Mittwoch, 30. März 2016

Arbeitsgipfel im Rathaus

Rathaus will Flüchtlinge in Arbeit bringen

"Ich würde ja gerne einen Flüchtling beschäftigen, aber..."

Bei der Vermittlung von Flüchtlingen in Arbeit will man in Baden-Baden eine Vorreiterrolle übernehmen und drückt aufs Tempo. Für die Integretation der Flüchtlinge - sei es vorübergehend oder langfristig - sei es entscheidend, wie es gelingt, arbeitsfähige Flüchtlinge in den Beschäftigungsmarkt zu integrieren, heißt es in einer Presseinformation der Stadtverwaltung.

Viele Arbeitgeber und Unternehmen fragten sich daher, welchen Beitrag die Wirtschaft bei den Integrationsbemühungen leisten kann. Konkret geht es auch immer um die Frage, ob und gegebenenfalls zu welchen Bedingungen Flüchtlinge in ein Praktikum oder in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden können. Oft fehlt es nur an wenigen praktischen Informationen.

Um hier eine erste qualifizierte Hilfestellung anbieten zu können, lädt Oberbürgermeisterin Margret Mergen gemeinsam mit Bürgermeister Michael Geggus zu einer Informationsveranstaltung zum Thema „Beschäftigung von Flüchtlingen“ ein am Dienstag, 5. April, 18 Uhr, im Alten Ratssaal des Rathauses (Marktplatz 2).

Nach der Begrüßung durch OB Mergen wird Bürgermeister Geggus in das Thema einführen und über die aktuelle Situation vor Ort in Baden-Baden informieren. Ingo Zenkner, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Karlsruhe-Rastatt, skizziert danach die Möglichkeiten der Beschäftigung von Flüchtlingen, wird Voraussetzungen aufzeigen und praktische Hilfestellung geben. Auch Vertreter verschiedener Unternehmen kommen zu Wort und berichten über erste Erfahrungen mit der Beschäftigung von Flüchtlingen. Zum Abschluss bleibt Zeit für Fragen aus dem Publikum. Die Veranstaltung ist kostenfrei. 

Unternehmen und Arbeitgeber können sich ab sofort bis spätestens Donnerstag, 31. März, bei der Stabsstelle Wirtschaftsförderung anmelden. 
Tel. 07221/93-2042




 

Sonntag, 27. März 2016

Johannes Grenzemann

Menschen in Baden-Baden, heute:
Johannes Grenzemann

Asylbewerber denkt: Ich würde gerne mehr Deutsch lernen und Sprechen üben. Wenn mir nur jemand helfen könnte! Ich würde ihm als Dank etwas aus meiner Heimat kochen.

Baden-Badener denkt: Ich würde gerne einem Flüchtlingen die Blütenpracht in der Allee zeigen oder ihn auf den Merkurgipfel mitnehmen. Aber ich möchte mich nicht generell in der Flüchtlingshilfe einbringen, soviel Zeit habe ich nicht.

Wie bringt man die beiden zusammen?


Johannes Grenzemann hat die Lösung dafür gefunden: Der 31jährige Wirtschaftsinformatiker hat – in seiner Freizeit wohlgemerkt! - eine online-Börse zum gegenseitigen Austausch von unentgeltlichen Gefallen entwickelt. „Refugee Favorz“ hat er sie genannt, und auf ihr kann man sich sehr unverbindlich einen Einblick verschaffen, was die Geflüchteten in Baden-Baden sich wünschen => KLICK


Bitte klicken!


Ursprünglich sei die Tauschbörse eine Idee seines Bruders gewesen, berichtet Grenzemann auf Nachfrage. Aber schnell machte sich der engagierte junge Mann das Projekt zu eigen und begann mit der Verwirklichung. Dass er von der Idee, Flüchtlinge und Deutsche unkompliziert zusammenzubringen, fasziniert war, lag auf der Hand: Vater aus dem Schwarzwald, Mutter aus Peru, aufgewachsen in Frankreich und im Alter von zehn Jahren nach Baden-Baden gekommen und in den deutschen Schulalltag geworfen – mit solch einer Vorgeschichte bringt er die richtigen Erfahrungen mit, gepaart mit einer Technikleidenschaft, die sich früh äußerte: „Ich hatte schon mit zwölf Jahren meinen eigenen Computer“, sagt er, was zur damaligen Zeit die große Ausnahme war. 

Entsprechend groß war seine Leidenschaft für den IT- Bereich und das Programmieren, und so ging er beruflich einen pfeilgerade Weg: Abitur am Wirtschaftsgymnasium, Studium der Wirtschaftsinformatik an der dualen Hochschule in Karlsruhe. Während des Studiums schon baute er ein Tool, um den Passagierfluss am Flughafen in Amsterdam zu optimieren. Seitdem arbeitet er in der Software-Branche und tüftelt gern an komplizierten Sachverhalten. Da kam ihm die Idee einer online-Plattform für die Flüchtlinge gerade recht.




Zum Glück lässt ihm sein Arbeitgeber genügend Freiraum für Spielereien: Vier Tage arbeitet Grenzemann regulär bei Arvato Financial Solutions, der Mittwoch aber gehört ganz und gar seiner Kreativität. „In meinem Job lebe ich davon, dass ich Ideen habe. Wenn mir die Luft ausgeht, ist das auch für die Firma schlecht“, begründet er den ungewöhnlichen Deal mit seinem Arbeitgeber. „Ich brauche Freiraum, um coole Produkte zu designen, um zu experimentieren und Sachen auszuprobieren.“ Mittwochs also hat Grenzemann frei und sitzt im Startup-Center des Karlsruher Gründerzentrums „Perfekt Futur“ auf dem Gelände des alten Schlachthofs. 40 Seefracht-Container stehen dort, umgewandelt in Büros, und einen dieser Container hat Grenzemann auf eigene Kosten angemietet und bastelt hier an seiner großen idealistischen Idee, Geflüchtete und Deutsche zusammenzubringen.

Ich möchte Menschen motivieren, etwas unentgeltlich zu tun“, ist sein großes Ziel. Die Flüchtlingen brauchen Hilfe und Aufmerksamkeit, viele von ihnen sind in Sprachkursen und wollen nun unbedingt das Gelernte anwenden. Regeln und Grammatik lernen sie im Unterricht, aber die praktische Anwendung im Alltag fehlt ihnen, wenn sie isoliert und gelangweilt in ihren Zimmern sitzen. „Reden, spielen, gemeinsam fernsehen oder kochen“ - all das helfe ihnen.

Johannes Grenzemann geht mit bestem Beispiel voran. In seiner Freizeit geht es abends und am Wochenende in die Unterkünfte, stellt nicht nur seine online-Plattform vor, die alle Flüchtlinge gut finden und noch viel besser nutzen könnten, wenn, wie angekündigt, bald überall freies W-Lan verfügbar ist. Grenzemann rückt auch mit seinem Spielekoffer an, erklärte erst kürzlich einer sehr skeptischen Männerrunde die Spielregeln von „Siedler von Catan“ - ein durchschlagener Erfolg. „Mittlerweile kenne ich für fast jedes Element den arabischen Begriff“, sagt er lachend.




Auch Filmabende, die er in den Unterkünften anbietet, werden gerne angenommen. Vor ein paar Wochen war er mit „Was Frauen wünschen“ in der Unterkunft im Abarin zu Gast, wo die Bewohnerinnen ihn mit selbstgemachtem Popcorn verwöhnten.




Die Möglichkeiten für niederschwellige Kontakte sind also nahezu grenzenlos.

Grenzemanns Problem ist nun eher, die Plattform bekanntzumachen und Reichweite und Takt der Angebote und Gesuche zu erhöhen. Sprich: Im Augenblick trauen sich noch nicht genug User mitzumachen, manche Gesuche stehen daher seit Wochen wie Blei als un-erhört auf der Seite.

Bei den Flüchtlingen rennt Johannes Grenzemann mit seiner Plattform offene Türen ein, aber auf der deutschen Seite werden noch viele neue Nutzer gesucht.


Der Zugang zur Plattform ist denkbar einfach. Mit einem Klick kann man Gesuche und Angebote sehen und sie sich gegebenenfalls aus vielen Sprachen übersetzen lassen. Möchte man dem Suchenden oder Anbieter antworten oder mehr über ihn erfahren, muss man sich registrieren. Auch das geht unproblematisch, es werden keine sensiblen persönlichen Informationen abgefischt.

Überhaupt funktioniert das Kennenlernen so unkompliziert wie bei einem Dating-Portal: Sucher und Anbieter können so viel von sich verraten, wie sie wollen, ein Foto hochladen, und auf dem eigenen Profil auch Erfolge vermelden, beziehungsweise sich beim anderen bedanken. Eine vertrauensbildende Maßnahme, erklärt Grenzemann, denn natürlich sieht er eine Hürde im System: Irgendwann im Laufe der Annäherungsphase kommt eben der Zeitpunkt, sich einander zu ver-trauen. Ähnlich wie beim beliebten Couch-Surfing kommt also der Zeitpunkt, an dem die Kommunikation nicht mehr online läuft, sondern es zu einer realen Begegnung kommt.



Wichtig ist Grenzemann, dass sein System kein Tauschring oder Kreditsystem ist, sondern auf rein idealistischer Basis funktioniert. „Die Plattform soll Leute motivieren, etwas unentgeltlich zu tun, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.“

Er träume von einer Welt, in der sich Menschen einfach helfen, sagt er.  

Als Ergänzung zum „Café Kontakt“, das in allen Unterkünften angeboten wird und oft laut und überfüllt ist, kann man sich mithilfe der Plattform im Vorfeld eines Treffens in Ruhe das jeweilige Profil ansehen und sich erst dann für eine – gerne auch nur einmalige - Aktion entschließen. Den Vorteil hat Grenzemann am eigenen Leib erfahren: „Ich habe auf diese Weise in einer der Unterkünfte einen Informatiker aus Syrien gefunden, den hätte ich sonst vielleicht nie getroffen.“ 

Jetzt geht es vor allem darum, auf deutscher Seite viele Nutzer zu finden, um der Plattform ein großes, buntes Leben einzuhauchen. Keine leichte Aufgabe. Denn natürlich ist die Zielgruppe auf netzwerkende, internetaffine Leute begrenzt, wie der Initiator bereits erfahren hat. 

Wer braucht denn sowas“, habe ihm kürzlich ein älterer Herr recht entrüstet bedeutet. „Internet? Nicht mit mir. Ich habe nicht mal ein Handy.“ Tja. Da ist dann auch ein IT-Mensch mit seinem Latein am Ende.


Johannes Grenzemann lässt sich nicht entmutigen. Er glaubt fest an seinen „Marktplatz der Begegnungen“; seine Plattform, so wünscht er sich, solle die Hemmschwelle, sich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren, herabsetzen. Der Austausch von Gefallen laufe – anders als bei all den Dingen, die man sich heutzutage überall kaufen kann – auf Augenhöhe, mit gegenseitigem Respekt. Das ist es, was ihn an seiner Idee so fasziniert: Das Kümmern und Sorgen für den anderen, ohne einen eigenen Vorteil dafür zu erwarten.

Kommt das I in IT also gar nicht so sehr von Internet oder Information als vielmehr von Idealismus? Vielleicht. 

Jetzt wirkt der junge Mann ein wenig verlegen. Er möchte natürlich nicht in die Ecke weltfremder Phantasten geraten. Aber wenn er selber einen Wunsch frei hätte? Da zwinkert er dann unternehmungslustig mit den Augen. „Wäre schon cool, wenn die Favorz eines Tages unsere Währung ablösen würden, oder?


Übrigens nimmt Johannes Grenzemann im April am "Elevator Pitch" in Baden-Baden teil, einem landesweiten Wettbewerb für die beste Gründer-Idee. Man kann noch bis zum 19. April für seine Refugee Favorz abstimmen! Hier geht es zum Wettbewerb und zur Abstimmung => KLICK

Mehr menschliche Geschichten rund um das Thema Asyl finden Sie hier => KLICK
Mehr Geschichten über Menschen in Baden-Baden finden Sie hier => KLICK















Samstag, 26. März 2016

Alltagswahn - Paketshop


Hier schreibt Michael Beck über seine zum Teil deftigen Alltagsabenteuer - nicht ganz bierernst zu nehmen! Heute:


Der Paketshop des Grauens


Eiliger Versand nach Berlin. Paket gepackt und zum Paketshop gefahren.
Immer ein wenig zäh die Annahme, aber es funktioniert und der Carrier zerstört keine Pakete beim Transport.

Oha, neues Personal in Sicht! Blond, seeeehr blond, jung und unglaublich sexy. Denkt sie jedenfalls.

Ich wuchte mein Paket auf den Tresen und sage freundlich „Guten Tag“. 
Ihr Kaugummi quietscht auf den Zähnen. 
„Hi!“ hören meine in die Jahre gekommenen Ohren leise, überdeckt von einer Kakophonie quietschenden Kaugummis. Zwei Kuhaugen starren mich an. „Wollen Sie ein Paket schicken?“ 
„Nein, ich trage sowas immer mit mir rum. Natürlich will ich ein Paket VERschicken.“ 
Der Kaugummi quietscht (wie große Kaugummis gibt´s eigentlich? Muss ein Tennisball sein), die Kuhaugen blicken weiter völlig teilnahmslos. „Das ist aber groß!“
 „Hmja, ist Paketklasse L, nichts besonderes.“ 
Sie zieht es näher an sich ran, ihre Hände liegen auf dem Paket und versuchen es anzuheben – idealer Griff für das Vorhaben, so von oben. Ich starre auf ihre Fingernägel: Nagelstudio hat sich ausgetobt. Bonbonfarben und Palmen mit Äffchen und Nüssen. Kokosnüssen. Sie sieht meinen Blick, verzieht das bunt lackierte Gesicht zu einer Art Grinsen und sagt: „Schick, gell?“ 
„Ich finde es grauslig!“ – Tourette habe ich manchmal, manchmal auch gerne. 
„Echt??? Was würden Sie denn cool finden?“
 „Schwarz mit goldenen Pünktchen! Könnten wir jetzt das Paket…“
 „Schwarz hatte ich schon mal, das hat aber nicht lange gehalten.“ unterbricht sie mich. Die Klauen sind ungefähr so lang, wie die Krallen meines Kangals – ist mir schleierhaft, wie man mit sowas Duschen kann, ohne auszusehen wie ein Mordopfer bei Hitchcock, aber nun. 
„L-Klasse..“ erinnere ich sie und wedle mit meinem Geldschein. 

Das Dings nickt und zückt das Maßband. 
„Können Sie bleiben lassen, ist ein 70/30 Normkarton, sicherheitsverstärkt, Gurtmaß 112. Liefern wir seit 2 Jahren hier ein.“
 „Ist aber groß, ich muss das nachmessen, sonst bekomm ich Ärger.“ 
Die Krallen erweisen sich als kontraproduktiv bei der Handhabung eines Maßbandes. Schließlich kommt sie auf ein Gurtmaß von 140 cm. 
„Das ist viel zu viel!“ schmatzt die Kaugummimasse. 
„Das sind 112 cm…“ erwidere ich.
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Weil ich das Paket daheim vermessen habe.“
„Wieso?“ Ehrliches Interesse schlägt mir entgegen. 
„Weil ich sonst nicht wüsste, welches Etikett ich ausdrucken müsste! Kommen Sie, wir messen je eine Seite separat und ich halte unten das Maßband, ok?“ Völlig überrumpelt stimmt sie zu. Ich halte den Beginn des Maßbandes, sie schaut ganz genau, ob ich auch nicht mogle. 
„42 cm!“ matscht es in meine Ohren. 
„Ich weiß…“ knirsche ich zwischen den Zähnen – „Wollen Sie´s aufschreiben?“ 
Entrüstetes Kopfschütteln. „70 cm!“ tönt es. 
„Und das macht zusammen?“ frage ich im Unverstand. 
Der Kaugummi erhöht seine Temperatur, so schnell wird jetzt gekaut. „132 – sage ich doch, das ist zu groß!“ triumphiert das Gesamtkunstwerk. Ich rechne ihr 70+30+12 vor und habe Erfolg. 
Wir kommen endlich zum Scanvorgang. Der Handscanner piept zweimal ich lege meinen Geldschein hin und sie drückt noch einmal mit gerunzelter Stirn 2 Tasten (was sonst nie jemand macht). „15,90 € macht das.“
 „Nein, das macht 9,99 €! Was haben Sie denn gemacht?“ Wahrscheinlich hat sie noch den Sonderformatszuschlag zugebucht. Der Etikettendrucker spuckt den Beweis aus. 
Die Schilderung der Durchführung des Stornovorgangs spare ich mir jetzt. Endlich klebt der richtige Bäpper neben dem Versandetikett, da kommt die Frage. „Das ist so schwer, können Sie´s nicht da hinten hinstellen?“
 „Nein, ich bin kein Gorilla.“
 „Hä?“
 „Nur ein Gorilla hätte so lange Arme, dass er von hier aus das Paket zu den anderen stellen könnte. Oder soll ich jetzt über den Tresen hüpfen???“

Ein Schmollmund formt sich und das Paket wird ächzend und schwankend auf die bereits wartenden geklatscht. 3 Zalando- und ein BonPrix-Paket verlieren je fünfzig Prozent ihrer Volumina – sind hoffentlich nur Klamotten drin. „Ooh, so schwer…“ 
„Gewichtsklasse bis 35 kg!“ töne ich verzweifelt, weil ich befürchte, dass sie es jetzt wiegen will. 
„Nee, ich wiege 52 kg, aber ich mach gerade Diät.“ strahlt sie mich an um sofort voller Sorgen ihre Studionägel zu kontrollieren.
Ich giere verzweifelt nach meiner Quittung und flüchte dann. Zwei Supermarktkassiererinnen nebendran klatschen sich auf die Schenkel vor Vergnügen, hinter mir ploppt eine Kaugummiblase. 



Samstag, 19. März 2016

Frühling 2016

Frühlingsanfang in Baden-Baden


Die Bänke in der Gönneranlage stehen. Jetzt kann es also losgehen mit dem Fühling. 




... wird fortgesetzt...

Alltagswahn - Staubwedel und...

  Hier schreibt Michael Beck über ganz alltägliche Begegnungen, die nicht immer bierernst zu nehmen sind. Viel Spaß!


Staubwedel und Kampfstern Galaktika …
 
Ein kalter Wintertag. Ein Hauch von Sonne, minus 5 Grad, geschlossene Schneedecke. Gute Voraussetzungen für einen ersprießlichen Gassigang am gestrigen Tag.
Das Hundemobil wird in der Pampa geparkt, Handschuhe an, großen und gar nicht mehr kleinen Hund an die Leinen und los gehts. Schnüffelorgie beginnt, ich genieße die kalte Winterluft. Wird etwas getrübt durch den sehr würzigen Kackhaufen des Junghunds… alter Falter. Die Schnüffellust wird durch Gegenverkehr reduziert. Ein weibliches Wesen kommt uns in der Ferne entgegen. Allem Anschein nach hat sie einen Staubwedel an der Leine, der sich von alleine bewegen kann. Zwanzig Meter näher stellen wir fest, ein Staubwedel mit Mäntelchen – ich könnte schwören, meine beiden haben gegrinst. Frauchen gehört zur Klickerfraktion – das sind HundeführerInnen, die den Begleithund mit einem Klick eines kleinen Gerätes belohnen. Oder motivieren. Oder bestrafen. Ich habe das nie wirklich verstanden, die meisten Klickerleute glaube ich auch nicht. Unser Gegenverkehr klickert ständig. Der Staubwedel tilt und fängt an zu keifen. Frauchen klickt. Immer wenn er aufhört zu bellen. Klick. Dann bellt er wieder. Wird schon einen Sinn haben, denke ich und manövriere den leicht ungehaltenen großen Hund und den nicht mehr ganz neutralen Junghund an den beiden vorbei. Immerhin hat Frauchen sich den Staubwedel quasi ans Bein getackert. Ayla (die ganz Große) bläst Luft durch die Nase, immer ein schlechtes Zeichen und hat einen leicht angestellten Kamm. Junghund Andra hat die Halskrause aufgeblasen. Ich will nicht wissen, was der Staubwedel gesagt hat.
Angenehm verstreichen die nächsten Kilometer. Der Junghund genießt die fünf Meter lange Leine zum cruisen, Ayla läuft frei und trödelt auf den Wiesen rum. Oh, ein Maulwurfshügel, frisch – dem muss nachgegangen bzw. nachgegraben werden. Junghund und ich gehen weiter, weit und breit niemand zu sehen, Ayla kommt dann schon nach. Andra bleibt plötzlich stehen und blickt starr in die Weite. Ich seh nix. Dann doch. Etwas kommt mit einem Affenzahn auf uns zugerannt, dicht über dem Boden. Dann höre ich es auch – der Staubwedel kommt quer über alle Wiesen und Äcker gerast, kläffend, knurrend und geifernd. (Nun sei vorweggenommen, der Staubwedel ist ein Malteser – ich hab Tante google gefragt – so gute 20 cm hoch, lächerliches Kampfgewicht). Ein Suizidant also. Ich hole den Junghund auf halbe Leinenlänge zu mir ran und zücke meine Wurfkette. Ab damit, um das sich anbahnende Drama erst gar nicht geschehen zu lassen. Die Töle ist aber so klein, dass ich sie knapp verfehle. Fuck! Junghund macht sich kampfbereit – alle Zähne blank. In diesem Moment fällt mir wieder ein, dass ich den großen Hund gar nicht an der Leine habe. Selbiger kommt gerade in großen Sprüngen angaloppiert. Jedesmal wenn die Vorderläufe auf der Wiese auftreffen, kommt ein Geräusch aus dem offenen Maul, das sich anhört wie „Hoarrrhoarrrr!“ Muss man nicht unbedingt gehört haben, denn es bringt sogar den hysterischen Staubwedel zum Anhalten. Aus der Ferne quietscht eine Frauenstimme hysterisch „Tiffy, Tiffy!“ Ich könnte schwören, es klickert auch. Ich mühe mich, den ausflippenden Junghund zu bändigen, der beschlossen hat, die Töle fertig zu machen. Meine Steh- und Zu mir-Kommandos an die Große verpuffen wirkungslos. Ein Ohr zeigt mir, dass sie mich gehört hat – but a Kangal has to do what a Kangal has to do. Die Töle knurrt die Große tatsächlich an, fatal error. In meinem Kleinhirn klappt die Liste mit Baden-Badener Rechtsanwälten auf, ich formuliere die Schlagzeile des Badischen Tagblatts „Liste 2 Hund beißt Schosshund tot – Klickerfrauen fordern Verbot großer Rassen!“
Haben Sie mal in Ihrer Jugend „Kampfstern Galaktika“ gesehen? Dieses Megariesenraumschiffdingsda, unter dem es immer dunkel wurde, wenn es über einen Planeten flog, weil es so groß war? Über Tiffy schob sich der Kampfstern Galaktika und es wurde düster über der und um die Töle herum. Die Beißattacke mit Genickbrechen blieb aus – Ayla schaut auf den Staubwedel herunter und knurrt – falls jemand „Herr der Ringe“ gesehen hat, ungefähr dasselbe Geräusch, wie der Balrog, der aus der Tiefe auftaucht und Gandalf meuchelt. Tiffy pinkelt vor Angst (doofes Vieh, zwei große Hunde attackieren und dann feststellen dass das ein ganz schlechter Plan ist). Oh, pieseln? Fatal error Nummer zwei. Ayla schiebt sich einen Schritt weiter und pieselt ebenfalls – reichlich und treffsicher. Der Malteser – vormals weiß – ist jetzt vergilbt und sehr nass. Ayla schnüffelt zufrieden, dreht sich um, kommt zu mir und setzt sich neben mich. Der Junghund hat trotz Verfärbung des Maltesers immer noch das Bedürfnis, sich mal richtig zu beweisen. Ich halte ihn angestrengt im Geschirr. Das keuchende Frauchen von Tiffy ist auf zehn Meter rangerückt. „Wie kann man so einen Hund frei laufen lassen?“ kreischt sie. Ich schalte viel zu langsam und sage „Ja, das find ich auch!“ „Ihr Monster da meine ich!“ quiekt sie weiter. Sie hebt Tiffy hoch, läßt die Töle aber sofort wieder fallen – „Das Mäntelchen ist ja völlig ruiniert!“ „Na, wenn Sie sonst keine Sorgen haben…seien Sie froh, dass Ihrem aggressiven Köter nichts passiert ist.“ entgegne ich. Sie fängt noch mal mit dem Mäntelchen an. Meine Antwort darauf ist nicht zur Niederschrift geeignet.
Klick. Klick.

Und hier zur Illustration, um wen es geht...

 

Sonntag, 13. März 2016

Landtagswahl 2016

Wer wird gewinnen?





Über den aktuellen Stand der Auszählung zur Landtagswahl 2016 können Sie sich heute ab 18 Uhr ganz aktuell über diesen Link direkt im Stadtportal Baden-Badens informieren. => KLICK


KLICK



Bis zum Mittag war die Wahlbeteiligung leider noch nicht hoch. 





Ein Jahr Vincentiushaus

Überwältigender Bericht über
ein Jahr Flüchtlingshilfe




Die Ehrenamtlichen im Vincentiushaus haben einen überwältigenden Bericht über ein Jahr Flüchtlingshilfe vorgelegt. => KLICK


Klick!


Lesen Sie alles weitere hierzu auf dem Flüchtlingshilfe-Blog => KLICK




 

Dienstag, 8. März 2016

Bunt - 7. März - Demo



Baden-Baden ist und bleibt bunt


Es blieb gestern alles friedlich, bunt und fröhlich. Danke Baden-Baden fürs Flagge-Zeigen!

Hier ein Video der Veranstaltung von Georg von Langsdorff => KLICK








Sonntag, 6. März 2016

Samson zieht aus


Meilenstein im Flüchtlingsleben: Der Auszug 

Es wird mal wieder Zeit, über Samson zu berichten.

Der 27jährige kam vor eineinhalb Jahren aus Nigeria nach Deutschland, und er hatte gute Gründe zu fliehen.

Zuerst fiel er in der Öffentlichkeit auf, als er (rechts im Bild zusammen mit seinem Landsmann Benjamin Nzegwu) bei einem Konzert des Gesangvereins Concordia im Kassiansaal des Klosters Lichtental aus voller Kehle das „Badner Lied“ schmetterte, und die gerührten Zuhörer mit seinem Auftritt von den Sitzen riss.



Dann konnte er durch Zufall einen Job ergattern, damals, im August 2015, als es noch keine Intensiv-Sprachkurse für Asylbewerber gab. Das Schicksal verschlug ihn als Helfer in ein Biker-Lokal in Unterstmatt, wo er die Herzen der Wirtsleute, Familie Feist, im Sturm eroberte => KLICK








Seit dem 1. September 2015 fährt er nun an jedem Arbeitstag, fünfmal die Woche, 45 Minuten mit Bus hinauf in den Schwarzwald, und abends wieder 45 Minuten hinunter. Hundemüde ist er, wenn er dann in der Unterkunft in der Westlichen Industriestraße ankommt, und er würde dann wirklich gerne schlafen. Aber das ist schwer.

Die meisten Bewohner in der Unterkunft haben keinen Job, und so ist es dort nachts laut. Sehr laut. Mehr als vier Stunden Schlaf kommen selten zusammen, zusammenhängend schon gar nicht. Noch dazu erschwerte sich die Situation, als die Stadtverwaltung im Herbst daranging und die mit 14 Quadratmetern ohnehin schon kleinen Zimmer auf Dreierbelegung nachverdichtete, sprich: ein drittes Bett hineinquetschte.



So oft es geht, ist Samson auswärts, zum Glück kann er seine Liebe zur Musik ausleben, er spielt in zwei Bands Saxophon und erhält inzwischen regelmäßigen Musikunterricht.

Eingefädelt hat das Christof Teelen, der über das Patenschaftsprojekt der Caritas mit Samson in Kontakt kam und sich seitdem rührend um ihn kümmert. Lesen Sie dazu bitte auch seine Geschichte => KLICK

Unermüdlich fragte Teelen bei allen sich bietenden Gelegenheiten nach passendem, bezahlbaren Wohnraum für Samson. Aber das ist schwierig, da sein Schützling bisher - aufgrund der Überlastung der Behörden - noch keine Möglichkeit hatte, einen Asylantrag zu stellen. Daher ist auch seine Aufenthaltsdauer - auf dem Papier - ungewiss. Bis Herbst ist sie im Moment gestattet, so steht es in seinem Ausweis, und das schreckt Vermieter natürlich ab, sagt Teelen.




Nun aber gab es einen Lichtblick: Bei einer Nachfrage ergab es sich, dass gerade zwei Zimmer in einer sehr bescheidenen Wohnung in Oos freigeworden waren, die die Stadt zur Unterbringung von Flüchtlingen angemietet hat. Hier achtet man darauf, dass die Bewohner sich in die Hausgemeinschaft einfügen. Und da Samson als ruhiger, zuverlässiger Zeitgenosse bekannt ist, gab der Sozialarbeiter in Abstimmung mit allen zuständigen Behörden schließlich grünes Licht: Samson darf zusammen mit seinen beiden Zimmergenossen umsiedeln, hieß es vor zwei Wochen. Die Freude war auf allen Seiten groß!

Diese Woche war es soweit: Koffer und Taschen wurden gepackt und warteten auf den Abtransport, für den der Hausmeister den städtischen Kombi zur Verfügung stellte und aus versicherungstechnischen Gründen auch die drei Flüchtlinge zur neuen Wohnung fuhr.

Wenn man bedenkt, dass als er nach Baden-Baden kam, Samsons Habseligkeiten gerade mal in eine Plastiktüte passten, hat sich das Volumen seines Umzugsgutes erheblich erweitert!




Voller Vorfreude ging es in die neue Wohnung. Luxuriös geht es dort wirklich nicht zu, aber immerhin gibt es Hoffnung auf Ruhe: Zwei große, hintereinander liegende Zimmer warten hier auf die drei ruhigen Nigerianer, Küche und Bad teilen sie sich sich weiteren Asylbewerbern, die schon etwas länger eigenständig in dieser Wohnung leben.



Eine letzte Ermahnung an alle durch den Sozialarbeiter, Daniel Basler (rechts), sich an die Hausordnung und nächtliche Ruhezeiten zu halten, dann ist der erste Schritt in die Normalität geschafft!




Viel Glück, Samson!

Mehr Geschichten über Flüchtlinge und auch über ihre Helfer finden Sie hier => KLICK






Samstag, 5. März 2016

Kunsthalle - Christin Lahr


Performance von Christin Lahr


Die staatliche Kunsthalle Baden-Baden lädt morgen, Sonntag, 6. März, um 15 Uhr zu einer Performance der Leipziger Künstlerin Christin Lahr ein.

Christin Lahr ist bei der großen Landesausstellung „Gutes böses Geld“ mit zwei miteinander verwandten Projekten in Baden-Baden vertreten.




Zum einen setzt sie sich mit "Macht Geschenke: Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie" ganz praktisch und umfangreich mit Karl Marx' Hauptwerk „Das Kapital“ auseinander: Seit 2009 spendet sie jeden Tag einen Cent an das Bundesministerium für Finanzen, wobei sie in die Betreffzeile des Überweisungsträgers, die Platz für 108 Zeichen hat, fortlaufend den Text des Buches einsetzt. Bis 2052 wird dieses Projekt laufen, dann, so hat sie errechnet, wird das Finanzministerium auf diese Weise im Besitz des gesamten Textes sein. Eine Spende mit Hintersinn, denn die Betreffzeile kann nicht maschinell in die Bücher des Ministeriums eingepflegt werden. So werden beim Einpflegen Personalkosten erzeugt, die weit höher liegen als der materielle Wert der Spende.

Jede der 15.709 Überweisungen dokumentiert Christin Lahr dabei per Screenshot, den sie dann einmalig auf Urkundenpapier ausdruckt und signiert, um ihn im Verlauf stellvertretend an Bürger – so auch gestern Abend, vielen Dank dafür! – zu verschenken.



 

Die Mikrospenden, so Lahr, bringen einmal täglich die Bilanz des Staates aus dem Gleichgewicht. Sie dienen als Impulsgeber für eine Wertedebatte.

Mit dieser täglichen Überweisung verbunden ist außerdem eine Performance, bei der die Künstlerin den Stuhl des Bürgermeisters der jeweiligen Stadt ausleiht, in der sie gerade mit einer Ausstellung vertreten ist. So auch im Fall von Baden-Baden, wo sie den Stuhl von Oberbürgermeisterin Margret Mergen durch die Stadt rollen ließ, ihn also quasi zum Bürger brachte. Dies hielt sie fotografisch fest. 


 

Bei ihrer Performance in der Kunsthalle berichtet sie von ihrem Projekt und erzählt bildhaftes über Ökonomie, Finanzen und Schulden.

Tipp:
Christin Lahr kann sehr fesselnd über ihre ungewöhnlichen Ideen und Theorien reden. Ein Besuch der Performance loht sich ganz bestimmt!


Homepage der Künstlerin => KLICK

Hier geht es zum Bericht über die Landesausstellung =>  KLICK



Michael Beck - Wege und Ziele


Hier schreibt Michael Beck über ganz alltägliche Begegnungen, die nicht immer bierernst zu nehmen sind. Viel Spaß!


Heute: 

Wege und Ziele...

von Michael Beck

Parkplatz vor dem Sportgeschäft.

Ich sitze wie üblich mit den Hunden im Heck des Autos und warte auf Frauchen. 
Ein Golf aus Karlsruhe mit einem Ehepaar drin hält vor uns.
Folgender Dialog entwickelt sich.

"Hallo!" ruft der Fahrer freundlich. 
Ich "halloe" zurück. 

"Wenn die Hunde nichts tun, hätte ich ein Anliegen."

"Solange Sie mir keine reinhauen, tun die Hunde bestimmt nichts."

"Warum sollte ich Sie hauen???"

"War nur ein Beispiel, um zu erklären, wann die Hunde etwas tun würden."

"Ich haue niemanden!"

"Hat auch niemand behauptet. Was haben Sie denn für ein Anliegen?"

"Vielleicht wissen Sie ja Bescheid!"

"Kommt darauf an."

"Worauf?"

"Worüber ich Bescheid wissen soll."

"Ach so. Ja. Kann ich Sie etwas fragen?"

"Klar. haben Sie ja schon mal."

"Wie, was???"

"Na, ob ich vielleicht Bescheid weiß."

"Das war aber nicht die Frage, die ich eigentlich habe."

"Und die wäre?"

"Ich muss in die Wilhelm-Drapp-Straße. Zu Mercedes."

"Oh je. Da sind Sie auf der falschen Seite der Bahn."

"Warum?"

"Das kann ich schlecht sagen, warum Sie hier sind. Falsch abgebogen vielleicht?"

"Wo?"

"Was, wo?"

"Wo bin ich falsch abgebogen?"

"Spätestens, als Sie hier auf den Parkplatz gefahren sind."

"Das stimmt nicht. Ich habe ja SIE getroffen - und Sie wissen wo ich hin muss!" 
Netter Mensch - er weiß ja eigentlich auch, wo er hin muss...

"Also, Sie fahren jetzt blablabla..."

"Nicht da lang?"

"Nein."

"Da komme ich nicht zu Mercedes?"

"Nein."

"Ich habe eine Karte. Sehen Sie. Da müsste ich aber doch in diese Richtung."

Ich drehe die Karte um. "Jetzt passt´s."

"Oh. Ja. Danke. Also jetzt...?"

"Hier aus dem Parkplatz raus und dann blablabla..."

"Danke. Vielen Dank. Wirklich liebe Hunde!"

"Gute Fahrt!"

Zwischenzeitlich dürfte er in Offenburg oder Colmar sein, vermute ich.

Manchmal liebe ich es.