Sonntag, 26. Juli 2015

Asylgeschichten (6)


Workshop für Flüchtlinge:

Mit der Klopfmethode
Traumata bewältigen


Wieder einmal gehen ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Baden-Baden neue Wege, um Asylbewerbern Erleichterung zu verschaffen: Letzte Woche organisierte die Helfergruppe aus dem Vincentiushaus einen Workshop, in dem zwölf Asylbewerber unter therapeutischer Anleitung von Patricia Möckel die sogenannte Meridian-Klopf-Klopfmethode erlernten, um besser mit den Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse umgehen zu können.

Diese Methode richtet sich nach neuesten psychotherapeutischen Erkenntnissen und kam auch bei den Angehörigen und Helfern der Anschläge vom 9. September 2001 auf das World-Trade-Center auf breiter Front zum Einsatz. Mit großem Erfolg. „Man muss bei einem Trauma nicht unbedingt bis zu den Wurzeln in der Kindheit zurückgehen. Oftmals reicht es, wenn man energetische Blockaden auflöst“, so das Prinzip hinter der Methode.




Zuerst beklopft man in die inneren und äußeren Handkanten, während man sein mit dem Problem verbundenes Gefühl möglichst genau benennt und ausspricht. Anschließend werden weitere Akupunkturpunkte am Körper beklopft.

Normalerweise, so Patricia Möckel, vermittele sie diese Methode in Einzelgesprächen. Aber da der Bedarf unter den Asylbewerbern so groß sei, habe sie sich überlegt, wie sich das Meridianklopfen in einer Gruppe so vermitteln lasse, dass ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen davon profitieren können. 




Ich habe große Angst“, gestand einer der Teilnehmer aus Gambia zu Beginn des Kurses, „immer habe ich diese Angst.“ Näher mochte er sie gar nicht beschreiben, es schien, aber fürchte er, die Angst würde ihn zerfleischen, wenn er sie konkreter formulieren würde. Sein Sitznachbar und Landsmann konnte deutlicher werden: Jede Nacht träume er, eine große Python wolle ihn verschlingen.

Und als ein Familienvater aus Serbien zu reden begann, wurde es ganz still im Raum: „Ich brauche jemanden zum Reden“, flehte er. „Ich war im Krieg, ich träume von den vielen Toten.“ Die Kugel eines Heckenschützen hat ihn im Arm getroffen, er weiß nicht, wohin mit seinen Schmerzen. „Ich kann nicht mehr schlafen, ich weiß, dass mich diese Erinnerungen ein Leben lang verfolgen werden. Manchmal wird es so schlimm, dass ich ein Messer nehme, und mir selber in den Arm schneide, immer wieder. Erst wenn mein Blut fließt, bin ich erleichtert.“

Viele sehen erschöpft aus. Was manchem oberflächlichen Betrachter als Apathie vorkommen könnte, sind in Wirklichkeit die Auswirkungen der schlimmen Dinge, die diese Menschen zur Flucht getrieben haben und die die auch auf ihrer Flucht durchgemacht haben. 


 

Egal was Sie erlebt haben – Sie haben es überlebt“, machte Therapeutin Patricia Möckel ihnen Mut. Dann erläuterte sie ihnen, welche Punkte entlang der Meridiane geklopft werden sollten. „Es wirkt wirklich“, gab sie den Teilnehmern auf den Weg und erntete Zustimmung, denn der Erfolg diese Methode hatte sich bereits vor dem Workshop unter den Teilnehmern herumgesprochen.

Als eine der Ehrenamtlichen vor ein paar Wochen Deutschkurse für die Flüchtlinge abhielt und dadurch näheren Kontakt zu ihnen bekam, bemerkte sie an deren Verhalten, dass viele von ihnen ganz offensichtlich traumatisiert waren. Als sie wenig später damit begann, mit einem der Flüchtlinge ein Fluchtgeschichte-Protokoll für den Arbeitskreis Asyl anzufertigen, begann sie zu verstehen, warum viele der Flüchtlinge so gestresst und traumatisiert erschienen. Die Fluchtgeschichte, die sie erfuhr, war extrem heftig und leidvoll. Sie fragte den Betroffenen, wie es ihm denn eigentlich jetzt, hier in Baden-Baden, gehe, und er berichtete, er könne kaum schlafen, nur zwei, drei Stunden in der Nacht. Ständig habe er innerlich ein Zittern und eine Unruhe.

Für die engagierte Helferin war schnell klar, dass dem Mann die erwähnte Klopf-Methode, von der sie gehört hatte, helfen könnte. Die Baden-Badener Therapeutin Patricia Möckel (hier geht es zu ihrer Webseite => KLICK

 

erklärte sich auf Anfrage spontan bereit, ihm in einer Einzelstunde die Klopfmethode beizubringen. Der Erfolg war durchschlagend. 

Die Ehrenamtliche: „Am nächsten Tag telefonierte ich mit ihm. Er berichtete, er praktiziere die Methode drei bis fünf Mal am Tag und fühle sich besser.“ Nach einer Woche traf sie ihn wieder, und er schien wie ausgewechselt zu sein. „Vorher war er sehr scheu, introvertiert, zog sich fast die ganze Zeit in seinem Zimmer zurück. Jetzt war er locker, entspannt, lachend, offen, herzlich und sehr zugewandt. Seither bringt er sich viel mit ein und kann andere unterstützen.“

Daraufhin entstand die Idee, die Methode einem breiteren Kreis von Flüchtlingen nahezubringen. Diese griffen nach dem Angebot wie nach einem Strohhalm: Es meldeten sich so viele, dass es inzwischen für einen weiteren Kurs eine Warteliste gibt. Das Projekt ist nicht auf das Vincentiushaus beschränkt, auch die Flüchtlinge aus der Westlichen Industriestrasse sollen angefragt werden, eventuell wird auch ein Kurs speziell für Französisch-Sprechende angeboten.

Auch wenn Patricia Möckel zum Freundschaftspreis arbeitet, werden für die nächsten Kurse noch Sponsoren gesucht, da die Stadt sich nur in kleinem Umfang an den Seminarkosten beteiligt. Auch der Auftakt-Workshop vergangene Woche konnte nur durchgeführt werden, weil der Tennisclub Rot-Weiß hierfür eine Spende gab und die evangelische Stadtkirchengemeinde spontan und kostenlos die Jugendräume am Bonhoeffersaal zur Verfügung stellte.




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