Sonntag, 21. April 2024

Geheim-Tipp: Botanische Führungen

 

Kastanienblüte und goldenes Dach:

Die Schönheiten des Michaelsbergs

 


Regen, Regen, Regen. Ein bisschen Schnee ist auch dabei. Und das im April. Da rufen gleich zwei innere Schweinehunde danach, auf der Couch zu bleiben. Botanische Führung bei dem Wetter? Findet bestimmt nicht statt. Wer tut sich denn so was bei dem Wetter an? Aber...

Merke: Botanische Führungen des Gartenamtes Baden-Baden finden IMMER statt. Und sind IMMER gut besucht. Zweimal im Monat, immer mittwochs um 16 Uhr, von April bis September. Ein kostenloses Vergnügen. Link dazu am Ende des Beitrags.

Über 30 Interessierte haben sich diesmal im Säulengang der Trinkhalle versammelt, dem Startpunkt unserer heutigen Exkursion „Frühling am Michaelsberg“ - auch wenn von Frühling keine Spur ist.

 


Bernd Angstenberger, der die Führungen seit 20 Jahren begleitet, lacht ob der skeptischen Mienen gen grauem Himmel. „Da hinten ist es blau“, sagt er, und das wird auch der Trostspruch des Tages sein und bleiben. Immerhin: Gärtner sind wetterfest, und Botanikfreunde auch. Schirme sind ebenfalls hilfreich. „Die Führung ist in 20 Jahren noch kein einziges Mal ausgefallen. Nur einmal war wir nur zu Dritt, da hatte es aber wie aus Kübeln gegossen“, erinnert er sich. Gegangen wurde trotzdem.

Eigentlich stand heute die Tulpenblüte auf seinem Programm, aber – die ist schon durch, denn die letzten Wochen waren einfach zu schön und warm gewesen. Nun gut, dann eben Kastanienblüte. Die stand vor zwanzig Jahren im Mai noch im Anfangsstadium, aber heute, am 17. April, steht sie bereits in der Hauptblüte und auch die Rhododendren werden bereits in ein, zwei Wochen soweit sein. Viel zu früh. „Das ist die Klimawende und kein Wetterphänomen“, sagt der Fachmann.

 


Und schon sind wir mitten in seinem lehrreichen, unterhaltsamen Vortrag. Wir beginnen mit der Geschichte der Wandel- und Trinkhalle, erbaut um 1840 von Heinrich Hübsch, 90 Meter lang. Kaiser Wilhelm I. besuchte sie oft und gern für Trinkkuren, und so wurde ihm mit einer Büste vor dem Treppenaufgang gehuldigt und erhielt die Straße davor ihren Namen „Kaiserallee“. Natürlich wurde sie einstmals mit „Kaiserlinden“ bepflanzt, drunter geht es ja nicht. Die wurden später allerdings durch die weiß blühende Rosskastanien ersetzt, die damals schwer in Mode kamen, weil sie kraftstrotzend früh blühten und im Sommer für viel Schatten auf den Wegen sorgten. Nicht unwichtig in einer Zeit, als Blässe als vornehm galt. Entlang der Straße hat man sie übrigens mittlerweile durch sterile Arten ersetzt, die keine Kastanien mehr ausbilden – zum Schutz für die darunter parkenden Autos.

Und wieder was gelernt: Die Kastanienblüten, die wir gerade bewundern, ändern ihre Farben, sobald sie von einer Biene besucht und bestäubt wurde, bzw. keinen Nektar mehr bieten. Auf diese Weise signalisieren sie schon von weitem, dass nichts mehr zu holen ist – Arbeitsökonomie im Zusammenspiel von Fauna und Flore. Hätten Sie's gewusst?

 

Ein Bild des Jammers: Eigentlich müssten die Eiben blickdicht sein


Wir staunen und schlendern gemütlich weiter, vorbei an einem seltenen Taschentuchbaum zu den Mammutbäumen, die dem Gartenamt große Sorgen bereiten. 130 bis 140 Jahre sind die alt, aber nun heißt es wohl bald, Abschied zu nehmen. Sie stammen aus den Sämlingen von Bergmammutbäumen, und die vertragen – übrigens ebenso wie die Eiben – das veränderte Klima nicht mehr, wie man ihnen inzwischen auch deutlich ansehen kann: Das einst dichte Blattwerk wird licht, die Eiben behalten ihre nadelförmigen Blätter nur noch aus einem statt wie früher aus drei, vier Sommern. Also muss Ersatz gesucht werden. Bei den Mammutbäumen ist man fündig geworden, sie werden, wenn sie fallen müssen, mittlerweile durch Exemplare aus der Küstenregion ersetzt. Die sind eigentlich frostanfällig, aber das spielt ja nun wegen des Klimawandels keine Rolle mehr. 

 


Auch die Rhododendren im Stadtgebiet haben es schwer mit dem Klima, besonders mit der Trockenheit, und so sind auch ihre Tage langfristig gezählt. „Das tut uns sehr weh“, sagt der Mann vom Amt, und wir glauben ihm das sofort.

 



Ein paar Regentropfen fallen („aber da hinten es schon wieder blau“), und wir nähern uns dem Ziel der Tour, der Stourdza-Kapelle oben auf dem dem Michaelsberg, der übrigens nach dem Sohn des Kapellen-Stifters benannt wurde und erst in den 1950er so angelegt wurde, wie wir ihn heute erleben: Mit seinen geschwungenen, asphaltierten Wegen, dem Kaskaden-Bachlauf und den kleinen Seen, die übrigens aus hochgepumptem Ooswasser gespeist werden. Besonders schön sind die Sichtachsen zu Merkur, Stiftskirche, altem Schloss und Pfälzer Wald – wenn nicht hochwachsende Bäume in die Quere kommen. Man hat auch schon versucht, Sichtfenster in die Kronen zu schneiden, aber wie man sieht - mit wenig dauerhaftem Erfolg.

Aber kommen wir zurück zur Grabkapelle und ihrem Gründer, dem moldawischen Fürsten Michael Stourdza, der im Zuge der 1948er Revolutionen seinen Thron verlassen musste, um sein Reich als Pufferzone zwischen osmanischem und russischem Reich zu opfern. Er wurde übrigens 1872 Ehrenbürger der Stadt baden-Baden.

=> https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Stourdza

Unermesslich reich, ließ er sich nicht nur in Paris sondern auch in Baden-Baden nieder, bewohnte einen riesigen Palast mit 26 Salons am Augustaplatz und plante eigentlich einen Zweitwohnsitz auf dem heutigen Michaelsberg, als sein Sohn Michael 17jährig als Student in Paris ums Leben kam (die offizielle Version spricht von einem Duell). Daraufhin änderte der Vater die Pläne, ließ den angesagtesten Architekten seiner Zeit, Leo von Klenze, kommen und beauftragte ihn mit dem Bau der Grabkapelle für den Sohn, und für sich, seine Tochter und seine Frau. 

 


Klenze, damals Hofarchitekt des Bayernkönigs Ludwig II, wollte den byzantinischen Traum wiederbeleben und plante eine für orthodoxe Maßstäbe atypische Kapelle, mit einer 24 Meter hohen Kuppel, die dem Petersdom nachempfunden ist. Das Bauwerk wurde übrigens vor einigen Jahren aufwändig renoviert und erhielt aus privaten Spenden das heute typische weithin glänzende goldene Dach.

=> https://bnn.de/mittelbaden/baden-baden/dach-der-baden-badener-stourdza-kapelle-blitzt-im-neuen-glanz-so-viel-gold-war-dafuer-notwendig

 



Wir betreten das Gotteshaus, begleitet vom Hausherrn, dem freundlichen Priester Bogdan Stavarachi, der uns viel Wissenswertes über das Gebäude und seine Religion enthüllt. So erfahren wir, dass das prächtige Innere wegen der blanken Wände aus Marmor weniger zum Sprechen als vielmehr für Gesang ausgelegt ist. Und gesungen wird hier viel und gern und ganz speziell, nach wie er sie nennt „psaltischen Noten“, die einmalig sind. Pfarrer Stavarachi singt uns eine Kostprobe vor, und tatsächlich, der Gesang ist etwas Besonderes, nicht zu vergleichen mit den Gregorianischen Gesängen, die aus dieser Urform hervorgegangen sind, wie er erklärt. 

 


 

Skulpturen an den Seiten der Kapellen sind absolut untypisch für orthodoxe oder byzantinische Kirchen, aber die Ikonenwand bringt uns wieder zurück zu der Religion, die hier praktiziert wird. 

 


Übrigens ist Stavarachi ein Priester ohne Gemeinde, so hatte es der Gründer gewünscht. Seine Gemeinde seien nur die vier, die unter dem Boden ruhen, sagt er. Dennoch hat er viel zu tun und bietet tägliche Gottesdienste nach griechisch-orthodoxen Riten an, und zwar für Menschen aller Glaubensrichtungen, wie er versichert. Und tatsächlich füllt die Kapelle, während wir noch seinen Ausführungen lauschen, denn nach dem orthodoxen Kalender befinden wir und erst jetzt in der Osterwoche, und gleich beginnt der nächste Gottesdienst – aber keine Eile! Einem Priester wie Stavarachi schlägt keine Stunde, er trägt keine Uhr, sondern steht jederzeit im Dienst von Mensch und Gott.

Seinen Lohn erhält er übrigens aus der fürstlichen Stiftung, die auch festgelegt hat, dass Priester dieser Kapelle aus dem heute rumänischen Geburtsort des Fürsten, Jasch oder Iaşi (Jassy), stammen müssen und dem dortigen Erzbischof verpflichtet sind. Es gibt noch weitere hoch interessante Details, die Stavarachi gerne und gut gelaunt verrät. Aber die verrate ich hier nicht. Fragen Sie ihn am besten selbst!

Pfarrer Stavarachi bietet jederzeit nach telefonischer Anmeldung (Tel. 07221 – 28574) persönliche Führungen durch die Kapelle an, egal, ob zwei Personen kommen, oder hundert. Ein Besuch der Kapelle ist auf jeden Fall ein Erlebnis!

 


 

Die nächste Botanische Führung findet am Mittwoch, 8. Mai, um 16 Uhr statt. Treffpunkt vor der Trinkhalle. Thema: „Nierentisch und Tulpenbaum“. Gartenamtschef Markus Brunsing wird uns viel Wissenswertes über die Gestaltung der Kuranlagen in den 50er Jahren berichten. Passend zur derzeitigen Sonderausstellung im städtischen Museum.

Hier das Programm für alle botanischen Führungen 2024 => https://www.baden-baden.com/media/veranstaltungen/park-und-gartenfuehrungen