sprechen Sie mich an,
reißen Sie mir die Zettel und Prospekte aus der Hand!
Wichtiger noch: Machen Sie
mit! Gehen Sie wählen! (Drei Stimmen für Platz 11 bei den Grünen)