Sonntag, 8. Februar 2015

Café Kontakt Vincentiushaus (4)



Stippvisite beim ersten Beschnuppern
"Alles super, danke"




Alles ist Neuland im Vincentiushaus. Für die Asylbewerber, die hier Schutz suchen, ebenso wie für die Ehrenamtlichen, die ihnen helfen und ihnen die Integration erleichtern wollen.

Die erste Woche. Die ersten 31 Flüchtlinge. Die erste Begrüßung. Und nun: Das erste "Café Kontakt". Die Ehrenamtlichen kommen schwer bepackt. Allein die herbeigeschleppte Fanta wird wahrscheinlich für die nächsten vier Treffen reichen. Tische und Stühle werden hin- und hergeschoben, neu verteilt, bis es sich "richtig" anfühlt. Der Gemeinschaftssaal im Vincentiushaus lässt viele Möglichkeiten zu. Alpenveilchen und Azaleen werden verteilt, Servietten, Becher, Süßigkeiten, Kleingebäck. Dann kommen die Kuchen, selbstgebacken. Thermoskannen mit Kaffee und Tee, Milchtüten. Das übliche.



Die Einladungsschilder für das erste Café Kontakt sind nicht zu übersehen, bunt und gute Laune verbreitend hängen sie seit Mittwoch, dem Ankunftstag der Asylbewerber, an den Wänden. Aber trotzdem treibt die Ehrenamtlichen die Sorge um: "Hoffentlich kommt überhaupt jemand." Sie jedenfalls sind fast vollzählig angetreten. 18 haben sich für die Arbeit im Café gemeldet, und beim ersten Mal wollten und sollten möglichst viele dabei sein. Später werden sie nur zu dritt oder viert sein. Man ist gespannt auf die ersten Begegnungen.



Drei von den Anwesenden allerdings sind schon fast alte Hasen und verbreiten die Kunde von den freundlichen jungen Gästen. Die drei Damen gehörten am Ankunftstag dem spontanen Begrüßungskomitee an, das in Windeseile zur Stelle war, als die Asylbewerber aus dem Bus stiegen. Ein Blumenstrauß empfing die Ankömmlinge, und für jeden von ihnen gab es noch dazu ein eigenes Alpenveilchen. "Zuerst war ich ja skeptisch, ob die damit etwas anfangen können", sagt mir eine "Dame der ersten Stunde" im Vertrauen. Aber dann nahm wirklich jeder sein Blumentöpfchen mit aufs Zimmer, manch einer kam sogar noch zurück und holte sich einen Untersetzer - und erhielt auch gleich eine typisch deutsche Unterweisung, wie das Gewächs zu pflegen sei: "Nur jeden zweiten Tag gießen, kein Wasser im Untersetzer lassen." Kontrolliert wird das zwar nicht, aber trotzdem gibt es bereits einige Spielregeln, an die sich die neuen Hausbewohner halten müssen.

"Ich bin gestern noch um 22 Uhr vorbeigekommen", berichtete Hausmeister Christopher Bell, "und habe tatsächlich zwei erwischt, die im Haus geraucht haben." Die Lektion hätten die beiden Missetäter schnell gelernt, auch, dass ein Hausmeister immer in Dienst ist und man nie so ganz unbeaufsichtigt sein wird.



Generell ist die Stimmung im Haus hervorragend. "Die wollen unbedingt arbeiten, am liebsten sofort. Einer möchte sofort Wartung und Bedienung der Waschmaschinen übernehmen, ein anderer will unbedingt den Garten auf Vordermann bringen." Auch werde bereits eifrig nachgefragt, wann es denn endlich losgehe mit den Deutschkursen im Haus.

Auch die drei Damen, die bereits ersten Kontakt mit den Neuen hatten, sind begeistert von ihren Schützlingen. Freundlich und höflich seien die jungen Männer gewesen, berichten sie. Und sie hätten sich riesig gefreut, dass es zur Begrüßung nicht nur Alpenveilchen, von Kinderhand gemalte Willkommens-Schilder und Tee gab, sondern auch ganz praktisch den ersten Gang zum Supermarkt. "Die haben so viel einkauft, dass wir ihnen noch beim Tragen helfen mussten", lacht eine der Damen. "Ich habe die gar nicht bremsen können." Und so liegt jetzt ein zarter Duft nach exotischem Essen in der Küche, in der nun die Thermoskannen Kaffee ausgepackt werden. Keine Minute zu früh, denn schon trudeln - noch zögerlich - die ersten Hausbewohner ein.

Ein Lächeln auf allen Seiten baut Brücken, ein freundlicher Handschlag und ein lässiges, noch ungewohntes "Gutten Morgen" aus dem Mund der Gäste tut sein übriges. Jeder kann schon ein paar Brocken, "Alles super", scheint der Lieblingsausdruck der Ankömmlinge zu sein. Jeder erhält ein Namensschild, und schon bahnen sich erste Gespräche an.



Aber es gibt auch gleich ein kleines Problem. Wie gut, dass Sozialarbeiterin Kathrin Warth ebenfalls zur Stelle ist - Samstag hin oder hin. Einer der Asylbewerber kommt mit unglücklicher Miene zu ihr und hält sich die Wange. Zahnschmerzen. Immer noch. Schon seit ein paar Tagen. Jetzt sollte vielleicht doch gehandelt werden. "No problem", bedeutet Kathrin Warth ihm freundlich. Sie hat die Notfallnummer fürs Wochenende parat und vermittelt einen schnellen Termin.

Aber es werden auch andere Wünsche laut. Eine der Ehrenamtlichen hat im Geiste schon eine ganze Liste notiert von kleinen Dingen, die den neuen Bewohnern den Alltag erleichtern könnten. Bälle werde sie kaufen, hat sie sich vorgenommen, mindest einen Fußball und einen zum Basketballspielen. Fernseher wären auch nicht schlecht! Oder Computer! Ein Internetzugang!

Aber da bremst Abteilungsleiter Peter Weingärtner, der es sich ebenfalls nicht hat nehmen lassen vorbeizukommen, diese Wünsche aus. "Das sind junge Leute, bei denen steht ein gemütlicher Fernsehabend nicht sehr hoch im Kurs", weiß er aus Erfahrung. Und bei der Bereitstellung eines Internetanschlusses käme auf die Stadt schnell eine Haftungsfrage zu, denn es sei bei jungen Menschen wie überall auf der Welt nie auszuschließen, dass sie nicht einmal ein Musikstück downloaden, das sie eigentlich nicht kostenlos beziehen sollten. Aber das Problem stelle sich wahrscheinlich ohnehin nicht. Die meisten besitzen schon jetzt Smartphones, es wird nicht lange dauern, dann haben sie die ersten Tablets, so hat er es beobachtet. Mit einem günstigen Stick könnten sie dann schnell auf eigene Verantwortung ins Internet.



Zum Schluss sitzt ein Dutzend von ihnen mit den Deutschen am Tisch, es gibt keine Berührungsängste, kein verlegenes Fremdeln - man begrüßt sich und beginnt zu plaudern. Auf Englisch zumeist, das fällt allen leicht.

Der Betreuungsschlüssel liegt heute bei 1:1 - auf jeden Gast ein Ehrenamtlicher. Das wird und muss künftig anders sein, sondern ermüdet man zu schnell, und nichts wäre fataler, als würde ein solches Angebot für die Flüchtlinge nach kurzer Zeit "einschlafen", weil die Ehrenamtlichen erschöpft sind. Auch die Idee der ersten Euphorie, das Café Kontakt jeden Samstag anzubieten, weicht schnell der Vernunft. Alle 14 Tage soll es nun stattfinden, aber trotzdem - die Helfer fürs Vincentiushaus sind ja noch voller Elan - wurde schon für den nächsten Samstag - also gestern - eine weitere Zerstreuung geplant: Eine kleine Extra-Stadtführung auf Englisch. Und auch erste Kontakte zu einem Gesangverein in der Nähe wurden bereits hergestellt.




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Anmerkung in eigener Sache:

Ich habe in den vergangenen Wochen sehr viele engagierte Mitbürger kennengelernt, die sich mit phänomenalem Elan für die Schutzsuchenden aus aller Welt einsetzen, und ich spreche ihnen meinen großen Respekt aus. Baden-Baden kann mit Recht sehr stolz auf diese Kultur des friedlichen und hilfsbereiten Miteinanders sein. Meine Asyl-Seite steht Ihnen jederzeit für Termine und neue Informationen offen. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden, die Seite kann nur so aktuell sein, wie Sie es mir ermöglichen. Es gibt noch eine Reihe von Themen, die ich unbedingt begleiten und aufarbeiten möchte - zum Beispiel Stichwort Patenschaften! - , deshalb lohnt sich immer wieder ein Blick auf meinen Blog.

Bitte merken Sie sich folgenden Termin vor:

Donnerstag, 19. Februar, 
19.30 Uhr, Gemeindesaal St. Bernhardus, Weststadt:
An diesem Abend möchte ich alle an Integration Interessierte zu einem Treffen einladen, bei dem wir uns Gedanken machen wollen, ob und wie wir - vielleicht im Mai? - in Baden-Baden eine Art "Friedensfest aller Kulturen" organisieren könnten. Jeder kann seine Ideen einbringen, alles ist noch völlig offen. Ich würde mich über eine große Resonanz freuen. Es soll IHR Fest werden, ich möchte einfach nur einen Anstoß und eine Plattform geben. Machen Sie mit!