Sonntag, 14. Dezember 2014

Ehepaar Wick-Ruhs (1)





Menschen in Baden-Baden, heute:

Ein Ehepaar, das hilft, wo Not ist





Es ist ein Interview der leisen Töne und mit vielen Fragezeichen. Etwas ratlos sitzen mir die beiden in ihrem Büro gegenüber, der spiegelblanke schwarze Art-Deko-Tisch steht zwischen uns wie ein unüberwindliches glattes Meer. Es ist still hier, selbst das Telefon klingelt nur gedämpft.

Ich merke meinen heutigen Gesprächspartnern an, dass sie sich unwohl fühlen. Petra Wick-Ruhs und Diethard Ruhs stehen nicht gern im Rampenlicht, sie halten sich lieber im Hintergrund. Interviews? Fehlanzeige. Fotos? Fehlanzeige. Oder wenn, dann nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Umso mehr freut es mich, dass sich die beiden bereiterklären, mit mir über ihr ehrenamtliches Engagement zu sprechen.

Denn sie tun Großes für die Ärmsten in dieser unserer Stadt der Reichen und Schönen: Der Tafelladen Baden-Baden zum Beispiel wäre ohne die beiden völlig undenkbar. Unermüdlich organisieren sie Events, sprechen mögliche Sponsoren an, stehen auch mal selbst vor den Türen der Supermärkte und bitten um Spenden für die Ärmsten der Armen.

Dabei könnten sie eigentlich ganz unbekümmert und höchst angenehm leben. 25 Jahre sind sie nun schon im Immobilien-Geschäft in Baden-Baden - da lebt man eigentlich auf der Sonnenseite. Doch das ist nicht ihre Art.

"Gespendet haben wir schon immer", wehrt Petra Wick-Ruhs in unserem Gespräch bescheiden ab. Doch eines Tages war ihnen das pure und anonyme Geldgeben zu unpersönlich. "Man wusste ja nie, wo das Geld landet und ob es auch wirklich ankommt."


Ihr Herz schlägt für die Kinder


So besann sich das kinderlose Ehepaar auf die Stadt, in der sie leben. "Wir hätten gern ein Kind adoptiert", sagen sie rückblickend etwas wehmütig. Gespräche mit dem Kinderheim liefen, aber es kristallisierte sich heraus, dass man dort eher Pflegeeltern suchte. "Ich kannte das Umfeld, aus dem die Kinder stammten. Es hätte mir das Herz gebrochen, das Kind nach zwei oder drei Jahren wieder in dieses Umfeld zurückgeben zu müssen", gesteht Petra Wick-Ruhs. Aufgeben wollten sie die Idee, etwas Gutes zu tun, aber nicht so schnell. Sie boten Weihnachtsgeschenke, Ausflüge, Kinobesuche an, doch das Kinderheim wehrte alles ab. "Man wollte nicht, dass wir den Alltag im Heim durcheinanderbringen."

Ähnliches widerfuhr ihnen auch mit ihrer Idee, sich für die Kinderstation in der Stadtklinik zu engagieren. Ihnen habe so etwas wie "Ein Herz für Kinder" vorgeschwebt, aber auch das stieß auf organisatorische Widerstände. "Man war damals einfach noch nicht so weit", vermuten die beiden.

Aber im Kindergarten in der Briegelackerstraße waren sie mehr als willkommen. "Wir wussten, dass  viele Kinder ohne Frühstück kamen, manche hatten auch am Abend zuvor nicht zu essen bekommen. Die hatten Hunger." Und so packten die beiden an, standen Montag morgens vor dem Supermarkt, kauften für die ganze Woche ein, organisierten Leihomas, die in den Kindergarten kamen und mit den Kindern einfache Gerichte von Spaghetti bis zu Waffeln zubereiteten, und ihnen auf diese Weise  nebenbei beibrachten, dass man regelmäßig, wenn möglich in Gemeinschaft etwas Warmes essen sollte. Zwei Jahre ging das gut, dann trabte der Amtsschimmel herein: Das Ordnungsamt forderte für einen weiteren Betrieb dieser Kinderspeisung, dass im Kindergarten eine Profi-Edelstahlküche wie in einem Restaurant eingebaut werden sollte, die Erzieherinnen und Omas sollten Handschuhe und Häubchen tragen und außerdem sollten von jedem Essen Proben gezogen und in ein Labor geschickt werden. Das war das Aus der Kinderküche. Schlimm sei das gewesen, sagen die beiden traurig, nicht nur für sie und die Kinder, auch für die Leihomas, die mit so viel Herzblut dabeigewesen waren.

Aber just zu dieser Zeit keimte in der Stadt die Idee eines sozialen Projekts von Caritas und Volksbank auf, Freiwillige für den Aufbau einer Tafel für die Armen der Stadt wurden gesucht. Ein genauer Plan existierte noch nicht, alles war möglich. Genau das Richtige für die beiden Macher. Von Anbeginn waren sie mit Leib und Seele dabei, als es noch um Fragen ging, ob man Essen austeilen oder einen Laden eröffnen wolle. Man traf sich Monate lang einmal wöchentlich diskutierte, plante, organisierte.


Tafeln für die Ärmsten


Am 7.7. 2008 war es dann soweit: Der Tafelladen im Cäcilienberg in Lichtental öffnete. Rund 4500 Menschen sind in Baden-Baden so mittellos, dass sie berechtigt wären, hier einzukaufen. An drei Nachmittagen in der Woche hat der Tafelladen auf, jedesmal stehen 150 bis 180 Personen vor der Tür. Manchmal ist der Leiter des Tafelladens, Lorenz Hettel, allerdings wegen des spärlichen Angebots verzweifelt, es fehlt an allen Ecken und Enden. "Oft habe ich für den Tag nur ein oder zwei Becher Joghurt im Regal", klagt er.

Für Petra Wick-Ruhs und ihren Mann Anlass genug, Hilfe zu mobilisieren, denn schnell war klar, dass der Tafelladen allein mit den Lebensmittelspenden der Supermärkte nicht existieren kann. Pacht für die Räumlichkeiten, Nebenkosten, Unterhalt für den Transporter, mit dem die Spenden abgeholt werden, Ausstattung des Ladens kommen zur eigentlichen Sammlung von Lebensmitteln noch hinzu. Unermüdlich ist das Ehepaar Wick-Ruhs seitdem in Sachen Tafeln unterwegs. Um das fast schon traditionelle "Tafeln für die Tafeln" in den Kurhauskolonnaden mit zu organisieren, dessen Erlös komlett dem Tafelladen zugute kommt und zu dem mittlerweile drei- bis viertausend Essensgäste kommen, brauchen sie vier bis fünf angestrengte Monate Vorarbeit.







Allein die Gespräche mit den Gastronomen, die mitmachen sollen, kosten Zeit. "Wenn 13 mitmachen, dann waren wir vorher bei 25 vorstellig, und das oft zwei- oder dreimal", wirft Diethard Ruhs (46) ein. Deshalb gibt es diese beliebte Veranstaltung auch nur alle zwei Jahre. Aber mit dem Abklappern der Wirte ist es ja nicht getan, auch die Tombola will bestückt werden. "Da laufe ich dann wie eine Bettlerin von Geschäft zu Geschäft", sagt Petra Wick-Ruhs (51) trocken. Froh sind die beiden, dass sich immer wieder Schulen finden, die sie aktiv, zum Beispiel beim Servieren und Geschirr Einsammeln, unterstützen.

Für die 51jährige ist mit dieser Großveranstaltung aber noch lange nicht Schluss. Wird im Tafelladen eine Gefriertruhe gebraucht, sucht sie Sponsoren. Sind in der Oster- und Weihnachtszeit die Herzen der Mitmenschen besonders offen, steht sie persönlich vor Supermärkten und bittet um Lebensmittelspenden. Meist sind es haltbare Dinge, die gebraucht werden und die das Angebot des Ladens für ein bis zwei Monate strecken: Kaffee, Tee, Nudeln, Schokolade werden benötigt, da die Supermärkte gerade bei haltbaren Artikel immer ausgeklügelter wirtschaften, so das auf diesem Sektor kaum noch etwas abfällt.

Deshalb reicht auch das sommerliche "Tafeln für die Tafel" nicht aus. Also gibt es im Winter jedes Jahr ein weiteres gesellschaftliches Glanzlicht, ein großes Benefiz-Dinner an wechselnden Orten. Dieses Jahr lud man ins renommierte "Medici", auch Brenners, Casino und Dorint waren schon Gastgeber.



Auch hier ist es nicht damit getan, eine Gästeliste zu erstellen und Einladungen zu verschicken. Petra Wick-Ruhs und ihr Mann Diethard brüten im Vorfeld oft viele Nächte über der Tischordnung, überlegen, wer zu wem passt. Ganz abgesehen davon, dass auch hier eine große Tombola bestückt werden muss und die Suche nach Sponsoren Wochen dauert.

"Zum Glück haben wir einen Beruf, in dem wir uns die Zeit einteilen können", sagen die beiden. Und dann reicht ihnen das Interview eigentlich auch schon. "Wir machen das doch alles gerne", wehren sie ab, "loben Sie uns bitte nicht zu sehr."

Nun, diese Bitte kann ich leider nicht erfüllen. Und deshalb:

Fortsetzung nächsten Sonntag!



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